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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 40/2001 OLG Hamm

Leitsatz: 1.Verweigert die zuständige oberste Aufsichtsbehörde über die Vollzugsanstalten eines Bundeslandes die von einem anderen Bundesland beantragte Aufnahme eines Strafgefangenen, ist dem betroffenen Gefangenen dagegen der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.
2. Bei der Entscheidung über die Verlegung eines Gefangenen von einem Bundesland in ein anderes ist entsprechend den vergleichbar anwendbaren Kriterien des § 8 StVollzG den beteiligten Behörden Ermessen eingeräumt, dass im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG nur auf seine ordnungsgemäße Ausübung überprüft werden kann.

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Verlegung des Strafgefangenen in ein anderes Bundesland, Übernahme des Strafvollzugs durch anderes Bundesland; Rechtsweg gegen ablehnende Entscheidung, Ermessen der Strafverfolgungsbehörde,

Normen: EGGVG 23 ff; StVollzG 8

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend den Strafgefangenen M.E.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Übernahme des Strafvollzuges durch die Justizverwaltung des Landes NRW).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 29. Juni 2001 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen die Entscheidung des Justizministeriums des Landes NRW vom 5. Juni 2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30. August 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht beschlossen:

Dem Betroffenen wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts Dr. H., B., bewilligt.

Der Antrag des Betroffenen wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Verfahrens werden bei einem Gegenstandswert von
5.000,00 DM dem Betroffenen auferlegt.

Gründe:
Der Betroffene wurde am 8. November 2000 vom Landgericht Berlin wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Der Betroffene verbüßt diese Strafe gegenwärtig in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Die Staatsanwaltschaft Berlin beabsichtigt, zum 2/3-Zeitpunkt (1. Juni 2003) gem. § 456 a StPO von der weiteren Strafvollstreckung abzusehen.

Nach seinem eigenen Vorbringen ist der Betroffene mit einer marokkanischen Staatsangehörigen verheiratet und hat 6 Kinder im Alter zwischen 4 und 20 Jahren, die - wie auch weitere nahe Verwandte - in Belgien in der Nähe von Brüssel leben.

Der Betroffene hat am 28. Februar 2001 beantragt, ihn in die JVA Aachen zu verlegen, weil er so die Kontakte zu seiner Familie wegen der Nähe zum benachbarten Belgien leichter aufrechterhalten könne. Seine Ehefrau sei nicht in der Lage, aufwendige Fahrten nach Berlin/Tegel zu finanzieren. Die Justizvollzugsanstalt Tegel und die zuständige Senatsverwaltung für Justiz haben den Antrag unterstützt und das Justizministerium des Landes NRW ersucht, der Verlegung zuzustimmen.

Das Justizministerium des Landes NRW hat die Senatsverwaltung für Justiz mit Schreiben vom 5. Juni 2001 abschlägig beschieden und dazu ausgeführt, dass der Betroffene vor seiner Inhaftierung in Nordrhein-Westfalen nicht gewohnt habe und auch keine anderweitigen Beziehungen zu diesem Bundesland bestehen. Die Erleichterung des Besuchsverkehrs allein rechtfertige jedoch nicht die Verlegung eines Gefangenen in Abweichung vom Vollstreckungsplan. Es könne deshalb allenfalls in Betracht kommen, den Betroffenen zum Zwecke der Erleichterung von Angehörigenbesuchen vorübergehend in die Justizvollzugsanstalt Aachen zu überstellen. Die Justizverwaltung habe stets davon abgesehen, aus dem angrenzenden westlichen Ausland stammende Straftäter, die ihre Freiheitsstrafen zuständigkeitshalber in einem anderen Bundesland verbüßen, in den Vollzug des Landes NRW zu übernehmen, weil dies dazu führen würde, dass sich dieser Täterkreis überwiegend in den Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen sammeln würde.

Gegen diese Entschließung richtet sich der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG. Er ist zusammenfassend der Auffassung, dass der Resozialisierungsanspruch eine grenznahe Strafvollstreckung gebiete. Soweit die Justizverwaltung des Landes NRW auf die Möglichkeit der Besuchsüberstellung verweise, würden die damit verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwendungen in keinem Verhältnis zu der relativ kurzen Besuchszeit stehen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach den §§ 23 ff. EGGVG zulässig.

Die Senatsverwaltung für Justiz in Berlin hat das Begehren des Betroffenen mit Entschließung vom 15. Juni 2001 zurückgewiesen, weil die Justizverwaltung des Landes NRW die erbetene Übernahme des Betroffenen in den dortigen Strafvollzug abgelehnt hat. Für die hier beantragte Verlegung eines Gefangenen von einem Bundesland in ein anderes gibt es bislang keine gesetzliche Regelung. Es bedarf in diesem Falle stets einer Einigung der obersten Behörden und der beteiligten Justizverwaltungen (§ 26 S. 4 StrVollstrO). Verweigert aber die zuständige oberste Aufsichtsbehörde über die Vollzugsanstalten eines Bundeslandes die von einem anderen Bundesland beantragte Aufnahme eines Strafgefangenen, so ist dann dem betroffenen Gefangenen dagegen der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (vgl. KG, Beschluss vom 29. Juni 1994 - 4 VAs 10/94 -, ZfStrVo 95, 112), denn die Verweigerung der Zustimmung durch das aufnehmende Bundesland erweist sich als
keine Maßnahme im Vollzug der Strafe, sondern als Justizverwaltungsakt auf dem Gebiet der Strafrechtspflege. Einer Überprüfung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG ist das Begehren des Betroffenen auch nicht deshalb entzogen, weil es sich dabei etwa nur um einen innerdienstlichen Mitwirkungsakt zwischen zwei Landesjustizverwaltungen handelt. Zwar ist Adressat der ablehnenden Entscheidung nicht der Betroffene, sondern die Justizverwaltung des Landes Berlin, jedoch wäre dem Betroffenen im Ergebnis wenig geholfen, wenn die Justizbehörde des Landes, in dem er einsitzt, verpflichtet würde, ihn zu verlegen, da diese Entscheidung nicht durchsetzbar wäre. Dies wäre im Hinblick auf das Erfordernis der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG bedenklich. Deshalb muss der Bescheid des Justizministeriums des Landes NRW anfechtbar sein (KG a.a.O.).

Der Antrag des Betroffenen hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Dazu ist anzumerken:

Die Verlegung eines Gefangenen von einem Bundesland in ein anderes erfolgt unter vergleichbaren Kriterien, wie sie auch aus § 8 StVollzG ersichtlich sind. Daraus folgt, dass auch hier dem Wiedereingliederungsprinzip und dem Resozialisierungsgrundsatz erhebliches Gewicht beizumessen ist. Dem betroffenen Gefangenen, der keinen Rechtsanspruch auf Verlegung hat, steht dabei nur ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch zu, d.h. die beteiligten Behörden müssen alle in Betracht kommenden sachlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls berücksichtigen, den insoweit bedeutsamen Sachverhalt von Amts wegen erforschen und die dabei angestellten Erwägungen in der getroffenen Entschließung darlegen. Dem Senat ist es dabei jedoch - auch im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG - verwehrt, eigenes Ermessen auszuüben; vielmehr beschränkt sich die Überprüfung auf die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung durch die beteiligten Behörden.

Die Weigerung des Justizministeriums des Landes NRW, den Betroffenen zum weiteren Vollzug der Strafe in eine landeseigene Vollzugsanstalt aufzunehmen, ist unter diesen Umständen nicht zu beanstanden. Das Justizministerium hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Betroffene in Nordrhein-Westfalen niemals über einen Wohnsitz verfügt hat und auch Angehörige sowie weitere Personen aus seinem sozialen Umfeld nicht in diesem Bundesland wohnen.

Im Übrigen hat das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen ergänzend folgendes ausgeführt:

"Im Rahmen der Prüfung der Frage, ob im Hinblick auf den Schutz der Familie durch Art. 6 GG eine Verlegung aus wichtigem Grunde (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG) in Betracht kommt, sind auch Umstände zu berücksichtigen, die der Stärkung der Familíenbande dienen können. Indes ist obergerichtlich anerkannt, dass die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG nicht erfüllt sind, wenn die Ehe- und Familienbande durch gelegentliche Überstellungen des Gefangenen zu Besuchszwecken in eine Vollzugsanstalt nahe dem Wohnsitz der Angehörigen erhalten und gestärkt werden können, eine Verlegung letztlich mithin nur der Besuchserleichterung dienen würde (vgl. z.B.: OLG Hamm Beschl. v. 11.8.1987 - 1 Vollz (Ws) 219/87; Beschl. v. 4.3. 1999 - 1 Vollz (Ws) 238/98). Danach rechtfertigen Erschwernisse bei der Abwicklung des Besuchsverkehrs, insbesondere eine weite Anreise der Angehörigen, die Verlegung eines Gefangenen in Abweichung vom Vollstreckungsplan nicht. Die bundeseinheitlicihen Verwaltungsvorschriften zu § 8 StVollzG sehen für derartige Fälle die Überstellung des Gefangenen in eine günstig gelegene Vollzugsanstalt vor, um dort den Besuch von Angehörigen erhalten zu können.

So verhält es sich vorliegend: Der Antragsteller macht Beschwernisse geltend, die die Besuche durch Anreise, Aufbringung von Reisekosten etc. mit sich bringen. Diese Beschwernisse müssen die Besucher jedoch zur Durchführung eines geordneten Vollzuges im Sinne einer Differenzierung des Vollzuges nach § 141 StVollzG hinnehmen (vgl. OLG Koblenz ZfStrVo SH 1979, 86). Besondere, vom Durchschnittsfall abweichende Erschwerungen des Kontaktes zu den Angehörigen, sind nicht geltend gemacht worden.

Das Angebot, den vom Antragsteller geltend gemachten Beschwernissen entgegen zu wirken und ihn zum Zwecke der Erleichterung von Angehörigenbesuchen in die Justizvollzugsanstalt Aachen zu überstellen, hat der Gefangene im Übrigen bislang nicht wahrgenommen.

Ergänzend merke ich an, dass es aus vollzugsorganisatorischen Gründen problematisch sowie belegungsmäßig nicht darstellbar ist, aus dem angrenzenden westlichen Ausland stammende oder dort wohnende Drogendealer bzw. -kuriere, die ihre Freiheitsstrafe zuständigkeitshalber in einem anderen Bundesland verbüßen, in den Vollzug des Landes Nordrhein-Westfalen zu übernehmen. Ein Abweichen von einer an § 8 StVollzG orientierten Praxis würde dazu führen, dass sich dieser Täterkreis überwiegend in Justizvollzugsanstalten des hiesigen Geschäftsbereichs sammeln würde."

Dem tritt der Senat bei.

Angesichts der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage hat der Senat allerdings dem Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten entsprochen, obwohl das Begehren des Betroffenen erfolglos blieb. Bei der Auslegung und Anwendung des Merkmals der hinreichenden Erfolgsaussicht ist die durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit zu beachten. Daraus folgt, dass die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht überspannt werden darf. Das wäre aber der Fall, wenn einer unbemittelten Partei die Rechtsverfolgung, wenn diese nicht mutwillig wirkt und eine schwierige Rechtsfrage betrifft, unverhältnismäßig erschwert würde (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.2000, ZfStrVO 01, 187).


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