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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. 6 - 46 u. 52/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zu Zuerkennung einer Pauschvergütung in einem außergewöhnlich umfangreichen Verfahren

Senat: 2

Gegenstand: Pauschvergütung

Stichworte: Pauschvergütung, besonderer Umfang, außergewöhnlich umfangreiches Verfahren, Balsam-Verfahren

Normen: BRAGO 99

Beschluss: Strafsache gegen F.B.,
hier: 1. D.K.,
2. U.B.,
wegen Betruges u.a., (hier: Pauschvergütung für die gerichtlich bestellten Verteidiger gem. § 99 BRAGO).

Auf die Anträge auf Bewilligung einer Pauschvergütung

1. des Rechtsanwalts D. in W. vom 2. Januar 2001 für die Verteidigung des früheren Angeklagten K. und

2. des Rechtsanwalts S. in Bielefeld vom 29. Dezember 2000 für die Verteidigung des früheren Angeklagten B. hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27.04.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Den Antragstellern werden - jeweils unter Ablehnung ihrer weitergehenden Anträge - für ihre Tätigkeit im vorliegenden Verfahren anstelle ihrer gesetzlichen Gebühren Pauschvergütungen bewilligt, und zwar

1.Rechtsanwalt D. anstelle seiner gesetzlichen Gebühren von 59.760,00 DM in Höhe von 128.000,00 DM (in Worten: einhundertachtundzwanzigtausend Deutsche Mark) und
2.Rechtsanwalt S. anstelle seiner gesetzlichen Gebühren von 64.780,00 DM in Höhe von 139.000,00 DM (in Worten: einhundertneununddreißigtausend Deutsche Mark).

Gründe:
Die Antragsteller waren seit ihrer Bestellung am 1. Juni 1995 (Rechtsanwalt D.) bzw. am 24. Mai 1995 (Rechtsanwalt S.) bis zur Beendigung des Verfahrens bezüglich der früheren Angeklagten K. und B. am 5. April 2000 nach Rücknahme der jeweiligen Revisionen im sogenannten „Balsam-Verfahren“ tätig, bei dem es sich um eines der umfangreichsten und spektakulärsten Wirtschaftsstrafverfahren der deutschen Rechtsgeschichte handelt, wie der Senat bereits in zahlreichen Beschlüssen betreffend Vorschüsse auf eine künftige Pauschvergütung sowie betreffend die endgültige Bewilligung von Pauschvergütungen dargelegt hat (vgl. den grundlegenden Beschluss vom 25. April 1996 in 2 (s) Sbd. 4 - 49/96 = AnwGebSpezial 1996, 125 sowie zuletzt Beschlüsse vom 16. Juni 2000 in 2(s) Sbd. 6 - 53, 54 u. 55/2000 = AnwGebSpezial 2000, 249 sowie vom 28. September 2000 in 2 (s) Sbd. 6 - 157 u. 158/2000).

Während Rechtsanwalt S. vor seiner Bestellung in dem Verfahren nicht tätig war, war Rechtsanwalt D. bereits seit dem 14. Juli 1994 als Wahlverteidiger tätig.

Den ursprünglich sieben Angeklagten wurde in erster Linie Betrug zum Nachteil verschiedener Banken mit einem Schaden in Milliardenhöhe zur Last gelegt.

Die im April 1995 erhobene Anklage vom 30. März 1995 umfasst rund 860 Seiten. Die Hauptverhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bielefeld hat am 26. April 1996 gegen alle sieben Angeklagte begonnen. Im Juni 1999 wurde das Verfahren gegen einzelne Angeklagte abgetrennt und in unterschiedlicher Weise beendet.
Durch Urteil vom 30. Juni 1999, dem insgesamt 188. Hauptverhandlungstag, wurde in dem abgetrennten Verfahren K 1/99 IX der Angeklagte K. wegen Kreditbetruges in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten sowie der Angeklagte B. wegen Kreditbetruges in 14 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt; im Übrigen wurden die Angeklagten freigesprochen.

Die zunächst von den Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft eingelegten Revisionen wurden durch Schriftsätze der Verteidiger und der Staatsanwaltschaft vom 4. April 2000, die am selben Tage bei dem Landgericht eingingen, zurückgenommen.

Die Antragsteller begehren nunmehr mit näheren Begründungen für ihre Tätigkeit in diesem Verfahren als bestellte Verteidiger Pauschvergütungen, die Rechtsanwalt S. mit 1.300,- DM je von ihm wahrgenommenen Hauptverhandlungstag, hilfsweise mit 218.000,- DM, und Rechtsanwalt D. mit 150.000,- DM beziffert hat.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen der Antragsteller in ihren Antragsschriften verwiesen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat ferner auf die umfangreichen Stellungnahmen des Vertreters der Staatskasse vom 21. März 2001, die mit der ständigen Rechtsprechung des Senats übereinstimmen und die dem jeweiligen Antragsteller bekannt gemacht worden sind, in vollem Umfang Bezug und tritt ihnen weitgehend bei.

Richtigzustellen ist insoweit lediglich, dass auch Rechtsanwalt D. für seine Tätigkeit im Revisionsverfahren eine gesetzliche Gebühr zusteht, weil auch er mit dem Wahlverteidiger und dem weiteren Pflichtverteidiger in diesem Verfahrensabschnitt tätig geworden ist, wie sich auch aus dem Schriftsatz zur Rücknahme der Revision ergibt (vgl. insoweit auch den genannten Senatsbeschluss vom 28. September 2000 bezüglich des weiteren Pflichtverteidigers Rechtsanwalt E. B.). Die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts D. betragen somit insgesamt 59.760,00 DM.

Ergänzend ist noch folgendes anzumerken:
Mit sämtlichen Verfahrensbeteiligten stimmt der Senat darin überein, dass es sich um ein außergewöhnlich umfangreiches Strafverfahren gehandelt hat, in dem eine Reihe besonders schwieriger tatsächlicher und rechtlicher Fragen zu klären war. Sowohl der Aktenumfang als auch die Verhandlungsdauer mit einer Beiordnungszeit von fast fünf Jahren, die besonders komplexe Beweisaufnahme mit der in Anwesenheit der Antragsteller erfolgten Vernehmung von mehr als 100 zum Teil mehrfach vernommener Zeugen und von drei Sachverständigen rechtfertigen es, die vorliegende Sache innerhalb der bereits besonders umfangreichen und besonders schwierigen Verfahren im oberen Bereich anzusiedeln.

Insbesondere die intensive Vorbereitung der am 26. April 1996 begonnenen Hauptverhandlung hat angesichts des außerordentlichen Umfangs des Aktenmaterials einen ganz erheblichen Arbeitsaufwand erfordert. Darüber hinaus hat die Vor- und Nachbereitung der einzelnen Hauptverhandlungstage und auch die Abstimmung mit den weiteren (Pflicht-)Verteidigern des jeweiligen Angeklagten und der Mitangeklagten die Antragsteller zusätzlich in erheblichem Umfang in Anspruch genommen.

Andererseits bedeutete es während der Hauptverhandlung für die Antragsteller auch eine Erleichterung, dass für ihren jeweiligen Mandanten noch weitere Verteidiger zur Verfügung standen. Es war ihnen daher möglich, an mehreren Tagen an der Hauptverhandlung nicht teilzunehmen. Auch haben sie an einer Reihe von Hauptverhandlungstagen, an denen sie anwesend waren, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, zumindest teilweise der Hauptverhandlung fern zu bleiben. Gleichwohl steht ihnen für jeden der Hauptverhandlungstage, auch wenn sie an diesen nur kurze Zeit teilgenommen haben, eine gesonderte gesetzliche Gebühr zu. Die durchschnittliche Dauer der Teilnahme an der Hauptverhandlung, die zwar nicht allein ein ausschlaggebendes Merkmal, jedoch ein nicht unwesentlicher Hinweis auf den gesamten Umfang der Tätigkeit eines Verteidigers ist, betrug danach bei Rechtsanwalt D. rund 4 3/4 und bei Rechtsanwalt S. rund 4 1/4 Stunden. Von den insgesamt 188 Hauptverhandlungstagen bezüglich der Angeklagten K. und B. hat Rechtsanwalt D. an 155 Tagen und Rechtsanwalt S. an 169 Tagen teilgenommen.

Diese Umstände und die sich über den gesamten Zeitraum der Beiordnung ergebende relativ geringe Terminsdichte machen deutlich sichtbar, dass die Antragsteller auch neben ihrer Tätigkeit für das ohne Frage außerordentlich umfangreiche vorliegende Verfahren noch die Möglichkeit hatten, in nicht ganz unerheblichem Umfang andere Mandate wahrzunehmen und einigermaßen flexibel ihre übrige Arbeitszeit einzuteilen.

So war der Antragsteller Rechtsanwalt S. u.a. auch in der Lage, neben seiner Verteidigung im vorliegenden Verfahren von November 1996 bis Ende 1997 in einem ebenfalls besonders umfangreichen Verfahren zu verteidigen, was durch Senatsbeschluss vom 15. Dezember 1998 (2 (s) Sbd. 5 - 229 - 231/98) durch Gewährung einer Pauschvergütung bestätigt worden ist. In jenem Verfahren vor der 3. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld war er im April 1997 zum Pflichtverteidiger bestellt worden und hat bei einer Durchschnittsdauer von fast 6 Stunden an insgesamt 17 Hauptverhandlungstagen teilgenommen.

Wie der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 5. August 1999 (2 (s) Sbd. 6 - 150/99 = AnwGebSpezial 2000, 7) betreffend die Bewilligung einer Pauschvergütung für eine nach dem 113. Hauptverhandlungstag ausgeschiedene Pflichtverteidigerin des Angeklagten B. und in seinen bereits genannten Beschlüssen vom 16. Juni 2000 und vom 28. September 2000 ausgeführt hat, darf bei der Bewilligung einer Pauschvergütung insgesamt das vorgegebene Gesamtgefüge der gesetzlichen Gebühren für den Pflichtverteidiger nicht außer Acht gelassen werden. Auch soll der Pflichtverteidiger durch die Gewährung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO nicht etwa einem Wahlverteidiger gleichgestellt, sondern es sollen lediglich außergewöhnliche und unzumutbare Belastungen des Pflichtverteidigers vermieden werden.

Unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände und des gesamten Vorbringens der Antragsteller hat der Senat daher insbesondere aufgrund der enormen Fülle des Aktenmaterials, des Umfangs der Vorbereitung auf die Hauptverhandlung und der auch außerhalb der Verhandlung erforderlichen Zeit für die Bearbeitung des vorliegenden Verfahrens Pauschvergütungen festgesetzt, die die Höchstgebühren eines Wahlverteidigers noch deutlich übersteigen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Antragsteller untereinander erschien bei Rechtsanwalt D. eine Pauschvergütung in Höhe von 128.000,00 DM und bei Rechtsanwalt S. eine solche in Höhe von 139.000,00 DM angemessen, so dass sie - unter Ablehnung der weitergehenden Anträge - in den genannten Höhen festgesetzt worden sind. Diese Pauschvergütungen stehen auch in angemessenem Verhältnis zu denjenigen, die der Senat in den bereits genannten Beschlüssen vom 5. August 1999, 16. Juni 2000 und 28. September 2000 weiteren Pflichtverteidigern bewilligt hat.

Soweit Rechtsanwalt S. beantragt hat, ihm für jeden von ihm wahrgenommenen Hauptverhandlungstag einen bestimmten Betrag als Pauschvergütung zu bewilligen, war dieser Antrag ebenfalls abzulehnen.

Einen entsprechenden Antrag hatte er bereits im Rahmen der Bewilligung von Vorschüssen auf eine künftige Pauschvergütung gestellt. Dieser Antrag war durch Senatsbeschluss vom 2. Oktober 1997 (2 (s) Sbd. 5 - 164/97) abgelehnt worden. In jenem Beschluss hatte der Senat insoweit ausgeführt:

„Auch ist es nicht möglich, einen solchen festen Betrag - unabhängig von seiner Höhe - jeweils pro Sitzungstag zu bewilligen, und zwar weder als Vorschuss auf eine Pauschvergütung noch als bereits endgültig zu bewilligende Pauschvergütung. Es kann nämlich erst bei rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens im Rahmen einer Gesamtschau ermittelt werden, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung gegeben sind und wenn ja, in welchem Umfang. Da die Pauschvergütung als Gesamtbetrag an die Stelle der gesetzlichen Gebühren tritt, setzt sie sich auch nicht wie diese aus einzelnen fest taxierten und
zu addierenden Beträgen zusammen. Die Fälligkeit des Pauschvergütungsanspruchs tritt daher auch erst mit Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Entscheidung ein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 1997 in 2 (s) Sbd. 5 - 238/96 und vom 16. Oktober 1995 in 2 (s) Sbd. 4 - 136/95 m.w.N.).

Das Vorbringen in der Antragsschrift gibt zu einer Änderung der Senatsrechtsprechung insoweit keinen Anlass.“

Der Senat sieht auch weiterhin keinen Grund, seine insoweit ständige Rechtsprechung aufzugeben.

Soweit den Antragstellern bereits mehrfach Vorschüsse auf eine künftige Pauschvergütung und Vorschüsse auf die gesetzlichen Gebühren gezahlt worden sind, sind diese auf die nunmehr gewährten endgültigen Pauschvergütungen anzurechnen.


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