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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 25/2001 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Überprüfung des Ermessens der Vollzugsbehörde bei der Entscheidung über das Absehen von der Strafvollstreckung im Fall der Ausweisung des Verurteilten

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Absehen von Vollstreckung, Ausweisung, Ermessen der Staatsanwaltschaft

Normen: StPO 456 a, EGGVG 23

Beschluss: Justizverwaltungssache betreffend H.S.,
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Entscheidung nach § 456 a StPO).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 20. April 2001 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Wuppertal vom 17. November 2000 in der Form des Beschwerdebescheides des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 15. März 2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:
Der 1974 in der Türkei geborene Betroffene siedelte im Alter von drei Jahren in die Bundesrepublik Deutschland über. Er wurde am 5. Februar 1997 vom Landgericht Wuppertal wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt. Die Hälfte der Strafe hatte der Betroffene am 13. Januar 2001 verbüßt, der 2/3-Zeitpunkt datiert auf den 13. September 2002.

Gegen den Betroffenen ist eine bestandskräftige Ausweisungs- und Abschiebungsverfügung der Ausländerbehörde der Stadt Remscheid vom 22. Januar 1999 ergangen.

Der Betroffene hat in der Vergangenheit mehrfach, zuletzt unter dem 27. März 1999, seine Überstellung in den türkischen Strafvollzug beantragt, die letztmalig mit Beschluss des Senats vom 25. Januar 2000 abgelehnt worden ist.

Mit Antrag seines Verteidigers vom 13. November 2000 hat der Verurteilte nunmehr beantragt, gem. § 456 a StPO von der Vollstreckung der Freiheitsstrafe nach Verbüßung der Halbstrafe abzusehen. Dies hat er im Wesentlichen damit begründet, dass angesichts der bestandskräftigen Ausweisung und Abschiebung seine Resozialisierung nur in der Türkei erfolgen könne. Darüber hinaus lebten seine Eltern nunmehr wieder in der Türkei, so dass ein Besuch in der Justizvollzugsanstalt nur noch selten möglich sei. Im übrigen müsse er in der Türkei noch seinen 18-monatigen Wehrdienst ableisten. Mit Entschließung vom 17. November 2000 hat die Staatsanwaltschaft Wuppertal den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, wegen der Schwere der Tat und der großen Menge des eingeführten Rauschgiftes sei die weitere Vollstreckung der Strafe zur Einwirkung auf den Verurteilten dringend geboten. Es sei beabsichtigt, kurz vor dem 2/3-Zeitpunkt gem. § 456 a StPO zu verfahren.

Die hiergegen fristgerecht eingelegte Beschwerde des Verurteilten hat der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf mit folgenden Erwägungen zurückgewiesen:

"Ich habe den Sachverhalt erneut geprüft, jedoch keinen Anlass gefunden, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Wuppertal abzuändern. Die weitere Vollstreckung des Restes der gegen ihren Mandanten verhängten Freiheitsstrafe von 10 Jahren ist jedenfalls über den Halbstrafenzeitpunkt hinaus wegen der Schwere der Schuld geboten.

Dies ergibt sich aus den in dem Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 5. Februar 1997 zum Ausdruck gebrachten, über die Tatbestandsverwirklichung hinausgehenden ganz erheblichen schulderhöhenden Umständen. Ihr Mandant hat mit einem der gefährlichsten Rauschgifte, nämlich Heroin, und dies mit einem Vielfachen der "nicht geringen Menge" bandenmäßig Handel getrieben, wobei er eine herausragende Position in der Rauschgiftbande einnahm. Überdies organisierte er den Handel mit den Betäubungsmitteln durch Kontakte zu einer international operierenden, im Rauschgifthandel tätigen Tätergruppierung.

Auch unter Berücksichtigung der Rundverfügung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. August 1985 (9174 - III A. 2) ergibt sich keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Nach Nr. I 1 dieser Rundverfügung ist zwar in aller Regel zu einem Zeitpunkt der Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe von der weiteren Vollstreckung abzusehen. Nach Nr. I 3 kommt eine über den Halbstrafenzeitpunkt hinausgehende Vollstreckung dann in Betracht, wenn dieses aus besonderen, in der Tat und in der Person des Verurteilten liegenden Gründen oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unabweisbar geboten ist.

In dem vorliegenden Fall ist eine Vollstreckung über den Halbstrafenzeitpunkt unabweisbar geboten. Dabei ist berücksichtigt worden, dass nach der vorgenannten Rundverfügung die allgemeinen Ziele des Strafrechts nicht in unvertretbarer Weise beeinträchtigt werden dürfen und dieses namentlich bei gefährlichen Rauschgifttätern - zu denen Ihr Mandant gehört - zu beachten ist. Wie bereits dargelegt, kommt in den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 5. Februar 1997 die besondere Schwere der Schuld Ihres Mandanten, die sich auch im Strafmaß niedergeschlagen hat, zum Ausdruck.

Weder der von Ihnen vorgetragene, Ihrem Mandanten in der Türkei bevorstehende Militärdienst, noch die sonstigen vorgetragenen Umstände zur familiären Situation Ihres Mandanten sind geeignet, das Interesse der Allgemeinheit an einer weiteren Vollstreckung der Strafe entscheidungserheblich abzuschwächen. Bei der Überprüfung der Entscheidung der Vollstreckungsbehörde war auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit, bei ausländischen Straftätern von der Strafvollstreckung abzusehen, nicht im Interesse dieses Täterkreises, sondern im Interesse der Bundesrepublik Deutschland geschaffen hat, um diese in vertretbarem Rahmen von der Last der Strafvollstreckung zu befreien (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20. Januar 1998 - 1 VAs 101/97 -; OLG Koblenz NStZ 1996, 255)."

Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitig erhobene Antrag des Betroffenen vom 20. April 2001 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG. Er ist auch weiterhin der Auffassung, sowohl die Staatsanwaltschaft Wuppertal als auch die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf hätten in ihren Bescheiden im Wesentlichen auf die Umstände der Tat und die Schwere der Schuld abgestellt. Unberücksichtigt geblieben sei der Umstand, dass er freiwillig mit dem Handel mit Betäubungsmitteln aufgehört habe. Die Staatsanwaltschaft habe es darüber hinaus bei ihrer Entscheidung unterlassen, die Größe des inzwischen verbüßten Teils der Freiheitsstrafe und die dadurch erzielte nachhaltige Besserung des defizitären früheren Verhaltens des Betroffenen in ihre Ermessensentscheidung einzustellen. Im Übrigen erdulde der Betroffene einen reinen "Verwahrvollzug". Seine Resozialisierung in Deutschland sei nicht möglich. Darüber hinaus empfange er nur sehr wenig Besuch, auch Lockerungen seien aufgrund der Ausweisungsverfügung ausgeschlossen. Ferner werde sich seine Resozialisierung in der Türkei schwierig gestalten, da er seit seinem dritten Lebensjahr in Deutschland lebe und darüber hinaus in der Türkei auch noch seinen Wehrdienst ableisten müsse.

Der Antrag ist gem. §§ 23 ff. EGGVG zulässig, aber unbegründet.

Die angefochtene Entscheidung unterliegt nicht unbeschränkt der gerichtlichen Nachprüfung. Die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde, bei einem aus dem Inland ausgewiesenen Verurteilten von der weiteren Vollstreckung abzusehen, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Der Senat hat deshalb gem. § 28 Abs. 3 EGGVG nur zu prüfen, ob bei der Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei verfahren wurde, ob also die Vollstreckungsbehörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie die Grenzen des Ermessens eingehalten und von ihnen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Um die gerichtliche Nachprüfung der Ermessensausübung zu ermöglichen, müssen die Gründe einer ablehnenden Entscheidung der Vollstreckungsbehörde die dafür wesentlichen Gesichtspunkte mitteilen und eine Abwägung der für und gegen ein Absehen von der weiteren Vollstreckung sprechenden Umstände erkennen lassen (OLG Hamm NStZ 1983, 524; KG StV 1989, 27; OLG Hamburg StV 1996, 328; OLG Karlsruhe ZfStrVo 2000, 251). Diese eingeschränkte Überprüfung ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Antragstellers.

Die Staatsanwaltschaft ist in bedenkenfreier Weise in Ausübung des ihr in § 456 a StPO eingeräumten Ermessens zu der Beurteilung gelangt, dass die Voraussetzungen des § 456 a StPO nicht vorliegen. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass sie dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere der Schuld des Betroffenen besondere Bedeutung beigemessen hat (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19. Januar 1993 - 1 VAs 68/92 -; OLG Hamm, Beschluss vom 31. Juli 1997 - 1 VAs 55/97 -). Die Entschließungen sind auch nicht deswegen fehlerhaft, weil die Vollstreckungsbehörde es unterlassen hat zu berücksichtigen, dass der Betroffene "freiwillig" vom weiteren Drogenhandel Abstand genommen hat. Es erscheint zweifelhaft, ob angesichts der Tatsache, dass es aufgrund von Ungereimtheiten und Streitigkeiten zum Bruch zwischen den Bandenmitgliedern gekommen ist und die Durchführung weiterer Drogengeschäfte in der bisherigen Form nicht mehr möglich war, von Freiwilligkeit gesprochen werden kann.

Beanstandungsfrei hat die Generalstaatsanwaltschaft auch die Rundverfügung des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 20. August 1985 (9174 - III A. 2) mit herangezogen. Nach Ziffer 3 dieser Rundverfügung kommt eine über den Halbstrafenzeitpunkt hinausgehende Vollstreckung jedenfalls dann in Betracht, wenn dies aus besonderen in der Tat oder in der Person des Verurteilten liegenden Gründen oder Verteidigung der Rechtsordnung unabweisbar geboten ist. Diesen Umstand hat die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht als gegeben angesehen.

Soweit der Betroffene unter Hinweis auf die Entscheidung des Kammergerichts StV 1992, 428, bemängelt, die Vollstreckungsbehörde habe es unterlassen, die Größe des inzwischen verbüßten Teils der Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, ist festzuhalten, dass in dem vom Kammergericht zu entscheidenden Fall der Betroffene bereits mehr als 2/3 seiner Freiheitsstrafe verbüßt hatte, während bei dem Betroffenen vorliegend gerade einmal die Hälfte der Strafe vollstreckt ist.

Auch darin, dass die Staatsanwaltschaft Wuppertal und die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf bei Vornahme einer Abwägung das mit den Umständen der Taten und der Schwere der Schuld begründete öffentliche Interesse an einer weiteren Strafverbüßung über das des Antragstellers an einem Leben außerhalb Deutschlands unter Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Situation gestellt hat, ist ein fehlerhafter Ermessensgebrauch nicht zu erkennen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.


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