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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 216/01 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Leitpfosten auf die Straße geworfen, Hindernisbereiten, konkrete Gefährdung

Normen: StGB 315 b Abs. 1 Nr. 2

Beschluss: Strafsache gegen C.N.,
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr u.a..

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 14. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 6. November 2000 hat der 4 . Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29.03.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht im Umfang der Verwerfung auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. dessen Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Unter Verwerfung der Revision im übrigen wird das angefochtene Urteil im Gesamtstrafenausspruch soweit der Angeklagte wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt worden ist und mit den jeweils getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.

Gründe:

I. Der Angeklagte ist durch das Amtsgericht Tecklenburg am 21. Juli 2000 "wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Das Landgericht Münster hat mit dem angefochtenen Urteil die dagegen gerichtete Berufung verworfen.

Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte, der im Frühjahr des Jahres 2000 in dem Verfahren 3 Ls IV 135/99 AG Osnabrück als sogenannter Drogenkurier zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Bewilligung von Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden sein soll, am 13. August 1999 in Westerkappeln nach einem Streit mit seiner Lebensgefährtin gegen 22.00 bis 22.15 Uhr deren über der Gaststätte "Treffpunkt" an der Mettener Straße (km 0,4) liegende Wohnung verlassen. Von dort bis zum Kilometer 1,8 riss er insgesamt 29 Leitpfosten aus dem Erdreich bzw. brach sie aus ihrer Halterung heraus. Die Leitpfosten lagen danach auf der Straße quer zur Fahrbahn und nötigten Pkw-Fahrer zum scharfen Abbremsen (S. 3 U.A.). Ein Fahrzeugführer, der die Mettener Straße aus Richtung Ibbenbüren befuhr, musste vor dem bei Kilometer 1,8 liegenden, aus seiner Sicht ersten Leitpfosten stark abbremsen, überfuhr diesen jedoch gleichwohl (S. 4 U.A.). Das Landgericht hat insoweit für möglich gehalten, dass die relativ kleinen, aus Plastik bestehenden Leitpfosten für einen Pkw noch ziemlich gefahrlos zu überwinden sind. Für einen Motorradfahrer würden sie jedoch eine tödliche Gefahr darstellen (S. 3, 7 U.A.).
Als die vom Zeugen M. herbeigerufenen Polizeibeamten G. und R. den Nahbereich absuchten, entdeckten sie bei Kilometer 2,0 hinter einer Leitplanke versteckt, mit dem Gesicht nach unten liegend, den Angeklagten. Nachdem der uniformierte Zeuge G. den Angeklagten erfolglos aufgefordert hatte aufzustehen und ihn daraufhin hochziehen wollte, schlug dieser nach dem Polizeibeamten und riss sich los. Auf diese Weise gelang ihm zunächst die Flucht. Etwa gegen 23.42 Uhr kam den Polizeibeamten G. und R. bei einer Fahrt mit ihrem Dienstfahrzeug der Angeklagte ca. 300 m von der Gaststätte "Treffpunkt" entfernt auf der Mettener Straße entgegen. Sie hielten an, überprüften ihn und führten ihn einer Blutprobe zu. Während der Fahrt zur Wache beleidigte der Angeklagte zwei Polizeibeamte mit Ausdrücken wie "Bettnässer", "Arschlöcher" und "Wichser". Auf der Wache kam es erneut zu einer Rangelei, wobei der Angeklagte um sich schlug, um sich der Maßnahme zu entziehen.

Die dem Angeklagten um 0.17 Uhr entnommene Blutprobe hat eine Blutalkoholkonzentration von 1,48 ‰ ergeben. Ersichtlich unter Würdigung der Gesamtumstände, insbesondere jedoch unter Berücksichtigung des Versteckens und der Flucht des Angeklagten ist das Landgericht - vertretbar - zu dem Ergebnis gekommen, dass die Voraussetzungen der erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB)nicht vorgelegen haben.

Mit seiner u.a. auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision begehrt der Angeklagte eine uneingeschränkte sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Revision als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision hat zum Teil Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit der Angeklagte wegen "gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr" verurteilt worden ist, und im Gesamtstrafenausspruch.

1. Soweit das Landgericht den Angeklagten wegen "gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr" verurteilt hat, hält das angefochtene Urteil der materiell-rechtlichen Überprüfung nicht Stand. Die getroffenen Feststellungen tragen diese Verurteilung nicht.

Die Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe die 29 Leitpfosten aus der Verankerung gerissen, ist von Rechts wegen nicht zu bemängeln. Sie beruht auf einer rechtsfehlerfrei dargelegten Überzeugungsbildung. Dem angefochtenen Urteil ist auch noch hinreichend zu entnehmen, dass der Angeklagte es war, der die Leitpfosten auf die Mettener Straße geworfen und damit vorsätzlich Hindernisse i.S. des § 315 b Abs. 1 Nr. 2 StGB bereitet hat. Ebenfalls tragen die Feststellungen die Annahme einer dadurch bewirkten Beeinträchtigung der Sicherheit des Straßenverkehrs.

Das Landgericht hat jedoch keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffenen, dass es durch die Tathandlung zu einer konkreten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage, § 315 b Rdnr. 7) Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert gekommen ist. Der Bundesgerichtshof verlangt insoweit in Abgrenzung zur abstrakten Gefahr, dass die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation geführt haben muss. In dieser Situation muss - was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist - die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt worden sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht. Erforderlich ist ein "Beinahe-Unfall", also ein Geschehen, bei dem ein unbeteiligter Beobachter zu der Einschätzung gelangt, dass "es noch einmal gut gegangen sei" (vgl. BGHR, StGB 315 b Abs. 1 - Gefährdung 3 (konkrete); BGH, NJW 1975, 3131, 3131; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 315 b Rdnr. 7; LK-König, StGB, 11. Auflage, § 315 Rdnr. 53).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Allein der Umstand, dass ein Fahrzeugführer sein Fahrzeug bei Kilometer 1,8 wegen eines auf der Fahrbahn liegenden Leitpfostens "stark abbremsen" musste, diesen dann aber gleichwohl überfuhr, lässt noch nicht den Schluss auf eine derartige kritische Situation zu. Dass die auf der Fahrbahn liegenden Leitpfosten für Motorradfahrer eine lebensgefährliche Gefahr begründen können, ist zwar vom Ansatz zutreffend, führt auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen aber nur zur Annahme einer abstrakten Gefahr, da nicht einmal festgestellt worden ist, es hätte ein Motorradfahrer zur maßgeblichen Zeit diesen Abschnitt der Mettener Straße befahren.

In der neuen Hauptverhandlung werden deshalb insbesondere nähere Feststellungen zu dem Fahrzeug erforderlich sein, das "stark abbremsen" musste. Insoweit wird das Landgericht ggfls. auch den Straßenzustand, die Straßenbreite und den Straßenverlauf, die Lage der Leitpfosten auf der Fahrbahn, die Beleuchtungsverhältnisse, die zulässige Höchstgeschwindigkeit und auch die Festigkeit der Leitpfosten abklären müssen.

Falls das Landgericht in der neuen Hauptverhandlung erneut das Vorliegen einer konkreten Gefahr bejahen sollte, wird es auch zu prüfen haben, ob der Angeklagte hinsichtlich dieser konkreten Gefahr tatsächlich, wovon das angefochtene Urteil ausweislich der zitierten Rechtsvorschriften allerdings ohne Feststellungsgrundlage - ausgeht, vorsätzlich gehandelt hat oder ob insoweit nur Fahrlässigkeit vorgelegen hat (§ 315 b Abs. 4 StGB), was zu einer Strafrahmenverschiebung führen würde.

Durch den zumindest vorläufigen Wegfall der Verurteilung wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr unterlag auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe der Aufhebung.

Der Senat weist im übrigen darauf hin, dass in der neuen Hauptverhandlung auch zu prüfen sein wird, ob in die auf jeden Fall zu bildende Gesamtstrafe auch die bisher nicht näher abgeklärte Verurteilung durch das Amtsgericht Osnabrück in dem Verfahren 3 Ls IV 135/99 einzubeziehen ist.

2. Soweit der Angeklagte wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und wegen Beleidigung zu Einzelfreiheitsstrafen von jeweils einem Monat verurteilt worden ist, erweist sich das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Angesichts der ausgeworfenen Einzelstrafen von jeweils einem Monat und der rechtsfehlerfrei bejahten Voraussetzungen des § 47 StGB schließt der Senat aus, dass sich der Schuld- und Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, der keinen Bestand hat, in irgendeiner Weise auf diese Einzelstrafen ausgewirkt haben. Die Revision war daher in diesem Umfang auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft zu verwerfen.

III. Die Strafkammer wird in der erneuten Hauptverhandlung auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben, da der Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht.


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