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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 1254/00 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: fahrlässige Tötung, fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung infolge Trunkenheit im Verkehr

Normen: StGB 315 c Abs. 1 Nr. 1, StGB 222


Beschluss: Strafsache gegen S.F.,
wegen fahrlässiger Tötung u.a..

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schöffengericht - Coesfeld vom 29. Juni 2000 hat der 4 . Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11.01.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Coesfeld - Schöffengericht - zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Coesfeld hat den Angeklagten durch das angefochtene Urteil wegen "fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs" zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Zugleich hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen und den Führerschein eingezogen. Die Verwaltungsbehörde ist angewiesen worden, ihm vor Ablauf von noch zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte am 4. März 2000 seinen Pkw Audi B 4 (gemeint ist offenbar: A 4) mit dem amtlichen Kennzeichen COE-F 554 mit einer Blutalkoholkonzentration von "um die 2,2 %o" auf der B 525 von Coesfeld kommend in Fahrtrichtung Nottuln geführt. Die Witterungsverhältnisse seien "nicht sehr gut" gewesen. Es sei sehr kalt und "stellenweise auch glatt" gewesen. Etwa gegen 0.13 Uhr sei der Angeklagte nach einer langgezogenen Linkskurve mit dem Pkw von der Fahrspur abgekommen und auf die Gegenfahrbahn geraten, weil er entweder mit seinem rechten Vorderreifen auf eine Eiskante am Straßenrand gelangt sei, daraufhin gebremst bzw. Gas weggenommen und einen Lenkimpuls nach links gegeben habe oder aber weil er zu schnell durch die Kurve gefahren sei, so dass er durch die Querbeschleunigung auf die Gegenfahrbahn geraten sei. Dort sei es zu einer schweren Kollision mit einem Pkw Seat mit Nico F. als Fahrer und Bernd P. als Beifahrer gekommen. Nico F. sei noch an der Unfallstelle, Andreas Martens, der Freund und Beifahrer des Angeklagten, sei wenig später an den schweren Unfallverletzungen in der Universitätsklinik Münster verstorben. Bernd P. habe schwerste, nicht näher festgestellte Verletzungen erlitten.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Sprungrevision.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.
Die in zulässiger Weise eingelegte und form- und fristgerecht begründete Sprungrevision hat einen zumindest vorläufigen Erfolg. Das angefochtene Urteil hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die getroffenen Feststellungen stellen keine tragfähige Grundlage insbesondere für die Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung infolge Trunkenheit im Verkehr dar. Sie rechtfertigen aber auch nicht eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 49. Auflage, vor § 52 Rdnr. 6) in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung, denn es ist nicht hinreichend festgestellt, dass ein sorgfältiger Kraftfahrzeugführer die von einer etwaigen Vereisung des Straßenrands im Bereich der Linkskurve ausgehende Gefahr hätte erkennen können und müssen.

Das Amtsgericht hat zwar ausweislich der Urteilsgründe die Überzeugung gewonnen, dass "der Angeklagte nicht nur einen Fahrfehler im engeren Sinne begangen", sondern auch, "dass seine Alkoholisierung hierzu beigetragen" habe. Insoweit hat es jedoch nur ausgeführt:

"Zum einen ist das Gericht davon überzeugt, dass gerade die Enthemmung durch den Alkohol Ursache dafür war, dass der Angeklagte sich entgegen seiner bisherigen Gewohnheit an das Steuer gesetzt hat. Zum anderen entspricht es aber auch allgemeiner Lebenserfahrung, dass der Angeklagte entweder zu schnell durch die Kurve gefahren ist bzw. auf die Eiskante geriet und dann falsch reagiert hat, weil er alkoholbedingt in seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit eingeschränkt war."

Das Amtsgericht durfte für die Verurteilung nicht darauf abstellen, dass die Alkoholisierung des Angeklagten Ursache dafür war, sich überhaupt hinter das Steuer seines Fahrzeugs zu setzen. Insoweit hat es insbesondere für die Verurteilung wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung infolge Trunkenheit im Verkehr übersehen, dass die konkrete Gefahr - hier der Tod zweier und die Körperverletzung eines weiteren Menschen - Folge der Fahruntüchtigkeit gewesen sein muss (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 315 c Rdnr. 15) und auch die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung nicht allein auf dieses lediglich äquivalent kausale Verhalten gestützt werden darf.

Die Überzeugung des Amtsgerichts von der Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Angeklagten, der Kausalität dieses Verhaltens für den Unfall und dem Umstand, dass die eingetretene Schädigung Folge der Fahruntüchtigkeit des Angeklagten war, lässt sich auch aus den weiteren getroffenen Feststellungen nicht rechtsfehlerfrei herleiten.

Es ist schon rechtlich bedenklich, soweit das Amtsgericht ausführt, nach dem Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. Sterneck, dem es gefolgt ist, sei es diesem möglich gewesen, "zwei plaubsible Kollisionsursachen", nämlich die beiden festgestellten Geschehensabläufe, zu benennen und einen unfallursächlichen Fahrzeugdefekt an einem der beteiligten Fahrzeuge auszuschließen. Letztlich unklar bleibt dabei, ob der Sachverständige weitere mögliche Geschehensabläufe in seine Überlegungen einbezogen und überzeugend ausgeschlossen hat.

Die vom Amtsgericht festgestellten beiden Möglichkeiten, die zum Unfall geführt haben sollen, stehen zudem nicht auf einer Tatsachengrundlage, die die Verurteilung tragen. Es fehlen für den Vorwurf, der Angeklagte habe die Kurve mit nicht angepasster Geschwindigkeit durchfahren, insbesondere Feststellungen zur Fahrbahnbreite, zum konkreten Fahrbahnverlauf vor und am Ort der Kollision, zur Kurvengrenzgeschwindigkeit unter Berücksichtigung der konkreten, insbesondere witterungsbedingten Fahrbahnbeschaffenheit, zur tatsächlich vom Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit und gegebenenfalls zur Erkennbarkeit der Gesamtsituation. Hinsichtlich der anderen der Verurteilung zugrundegelegten Alternative fehlen insbesondere konkrete Feststellungen zur witterungsbedingten Fahrbahnbeschaffenheit im Bereich der Unfallstelle, zur Erkennbarkeit der witterungsbedingten Gefahrenlage auf der zuvor vom Angeklagten zurückgelegten Fahrt und dazu, inwieweit seine Reaktion "falsch" und damit vorwerfbar gewesen ist, nachdem er mit seinem Fahrzeug auf eine Eiskante geraten war.

Dieser fehlenden Tatsachengrundlage kommt noch größeres Gewicht zu, weil das Amtsgericht die Höhe der Blutalkoholkonzentration des Angeklagten nur für die Frage der Schuldfähigkeit zutreffend berechnet hat (Hochrechnung auf den möglichen oberen Wert), nicht aber dafür, welche Blutalkoholkonzentration bei ihm im Zeitpunkt des Unfalls mindestens vorgelegen hat. Hierbei ist, da es um die Ermittlung der Fahruntüchtigkeit geht, als günstigster gleichbleibender stündlicher Abbauwert 0,1 ‰ zugrundezulegen, und die ersten beiden Stunden nach Trinkende sind von der Rückrechnung auszunehmen (vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., § 316 Rdnr. 8 d m.w.N.).

Das angefochtene Urteil war daher insgesamt aufzuheben und gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Coesfeld - Schöffengericht - zurückzuverweisen. Dieses wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben, da der Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht.


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