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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ss OWi 372/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur ausreichenden Beschreibung der Tat im Bußgeldbescheid

Senat: 5

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, Umgrenzungs- und Informationsfunktion, Tatidentität, Beschreibung der Tat im Bußgeldbescheid

Normen: OWiG 66

Beschluss: Bußgeldsache gegen B.B.
wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 16. Februar 2001 hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 13.06.2001 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter (§ 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das Verfahren wird gem. § 260 Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

Gründe:
I.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 43 Abs. 1 S. 1 Arzneimittelgesetz eine Geldbuße von 5.000,00 DM festgesetzt.

Die Urteilsfeststellungen zum Tatgeschehen lauten:

"Der Betroffene betreibt eine Arztpraxis in L.. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nimmt er von ihm bekannten Patienten zum Teil auch angebrochene Medikamentenpackungen zurück, die diese aus den verschiedensten Gründen nicht mehr benötigen, entweder weil sie verstorben sind oder die restlichen Medikamente aus anderen Gründen nicht mehr benötigen. Diese Medikamente gibt er sodann
- sofern ihr Haltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen ist - an andere Patienten, die ein Medikament dieser Art benötigen, kostenlos weiter."

Mit dem Bußgeldbescheid des Kreises Lippe vom 8. Mai 2000 wurde dem Betroffenen folgendes zur Last gelegt:

"Auf Grund eines Zeitungsartikels in den "Pyrmonter Nachrichten" von 21.12.1999 ist mir am 31.03.2000 zur Kenntnis gelangt, dass Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit als niedergelassener Arzt in L. zurückgegebene Medikamente von verstorbenen Patienten annehmen und kostenlos an andere Patienten weitergeben.

Mit Schreiben vom 01.03.2000 wurden Sie auf die Rechtswidrigkeit Ihres Verhaltens unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut des § 43 Abs. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) aufmerksam gemacht und u. a. um Stellungnahme gebeten.

Im Telefonat vom 09.03.2000 erklärten Sie, dass Sie die Regelungen des Gesetzes sowie die Tatsache, dass Ärzte mit Strafe belegt würden, wenn sie ihr Arzneimittelbudget überschreiten, für unsinnig hielten. Ihr Verhalten könne hingegen zur erheblichen Schonung auch Ihres Budgets beitragen. Sie seien bestrebt den Weg in ein medizinisches "Zweiklassensystem" zu vermeiden. Sie stünden in Verbindung mit den Medien und wollten eine Kampagne zur Änderung des unsinnigen Gesetzes durchziehen.

Im Gesprächstermin am 31.03.2000 erwähnten Sie gegenüber Herrn B. (Amtsapotheker), Herrn Dr. L. (Leiter der Abteilung 3 - Gesundheit- und Veterinärangelegenheiten des Kreises Lippe) und Frau M. (Kreis Lippe), dass Sie Medikamente auch von Patienten oder Patientinnen, die diese kurz zuvor von Ihnen verordnet bekommen hätten und sie entweder nicht vertragen hätten oder im Krankenhaus auf andere Medikamente umgestellt würden, zurücknähmen, um sie an andere Patienten weiterzugeben.

Dabei demonstrierten Sie, wie Sie in einigen Fällen bis zu 2 Tabletten von einem Blister abschneiden und diese Ihren Patienten oder Patientinnen geben. Sie sahen den Vorteil der Abgabe eines Arzneimittels in dieser geringen Menge darin, dass Sie so die Wirkung des Medikamentes testen könnten, was unter therapeutischen Aspekten sinnvoll sei. In anderen Fällen gäben Sie auch Blister ohne Beipackzettel und ohne Verpackung an Patienten oder Patientinnen ab.
Der Patient oder die Patientin würde von Ihnen in jedem Fall belehrt.

Diese Verfahren seien nach eigenen Angaben von Ihnen bereits seit längerer Zeit praktiziert worden. Andere Ärzte würden auch so verfahren.

Ihrer Meinung nach sei es lächerlich, dass Apotheker zu Spenden zwecks Weiterleitung von Arzneimitteln in die Dritte Welt aufrufen dürften, wohingegen Ihnen eine Weitergabe von derartigen Medikamenten verboten sei.

Sie stufen die Qualität eines Arzneimittels, das Sie von einem Patienten zurücknehmen, nicht schlechter ein als die eines Medikamentes aus der Apotheke. Sie nähmen nur Medikamente von Patienten zurück, die Sie gut kennen und bei denen Sie von einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung ausgehen würden."

II.
Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Rechtsbeschwerde ist begründet. Die aufgrund der allgemein erhobenen Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils führt zur Einstellung des Verfahrens mangels einer Prozessvoraussetzung.

Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 1. Juni 2001 folgendes ausgeführt:

"Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt auf Grund der in zulässiger Form erhobenen Sachrüge die Pflicht, das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen. Diese Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass der Bußgeldbescheid des Kreises Lippe vom 07.04.2000 eine ausreichende Verfahrensgrundlage für die abgeurteilte Tat nicht darstellt, da er den Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG nicht genügt. Danach muss der Bußgeldbescheid, um seiner Umgrenzungs- und Informationsfunktion zu entsprechen, das Tatgeschehen in einer Weise beschreiben, dass einwandfrei klar ist, welcher Lebensvorgang zur Entscheidung des Gerichts gestellt wird (zu vgl. BGHSt 23, 336; Bay.VRS 63, 155, 58, 432; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 66 Rdnr. 38 ff. m. w. N.).

Nach dem Inhalt des Bußgeldbescheides darf jedenfalls kein Zweifel über die Tatidentität bestehen. Es muss feststehen, welcher Sachverhalt erfasst und geahndet werden soll (zu vgl. Göhler, a. a. O., § 66 Rdnr. 39).

Der Bußgeldbescheid des Kreises Lippe vom 07.04.2000 erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Dem Betroffenen soll offensichtlich zur Last gelegt werden, in einer Vielzahl von Fällen Medikamente an Patienten weitergegeben zu haben, die zuvor bereits anderen Patienten verschrieben und von diesen zurückgegeben worden waren. Hierbei handelt es sich um eine Vielzahl von Einzelfällen, die in dem zu Grunde liegenden Bußgeldbescheid in keinster Weise zeitlich und durch nähere Beschreibung des Tatgeschehens (welcher Patient und welches Medikament) konkretisiert werden. Es bleibt daher unbestimmt, welche einzelnen Tathandlungen des Betroffenen (Weitergabe von Medikamenten) eigentlich Gegenstand des Bußgeldbescheides sind. Eine Unterscheidung von anderen gleichartigen bußgeldbewehrten Handlungen des Betroffenen lässt sich nicht vornehmen.

Zwar ist es bei der von dem Betroffenen geübten Praxis für die zuständige Bußgeldbehörde naturgemäß mit Schwierigkeiten verbunden, einzelne Verstöße hinsichtlich der Patienten und der diesen übergebenen Medikamente zu individualisieren. Erforderlich ist jedoch im Falle einer Serie von Einzeltaten, die sich in derselben Weise am selben Ort abgespielt haben, - wie vorliegend - in jedem Falle, dass zumindest eine konkrete zeitliche Eingrenzung vorgenommen und darüber hinaus nach dem Zweifelsgrundsatz von Mindestzahlen ausgegangen wird (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 200 Rdnr. 9 m. w. N. zu den entsprechenden Voraussetzungen bei Erhebung einer Anklage). Entsprechende - diesen Mindestanforderungen an eine Konkretisierung genügende - Feststellungen sind in dem Bußgeldbescheid (und im Übrigen auch in dem angefochtenen Urteil) nicht getroffen worden.

Das Verfahren ist daher - mangels Vorliegens einer Prozessvoraussetzung - gemäß § 260 Abs. 3 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG einzustellen."

Dem tritt der Senat bei.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.


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