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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 1197/00 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Umfang der erforderlichen Feststellungen bei Anwendung eines standardisierten Messverfahrens

Senat: 4

Gegenstand: OWi

Stichworte: Auslegung, Sachrüge, Verletzung materiellen Rechts, Wirksamkeit des Bußgeldbescheides als Verfahrensgrundlage, fehlende Anhörung vor Erlas eines Bußgeldbescheides, standardisiertes Messverfahren, Geschwindigkeitsüberschreitung, Geständnis

Normen: StPO 346 Abs. 2; OWiG 66

Beschluss: Bußgeldsache gegen T.V.
wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit,
(hier: Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts und Rechtsbeschwerde).

Auf 1. den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts vom 8. November 2000 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rheine vom 31. Oktober 2000 und 2. seine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Rheine vom 15. September 2000 hat der 4.Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 3, 5 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

1.Der Beschluss des Amtsgerichts Rheine vom 31. Oktober 2000 wird aufgehoben.
2.Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Rheine zurückverwiesen.

Gründe:
I. 1. Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von DM 200 festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Zum Sachverhalt hat der Tatrichter festgestellt:

"Am 13. 03. 2000 um 17:11 Uhr befuhr der Betroffene den Burgsteinfurter Damm/Am Wambach in Neuenkirchen Fahrtrichtung auswärts. Der Bereich liegt innerhalb der geschlossenen Ortschaft. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 50 km/h. Der Betroffene fuhr mit einer Geschwindigkeit von 81 km/h nach Abzug des Toleranzwertes. Die Geschwindigkeitsüberschreitung wurde mit dem Lasermessgerät RIEGL gemessen. Die Messentfernung betrug 245 Meter. Der Betroffene hätte bei der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt seine Geschwindigkeitsüberschreitung bemerken und unterlassen können."(UA 3)

Gegen die Entscheidung richtet sich seine Rechtsbeschwerde, mit der er geltend macht, ihm sei vor Erlas des Bußgeldbescheides nicht in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt worden, was einen "schweren Verfahrensfehler" darstelle, der auch nicht nachträglich habe geheilt werden können.

2. Mit Beschluss vom 31. Oktober 2000 hat das Amtsgericht Rheine die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gemäß § 346 Abs.1 StPO i.V.m. § 79 Abs.3 Satz 1 OWiG als unzulässig verworfen, da das Rechtsmittel "nicht binnen der nach §§ 345 Abs.1 StPO, 79 Abs.3 Satz 1 OWiG vorgesehenen Frist von einem Monat nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels begründet worden" sei (Bl. 48 d.A.). Gegen diese am 6. November 2000 zugestellte Entscheidung hat der Verteidiger mit dem am 9. November 2000 bei Gericht eingegangenen Telefaxschreiben die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts beantragt und geltend gemacht, dass die Rechtsmittelbegründung fristgerecht erfolgt sei.

3. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, den angefochtenen Beschluss vom 31. Oktober 2000 aufzuheben und die Rechtsbeschwerde gemäß § 349 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG als unbegründet zu verwerfen.

II. 1. Der innerhalb der Wochenfrist des § 346 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG bei dem Amtsgericht Rheine gestellte Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zulässig und begründet.

Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts im angefochtenen Beschluss ist die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist nicht versäumt. Zwar sind gemäß § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG die Rechtsmittelanträge und ihre Begründung spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Wie § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO zu entnehmen ist, gilt diese Regelung indes nur, wenn das Urteil bis zum Ablauf der Rechtsmitteleinlegungsfrist zugestellt worden ist. Ist das nicht der Fall, beginnt die Rechtsmittelbegründungsfrist mit der wirksamen Zustellung des Urteils.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Betroffene rechtzeitig vor Ablauf der am 22. September 2000 endenden Einlegungsfrist die Rechtsbeschwerde bei Gericht angebracht hat. Da die Urteilsgründe entsprechend der richterlichen Anordnung dem Verteidiger am 20. Oktober 2000 zugestellt worden sind, ist die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist im Hinblick auf den am 17. bzw. 20. November 2000 bei Gericht eingegangenen Verteidigerschriftsatz vom 17. November 2000, mit dem die begründeten Rechtsbeschwerdeanträge abgegeben worden sind, gewahrt worden, so dass die Voraussetzungen für einen Verwerfungsbeschluss gemäß § 346 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG nicht vorgelegen haben.

2. a) Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und insbesondere gemäß § 344 Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG ordnungsgemäß begründet.

Zwar rügt der Verteidiger ausdrücklich "die Verletzung von Verfahrensrecht", doch macht er ausweislich der Rechtsmittelbegründung sinngemäß (vgl. BGHSt 19, 273, 274/275; KK-Kuckein, 4. Aufl. (1999), § 344 StPO Rdnr. 20 m.w.N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl. (1999), § 344 StPO Rdnr. 11 m.w.N.) geltend, der dem gerichtlichen Verfahren zugrundeliegende Bußgeldbescheid sei infolge der Verletzung des rechtlichen Gehörs vor dessen Erlas unwirksam. Er beruft sich mithin auf das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung (vgl. Göhler, 12. Aufl. (1998), § 66 OWiG Rdnr. 38) und damit auf Rechtsfehler in der Anwendung von Rechtsnormen, die dem sachlichen Recht zugeordnet werden (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1992, 39; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 344 StPO Rdnr.14). Damit ist die Sachrüge erhoben.

b) Die Rechtsbeschwerde hat - zumindest vorläufig - Erfolg.

aa) Sie ist jedoch unbegründet, soweit sie geltend macht, der Bußgeldbescheid des Kreises Steinfurt vom 16. Mai 2000 sei wegen eines "schweren Verfahrensfehlers" keine ausreichende und wirksame Grundlage für das gerichtliche Verfahren. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Anhörung des Betroffenen vor dessen Erlas unzureichend gewesen ist, wie die Rechtsbeschwerdebegründung meint. Ein Mangel der Anhörung hat nämlich auf die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides keinen Einfluss. Das Bußgeldverfahren ist ein summarisches Vorverfahren, bei dem der Betroffene rechtliches Gehör dadurch erreichen kann, dass er Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegt (vgl. Göhler, a.a.O., § 66 OWiG Rdnr. 51; KK OWi-Wache, 2. Aufl. (2000), § 55 OWiG Rdnr. 13).

bb) Die Überprüfung auf die Sachbeschwerde im übrigen führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

Wenn auch an die Urteilsgründe im Ordnungswidrigkeitenverfahren keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind, so müssen diese doch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht die richtige Rechtsanwendung nachprüfen kann. Bei einem standardisierten Geschwindigkeitsmessverfahren - wie hier (vgl. BGHSt 43, 277 ff.) - kann es entgegen den vorliegenden Urteilsgründen grundsätzlich nicht mit der Wiedergabe der als erwiesen erachteten Geschwindigkeit sein Bewenden haben, vielmehr muss der Tatrichter, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung zu ermöglichen, neben dem angewandten Messverfahren jeweils auch den berücksichtigten Toleranzwert mitteilen (BGHSt 39, 291, 303). Ausnahmsweise kann auf diese Angabe dann verzichtet werden, wenn der Betroffene uneingeschränkt und glaubhaft gesteht, die vorgeworfene Geschwindigkeit gefahren zu sein. Das ist hier jedoch nicht der Fall gewesen: ausweislich der Urteilsgründe hat sich der Betroffene zur Sache nicht eingelassen.

Der aufgezeigte sachlichrechtliche Mangel führt zur Urteilsaufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (vgl. § 79 Abs. 6 OWiG), weil der Senat nicht ausschließen kann, dass insbesondere der auf die Regelungen der Bußgeldkatalogverordnung gestützte Rechtsfolgenausspruch auf einer fehlerhaften Grundlage beruht. Ein Grund, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Rheine zurückzuverweisen, ist nicht erkennbar. Der Tatrichter hat auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden hat, da deren Erfolg im Sinne des § 473 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG nicht feststeht.


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