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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 107/01 OLG Hamm

Leitsatz: Der Verurteilte ist in der Regel bei den nach § 454 i.V.m. § 463 Abs. 3 StPO zu treffenden Entscheidungen persönlich durch die Strafvollstreckungskammer zu hören . Von der persönlichen Anhörung kann ausnahmsweise vertretbar nur dann abgesehen werden, wenn der persönliche Eindruck angesichts der Bedeutung der Sache und der Schwierigkeit der konkret zu treffenden Entscheidung nicht von entscheidender Bedeutung ist.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte:

Normen: StPO 454, StPO 463; StGB 67

Beschluss: Strafvollstreckungssache gegen D.O.,
wegen schweren Raubes u.a. (hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen einen die Führungsaufsicht anordnenden Beschluss des Landgerichts).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 24. März 2001 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 19. März 2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19.06.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Verurteilten verworfen (§ 473 Abs. 1 StPO).

G r ü n d e :
Das Landgericht Essen hat den Verurteilten am 11. Juli 1994 wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit Geiselnahme und Hehlerei, weiter in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Schusswaffenerwerb unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Essen vom 07.02.1991 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt. Dabei wurde allein wegen des gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit Geiselnahme eine Einzelfreiheitsstrafe von acht Jahren verhängt. Der Verurteilte hat diese Strafe bis zu seiner Entlassung am
20. April 2001 vollständig verbüßt.

Die Strafvollstreckungskammer hat mit Beschluss vom 19. März 2001 Führungsaufsicht angeordnet und dazu ausgeführt, dass nach Vollverbüßung einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat mit der Entlassung aus der Strafhaft Führungsaufsicht anzuordnen sei. Es seien keine Gründe ersichtlich, die gem. § 68 f Abs. 2 StGB erwarten lassen könnten, dass der Verurteilte auch ohne die Führungsaufsicht zukünftig keine Straftaten mehr begehen werde. Dies ergebe sich bereits aus den erheblichen Vorstrafen und dem früheren Bewährungsversagen des Verurteilten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise erhobene sofortige Beschwerde des Verurteilten, mit der er im Wesentlichen folgendes vorträgt: Er werde zukünftig keinesfalls mehr straffällig werden. Seine Anhörung durch den Rechtspfleger des Amtsgerichts Olpe verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Es sei im Übrigen nicht sorgfältig genug geprüft worden, ob in seinem Fall auf die Anordnung der Führungsaufsicht verzichtet werden könne. Eine zuverlässige Einschätzung der Gefahren, die von ihm - dem Verurteilten - heute noch ausgehen würden, hätte sich das Gericht nur durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens verschaffen können.

Die sofortige Beschwerde erweist sich als unbegründet.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg war zur Entscheidung berufen. Der Verurteilte wurde am 20. April 2001 aus der Strafhaft entlassen. Danach ist zur Entscheidung über die Anordnung der Führungsaufsicht diejenige Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk der Verurteilte drei Monate zuvor eingesessen hat und zwar unabhängig von dem Umstand, ob ihr die Akten vorgelegt wurden oder nicht (BGH NStZ 84, 322). Der Verurteilte hat sich bis zum 8. Februar 2001 in der Justizvollzugsanstalt Werl befunden, so dass daraus auch die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg folgt.

Soweit der Betroffene rügt, ihm sei im vorliegenden Verfahren nur "eine Anhörung durch den Rechtspfleger beim Amtsgericht Olpe" gewährt worden, ist diese Behauptung unzutreffend. Auf Ersuchen der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg ist der Verurteilte durch den Richter am Amtsgericht S. (Amtsgericht Olpe) am 15. März 2001 angehört worden. Dabei hat der Verurteilte keine Angaben zur Sache gemacht, sondern lediglich erklärt, dass er die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantrage.

Der Senat verkennt nicht, dass der Verurteilte in der Regel bei den nach § 454 i.V.m. § 463 Abs. 3 StPO zu treffenden Entscheidungen persönlich durch die Strafvollstreckungskammer zu hören ist. Das ist hier nicht geschehen. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat jedoch ausnahmsweise vertretbar von der persönlichen Anhörung des Verurteilten abgesehen, weil der persönliche Eindruck angesichts der Bedeutung der Sache und der Schwierigkeit der hier konkret zu treffenden Entscheidung nicht von entscheidender Bedeutung war (vgl. BGHSt 28, 143). Es gibt Verfahrenslagen, in denen es im Interesse einer geordneten Strafrechtspflege liegt, dem unangemessenen Aufwand an Zeit und Arbeitskraft entgegenzuwirken, der mit der Notwendigkeit der Anhörung durch den Spruchkörper verbunden wäre. Daraus folgt, dass jedenfalls in Ausnahmefällen die mündliche Anhörung auch durch den ersuchten Richter ausreichen kann.

Für das vorliegende Verfahren ergibt sich insoweit Folgendes: Der Verurteilte wurde am 17. August 1990 festgenommen und befindet sich seitdem - auch unter vollständiger Verbüßung einer anderen Strafe - ununterbrochen im Strafvollzug. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Werl hat in seiner Stellungnahme vom 29. November 2000 über den Verurteilten u.a. folgendes berichtet:

"Zusammenfassend bleibt festzuhalten:
Herr O. ist bindungslos, seine Vorstellungen mit seinen Kindern oder dem Stiefvater Verbindung zu erhalten lassen sich auf Grund deren Haltung nicht umsetzen. Eine Kontaktaufnahme mit der Aussicht auf ungestörte Verbindung/Kommunikation ist Illusion.

Außenkontakte unterhält er z.Z. allenfalls in lockerer Form zu Frau S. vom "Schwarzen Kreuz".

Seine Entlassungssituation ist völlig ungeklärt; sein Entlassungsort ist offen; sein Wunsch, nach Bielefeld oder
nach Werl entlassen zu werden beruht nicht auf vorhandenen Beziehungen zu Personen, sondern auf seiner (oberflächlichen) Kenntnis dieser Ort durch seine Inhaftierung.

Eine Entlassung in eine Wohneinrichtung ist wegen seines gezeigten Verhaltens im offenen Vollzug, das als gemeinschaftsunfähig und von fehlendem Verständnis für die Anforderungen an ein geordnetes Zusammenleben beschrieben werden muss, nicht möglich. Herr O. würde sich m.E. wegen seines Verhaltens recht schnell "auf der Straße" wieder finden.

Für den Arbeitsbereich besteht keine Perspektive; seine formulierten Vorstellungen, sich schulisch oder beruflich qualifizieren zu wollen, sind angesichts seines Alters wohl illusorisch; zudem hat sich gezeigt, dass er kaum in der Lage ist, den Anforderungen an ein geordnetes Arbeitsverhalten zu entsprechen.

Nach der Entlassung wird Führungsaufsicht eintreten; da der Entlassungsort noch unklar ist, wurde Herrn O. geraten, sich nach der Verlegung in den offenen Vollzug um eine Kontaktaufnahme zu bemühen.

Herr O. kann keine selbst erarbeitete Vorstellung über die Vorbereitung seiner Entlassung und die Zeit danach benennen.

Insgesamt herrscht hinsichtlich des weiteren Werdegangs von Herrn O. schlicht Ratlosigkeit.

Die desolate Entlassungssituation ist aus dem geschlossenen Vollzug heraus nicht grundlegend zu verbessern; eine Verlegung in den offenen Vollzug, in dem Herr O. nicht durch Missbrauch sondern wegen seiner Verhaltensauffälligkeiten gescheitert ist, erscheint sinnvoll, um ihm die Chance einzuräumen, sich dort gewährte Lockerungen auf die Entlassung vorzubereiten."

Unter diesen Umständen scheint es ausgeschlossen, dass die Strafvollstreckungskammer - hätte sie den Verurteilten persönlich angehört - gemäß § 68 f Abs. 2 StGB von der Anordnung der Führungsaufsicht abgesehen hätte. Angesichts des langen Strafvollzuges und der sozialen Situation des Verurteilten wenige Monate vor dem Strafende konnte zweifelsfrei von der Anordnung der Führungsaufsicht nicht abgewichen werden. Schließlich ist zu bemerken, dass die Strafvollstreckungskammer auch zu Recht den Antrag des Verurteilten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zurückgewiesen hat. Angesichts der langjährigen forensischen Erfahrung des Verurteilten und der Eindeutigkeit der hier zu entscheidenden Rechtsfrage kam diese nicht in Betracht.

Die sofortige Beschwerde war deshalb mit der Kostenfolge des § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.


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