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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 148/01 OLG Hamm

Senat: 1

Gegenstand: Strafvollzugssache

Stichworte: Strafvollzug, Besitz eines Tischrechners, Anforderungen an Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörde

Normen: StVollzG 70, StVollzG 109


Beschluss: Strafvollzugssache betreffend den Strafgefangenen O.F.,
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörde, (hier: Besitz eines Tischrechners).

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 9. Mai 2001 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 30. März 2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.08.2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und
den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Justizvollzugsamts Westfalen-Lippe beschlossen:

I. Dem Betroffenen wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt, da er glaubhaft gemacht hat, die Rechtsbeschwerdefrist ohne eigenes Verschulden versäumt zu haben.

II. Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Bochum wird angewiesen, den Betroffenen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Landeskasse zur Last (§§ 121 Abs. 1, Abs. 4 StVollzG, 473 Abs. 1 StPO).

Gründe:
Der Betroffene befindet sich seit dem 15. Oktober 1998 zur Verbüßung einer lebenslangen Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Bochum. Am 27. November 2001 werden 15 Jahre dieser Strafe verbüßt sein.

Am 13. September 1999 beantragte der Betroffene die Genehmigung der Vollzugsbehörde für die Aushändigung eines "Tischtaschenrechners der Fa. MBO" mit den Abmessungen 18 x 21 cm. Obwohl dem Betroffenen bereits am 14. September 1999 eröffnet wurde, dass die Beschaffung eines Taschenrechners zu den "anstaltsüblichen Bedingungen" genehmigt werde, wurde dem Betroffenen die Aushändigung des von ihm beschafften Gerätes nach Überprüfung bei der externen Fachfirma K. mit der Begründung verweigert, dass in der Vollzugsanstalt nur kleine Taschenrechner der Größe DIN A 6 (14,8 x 10,4 cm) zugelassen seien. Das von dem Betroffenen beantragte Gerät in einer Größe von 18 x 21 cm entspreche dagegen nicht der anstaltsinternen Regelung.

Den dagegen gerichteten Widerspruch des Betroffenen hat der Präsident des Justizvollzugsamts Westfalen-Lippe als unbegründet zurückgewiesen, weil bei Taschenrechnern in der Größe DIN A 6 eine Versiegelung nicht erforderlich sei und sich keine Versteckmöglichkeiten für gefährliche Gegenstände ergeben könnten. Dies sei bei dem von dem Betroffenen beantragten "Tischtaschenrechner" wegen des größeren Volumens nicht der Fall.

Der dagegen gerichtete Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung blieb erfolglos. Die Strafvollstreckungskammer hat dazu ausgeführt, dass der Betroffene zwar einen "Tischtaschenrechner MBO mit den Abmessungen 18 x 21 cm" beantragt habe, ihm jedoch lediglich der Erhalt eines Taschenrechners zu den anstaltsüblichen Bedingungen gestattet worden sei. Im Übrigen sei es auch nicht zu beanstanden, dass dem Betroffenen die Aushändigung eines Tischrechners nicht gestattet worden sei, weil dies eine Besserstellung gegenüber den anderen Gefangenen bedeute, die nur im Besitz eines normalen Taschenrechners seien. Im Übrigen sei das Volumen eines Tischrechners geeignet, größere Gegenstände unbemerkt einzulegen und die notwendige Überprüfung sei deshalb mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Das Rechtsmittel hat auch Erfolg. Es führt zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Verpflichtung der Vollzugsbehörde, den Antragsteller unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Gem. § 70 StVollzG darf ein Strafgefangener in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen, soweit sich nicht daraus eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt ergibt.

Bei der Annahme, ob der Besitz eines bestimmten Gegenstandes geeignet ist, die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt zu gefährden, steht dieser ein Beurteilungsspielraum zu. Die Strafvollstreckungskammer hat nur zu prüfen, ob die Justizvollzugsanstalt ihrer Entscheidung einen zutreffend ermittelten Sachverhalt zugrunde gelegt, alle relevanten Umstände berücksichtigt und dabei im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraumes geblieben ist. Die Strafvollstreckungskammer darf zur Bestätigung der Vollzugsentscheidung keine eigenen zusätzlichen Erwägungen anstellen und keine Umstände berücksichtigen, auf die die Vollzugsanstalt selbst nicht abgestellt hat. Sie darf das Beurteilungsermessen der Justizvollzugsanstalt nicht durch ihr eigenes ersetzen.

Diesen Grundsätzen hat die Strafvollstreckungskammer nicht hinreichend Rechnung getragen. Soweit sie ihre ablehnende Entscheidung damit begründet hat, die Genehmigung des beantragten Tischtaschenrechners würde zu einer Besserstellung des Betroffenen gegenüber anderen Gefangenen führen, die nur im Besitz normaler Taschenrechner seien, ist dies eine Erwägung, die nicht Grundlage der Vollzugsentscheidung war.

Im Übrigen hätte die Strafvollstreckungskammer die Vollzugsentscheidung daraufhin überprüfen müssen, ob die Justizvollzugsanstalt durch die Genehmigung "eines Taschenrechners zu den anstaltsüblichen Bedingungen" nicht für den Betroffenen einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, der zur Genehmigung des angeschafften Tischtaschenrechners hätte führen müssen. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene die Aushändigung eines "Tischtaschenrechners Fa. MBO mit den Abmessungen 18 x 21 cm ohne Speicherbank" beantragt. Wenn darauf die Anstalt die Anschaffung eines Taschenrechners zu den anstaltsüblichen Bedingungen und ohne Einschränkungen bezüglich der Maße des Rechners genehmigt, so konnte der Betroffene von einer Genehmigung des von ihm begehrten Gerätes ausgehen, zumal die anstaltsüblichen Bedingungen bei vergleichbaren Geräten sonst in der Regel nur Ausstattungsmerkmale wie Datenbank, Speichermöglichkeiten etc., sowie etwa erforderliche Versiegelungen etc., nicht aber Größenbeschränkungen betreffen dürften.

Unabhängig hiervon ist die Annahme des Vollzuges und der Strafvollstreckungskammer, die notwendige Überprüfung des Rechners würde einen unzumutbaren Aufwand darstellen, nicht durch Tatsachen belegt. Nach den getroffenen Feststellungen war die Überprüfung bereits auf Kosten des Betroffenen bzw. seiner Angehörigen durch eine Fachfirma erfolgt. Deshalb hätte es - um nachträgliche Versteckmöglichkeiten zu verhindern bzw. die spätere Kontrolle des Gerätes zu vereinfachen - lediglich des Aufklebens einer Siegelmarke vor Aushändigung des Gerätes bedurft. Dass dies mit einem erheblichen personellen oder zeitlichen Aufwand verbunden sein könnte, ist auch von der Vollzugsanstalt nicht konkret dargelegt worden. Soweit im Widerspruchsbescheid davon ausgegangen wird, eine Versiegelung sei ohne Beeinträchtigung der Funktion des Rechners nicht möglich, geht der Leiter der Justizvollzugsanstalt im Gegensatz hierzu ersichtlich von einer entsprechenden Möglichkeit aus.

Schließlich kann bei der zu treffenden Entscheidung auch nicht unberücksichtigt bleiben, ob und inwieweit in der Justizvollzugsanstalt Bochum andere elektronische Geräte ähnlicher Größe genehmigungsfähig sind, wenn einem Missbrauch allein durch eine Versiegelung entgegengewirkt werden kann.

Da hinsichtlich des Verfahrens nach § 109 ff. StVollzG die Sache spruchreif ist, hat der Senat die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur neuen Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an die Justizvollzugsbehörde zurückverwiesen.

Der Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe bedurfte es schon deshalb nicht, weil der Betroffene mit der eingelegten Beschwerde Erfolg hat und ihm Kosten daher nicht entstanden sind.


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