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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 237-239/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zulässigkeit der Beschwerde des Nebenklägers bei Fehlen einer ihn begünstigenden Kostenentscheidung

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Beschwerde gegen unterbliebene Kostenentscheidung, Nebenkläger, Zulässigkeit, Anfechtung der Hauptentscheidung

Normen: StPO 464, StPO 400

Beschluss: Strafsache
gegen H.H.
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (hier: sofortige Beschwerde der Nebenklägerinnen gegen eine unterlassene Auslagenentscheidung)

Auf die sofortigen Beschwerden der Nebenklägerinnen Y.K.Haas, J.W. und M.G. vom 9. Juli 2001 gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Urteil der 8. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 3. Juli 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 10. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft sowie des Verurteilten bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Urteil der 8. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 3. Juli 2001 wird dahin ergänzt, dass der Verurteilte auch die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen zu tragen hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Nebenklägerinnen insoweit entstandenen Auslagen trägt der Verurteilte.

Gründe:
I.
Die Strafkammer hat gegen den Verurteilten mit Urteil vom 3. Juli 2001, rechtskräftig seit dem selben Tag, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 92 Fällen, sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexueller Nötigung und Vergewaltigung in zwei Fällen und wegen sexueller Nötigung sowie Vergewaltigung (zum Nachteil der Nebenklägerinnen) eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren verhängt und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt. Über die Kostentragungspflicht der den Nebenklägerinnen erwachsenen notwendigen Auslagen hat das Landgericht Bochum keine Entscheidung getroffen.
Mit ihren sofortigen Beschwerden wenden sich hiergegen die Nebenklägerinnen und beantragen, diese dem Verurteilten aufzuerlegen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Kosten- und Auslagenentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Bochum vom 3. Juli 2001 dahin zu ergänzen, dass der Verurteilte die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen zu tragen hat.

II.
1. Die gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO statthaften und auch sonst zulässigen sofortigen Beschwerden haben auch in der Sache Erfolg.

Die sofortigen Beschwerden sind innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden. Das Urteil ist am 3. Juli 2001 in Anwesenheit der Nebenklägerinnen und ihres jeweiligen Rechtsbeistands verkündet worden. Die sofortigen Beschwerden sind am 9. Juli 2001 und damit rechtzeitig beim Landgericht Bochum eingegangen.

Der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerden steht hier auch nicht die Vorschrift des § 464 Abs. 3 Satz 1 2.Halbsatz StPO entgegen, wonach die auch die unterbliebene ( vgl. OLG Hamm VRS 95, 116; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 464 Rdnr. 8 ) Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen dann nicht angreifbar ist, wenn "eine Anfechtung der in Absatz 1 genannten Hauptentscheidung durch den Beschwerdeführer nicht statthaft ist".

Nicht statthaft ist die Anfechtung jedenfalls dann, wenn sie schon nach der Art der Hauptentscheidung nicht zulässig ist. Die Kosten- und Auslagenentscheidung ist demgemäss u.a. unanfechtbar, wenn in der Hauptsache der Instanzenzug generell und unabhängig vom Inhalt der Entscheidung beendet ist. In diesem Fall ist kein sachlicher Grund ersichtlich, dass die Rechtsordnung für Nebenentscheidungen einen weitergehenden Instanzenzug zur Verfügung stellen soll als für die Hauptentscheidung selbst (SchlHOLG JurBüro 1987, 556).

Dies trifft für den vorliegenden Fall jedoch nicht zu. Wäre die erkennende Strafkammer des Landgerichts zu einem Freispruch oder auch nur zu einem Teilfreispruch gekommen, so hätte den Nebenklägerinnen grundsätzlich das Rechtsmittel der Revision und damit auch die Kostenbeschwerde zugestanden. Die Statthaftigkeit der Kostenbeschwerde wird somit nicht durch die Bestimmung des § 400 Abs. 1 StPO berührt, auch wenn die Nebenklägerinnen im konkreten Fall nicht zur Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils mit dem Ziel, eine andere Rechtsfolge zu verhängen, berechtigt gewesen wären.

Auf den für die Entscheidung unerheblichen Meinungsstreit, ob die Statthaftigkeit der Kostenbeschwerde des Nebenklägers durch die Bestimmung des § 400 Abs. 1 StPO beeinträchtigt wird (so OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. November 1995 in NStZ-RR 1996, 128; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Juni 1989 in NStZ 1989, 548) oder ob die Vorschrift des § 400 Abs. 1 StPO lediglich ein gesetzlich geregelter Ausfluss der Beschwer ist und keinen Einfluss auf die grundsätzliche Statthaftigkeit hat (so der 3. Strafsenat des erkennenden Oberlandesgerichts in seinen Entscheidungen vom 22. September 1994 in 3 Ws 458/94 und vom 18. September 2001 in 3 Ws 372/01; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 1998 in VRS 96, 222, durch den es seine frühere noch in seinem Beschluss vom 29. September 1998 vertretene Rechtsprechung aufgegeben hat), braucht vorliegend nicht näher eingegangen zu werden (vgl. hierzu auch Beschlüsse des Senats vom 25. Februar 1998 in 2 Ws 13/98, NStZ-RR 1998, 54; vom 22. Februar 2001 in 2 Ws 37/01, NStZ-RR 2001, 288 und vom 12. Juli 2001 in 2 Ws 141/2001; im Ergebnis wie hier Beschluss des hiesigen 5. Strafsenats vom 26. Oktober 2000 in 5 Ws 201/00).

2. In der Sache bedarf die Kostenentscheidung des Landgerichts der Ergänzung.

Die den Nebenklägerinnen erwachsenen notwendigen Auslagen waren gemäß § 472 Abs. 1 Satz 1 StPO dem ehemaligen Angeklagten aufzuerlegen.

Es spricht vorliegend nichts dafür, von dieser regelmäßigen Kostentragungspflicht des ehemaligen Angeklagten aus Billigkeitsgründen (472 Abs. 1 Satz 2 StPO) mit der Folge abzusehen, dass die Kosten und Auslagen bei den Nebenklägerinnen verbleiben würden. Dies wäre nur dann ausnahmsweise anzunehmen, wenn der Verurteilte durch sein Verhalten keinen vernünftigen Grund für einen Anschluss der Nebenklägerinnen gegeben hätte oder die Verletzten ein Mitverschulden an der Tat träfe ( vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O.,
§ 472 Rdnr. 9). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 465, 472 und 473 StPO.


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