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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 s) Sbd. 6-151/01 OLG Hamm

Leitsatz: Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um ein "besonders umfangreiches" Verfahren im Sinn von § 99 BRAGO gehandelt hat, ist nicht allein auf die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine abstellen; vielmehr ist auch von Bedeutung, wie lange die einzelnen Hauptverhandlungstermine gedauert haben.

Senat: 2

Gegenstand: Pauschvergütung

Stichworte: Pauschvergütung, besonderer Umfang, Dauer der Hauptverhandlung, Schwurgerichtsverfahren

Normen: BRAGO 99

Beschluss: Strafsache gegen A.Y.,
wegen versuchten Totschlags (hier: Pauschvergütung für den bestellten Verteidiger).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts K. aus D. vom 21. Juni 2001 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 11. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Dem Antragsteller wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 3.520 DM eine Pauschvergütung in Höhe von 4.100 DM (in Worten: viertausendeinhundert Deutsche Mark) bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Der Antragsteller war dem ehemaligen Angeklagten, dem versuchter Totschlag vorgeworfen wurde, als Pflichtverteidiger beigeordnet. Der Antragsteller beantragt für die von ihm für seinen Mandanten erbrachten Tätigkeiten die Gewährung einer Pauschvergütung, die er im Wesentlichen mit folgenden Tätigkeiten begründet

Die Hauptverhandlung gegen den ehemaligen Angeklagten hat beim Schwurgericht an insgesamt 4 Tagen, und zwar am 9., 13., 19. und 21. Juni 2001, stattgefunden. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine betrug etwa 5 Stunden, ein Hauptverhandlungstermin hat 8 Stunden, einer 7 Stunden, einer 3 Stunden 40 Minuten und einer nur 1 Stunde 25 Minuten gedauert. Der Antragsteller ist vom Sitz seiner Kanzlei in Dortmund zum Gerichtsort nach Hagen gereist. Der Antragsteller hat außerdem an einem Haftprüfungstermin teilgenommen und außerdem für den ehemaligen Angeklagten Einsicht in die nicht umfangreichen Verfahrensakten genommen.

Wegen des weiteren Umfangs der Inanspruchnahme und der von dem Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannt gemachte Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 5. Oktober 2001 Bezug genommen.

Die gesetzlichen (Pflichtverteidiger-)Gebühren des Antragstellers betragen 3.520 DM. Der Antragsteller hat eine Pauschvergütung von 7.500 DM beantragt.

Der Vorsitzende der Strafkammer hat das Verfahren als ,,besonders schwierig" angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dem nicht angeschlossen. Er ist zudem der Ansicht, dass das Verfahren für den Antragsteller auch nicht ,,besonders umfangreich" im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO gewesen ist und hat demgemäss die Bewilligung einer Pauschvergütung nicht befürwortet.

II.
Dem Antragsteller war eine Pauschvergütung zu bewilligen

1. Das Verfahren war allerdings nicht ,,besonders schwierig". ,,Besonders schwierig~ im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 264). Das ist vorliegend nicht der Fall. Insoweit kann sich der Senat in Übereinstimmung mit dem Vertreter der Staatskasse der Einschätzung des Vorsitzenden der Strafkammer nicht anschließen (zur grundsätzlichen Berücksichtigung der sachnahen Einschätzung des Vorsitzenden vgl. Senat in AnwBl. 1998 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = ASS 1998,104 und Senat in JurBüro 1999,194 = ASS 1999,104 = AnwBl. 2000, 56). Das vom Vorsitzenden angeführte Argument für die ,,besondere Schwierigkeit" im Sinn des § 99 Abs 1 BRAGO - ,,teilweise umfangreiche Verhandlung" - ist bei der Beurteilung des ,,besonderen Umfangs" des Verfahrens von Bedeutung, nicht hingegen bei der ,,besonderen Schwierigkeit". Zwar war die Beweisaufnahme teilweise komplex, sie war aber nicht so umfangreich, dass allein deshalb das Verfahren ,,besonders schwierig" gewesen wäre. Zudem hat der Gesetzgeber, worauf der Senat schon wiederholt hingewiesen hat, dem höheren Schwierigkeitsgrad von Schwurgerichtssachen bereits durch die gegenüber ,,normalen" Strafkammersachen erhöhten gesetzlichen Gebühren Rechnung getragen (vgl. Senat in StraFo 2000, 286 = ZAP EN-Nr. 55712000 = AnwBl. 2001, 246).

2. Das Verfahren war aber für den Antragsteller ,,besonders umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. Insoweit schließt sich der Senat der anderen Einschätzung des Vertreters der Staatskasse nicht an.

Für die Frage, ob es sich um eine besonders umfangreiche Sache i.S. des § 99 Abs. 1 BRAGO handelt, ist auf den zeitlichen Aufwand abzustellen, den der Pflichtverteidiger auf die Sache verwenden muß. Danach ist eine Strafsache dann besonders umfangreich, wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer ,,normalen"' Sache zu erbringen hat. Vergleichsmaßstab sind nur gleichartige Verfahren, also z.B. für eine ,,besonders umfangreiche" Schwurgerichtssache die normalen Schwurgerichtsverfahren (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261 ff.; StraFo 2001,119 ff., ZAP F. 24, S.625 ff., jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um ein Schwurgerichtsverfahren gehandelt hat, für das dem Antragsteller die erhöhten gesetzlichen Gebühren der §§ 97 Abs. 1, 83 Abs. 1 Nr.1 BRAGO zustehen - vorliegend von einem ,,besonders umfangreichen" Verfahren auszugehen. Bei der Beurteilung lässt sich nicht allein auf die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine abstellen, vielmehr ist auch von Bedeutung, wie lange die einzelnen Hauptverhandlungstermine gedauert haben. Insoweit ist vorliegend aber nicht zu übersehen, dass ein Hauptverhandlungstermin 8 und ein weiterer 7 Stunden gedauert hat. Das ist nach Überzeugung des Senats - auch für ein Schwurgerichtsverfahren - überdurchschnittlich lang. Bei dieser Bewertung berücksichtigt der Senat einerseits, dass auch beim Schwurgericht die Tendenz zu kurzen Hauptverhandlungen unverkennbar ist; dies einzuschätzen, ist der Senat aufgrund der Vielzahl dar bei ihn anhängigen Pauschvergütungsverfahren in der Lage Hauptverhandlungen mit einer Dauer von 7 und mehr Stunden sind heute dort eher die Ausnahme als die Regel (zur Beurteilung der Verhandlungsdauer beim Schwurgericht siehe auch Senat in JurBüro 1999, 194). In dem Zusammenhang verweist der Senat auch auf den von der beim Bundesministerium der Justiz eingerichteten Expertenkommission vorgelegten Entwurf zu einer Strukturreform der BRAGO (vgl. die Homepage des BMJ http://www.bmj.bund.de unter der Rubrik ,,Gesetzesvorhaben" oder www.burhoff.de unter der Rubrik ,,BRAGO-Strukturreform"). Nach den dort vorgeschlagenen Nummern 4110 und 4111 des Vergütungsverzeichnisses sollen die Pflichtverteidiger demnächst bei einer Hauptverhandlungsdauer von mehr als 5 bzw. mehr als 8 Stunden einen Zuschlag zu den gesetzlichen Gebühren erhalten, und zwar auch beim Schwurgericht. Nach allem ist der Senat, da die beiden übrigen Hauptverhandlungstermine nicht derart kurz waren, dass sie die beiden überlangen Termine vollständig kompensieren, vorliegend demgemäss von einem ,,besonders umfangreichen" Verfahren im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO ausgegangen.

3. Bei der Bemessung der Pauschvergütung hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Dabei war allerdings die für ein Schwurgerichtsverfahren nur durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine von Belang. Der Senat hat andererseits aber auch nicht übersehen, dass der Antragsteller auch noch an einem Haffprüfungstermin teilgenommen hat und zu Hauptverhandlungsterminen jeweils von Dortmund aus nach Hagen anreisen musste (vgl. zur Berücksichtigung von Fahrtzeiten Senat in NStZ-RR 1999, 31 = Rpfleger 1999, 95 = AGS 1999,168 sowie in StraFo 1999,143 = wistra 1999,156 = AGS 1999, 72 = StV 2000, 441). Insgesamt erschien dem Senat eine Pauschvergütung im Bereich der so genannten Mittelgebühr des Wahlverteidigers angemessen, aber auch ausreichend. Demgemäss ist eine Pauschvergütung von 4.100 DM bewilligt worden.

Der weitergehende Antrag, mit dem eine über die Wahlverteidigerhöchstgebühr hinausgehende Pauschvergütung von 7.500 DM beantragt worden ist, war abzulehnen. Eine Pauschvergütung in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr oder sogar noch darüber hinaus, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a. Senat in JurBüro 1997, 84 = StraFo 1997, 63) nur dann in Betracht, wenn das Verfahren1in dem der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger beigeordnet wurde, die Arbeitskraft des Rechtsanwalts über eine sehr lange Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat. Das ist vorliegend aber ersichtlich nicht der Fall.


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