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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 53/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Zurückstellung der Strafvollstreckung, Therapiewilligkeit, Therapiebereitschaft; Drogentherapie

Normen: BtMG 35

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend M.H.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 6. Juli 2001 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen die Entschließung der Staatsanwaltschaft Bonn vom 13. März 2001 in der Form des Beschwerdebescheides des Generalstaatsanwalts in Köln vom 3. Juli 2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 11. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Der Antrag des Betroffenen wird auf dessen Kosten als unbegründet zurückgewiesen.
Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:
Das Amtsgericht Siegburg hat den Betroffenen am 3. Juli 2000 wegen schwerer räuberischer Erpressung, versuchten schweren Raubes und wegen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bonn am 15. September 2000 das Urteil dahingehend abgeändert, dass der Betroffene wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer und wegen versuchten schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde. Außerdem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) angeordnet.

Nach den Feststellungen des tatrichterlichen Urteils hat der Betroffene - mit Unterbrechungen - seit seinem 19. Lebensjahr sogenannte „harte Drogen“ und Alkohol im Übermaß konsumiert. Von dem Betroffenen selbst veranlasste Entgiftungsversuche in den Rheinischen Kliniken in Bonn blieben letztlich ebenso erfolglos wie ein Therapieversuch in der Therapieeinrichtung „Phönix“ in Essen. Der Betroffene ist bereits mehrfach in strafrechtlicher Hinsicht in Erscheinung getreten. Unter anderem wurde der Betroffene am 26. September 1988 vom Amtsgericht Siegmaringen wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruchs in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Betruges zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Einen Teil dieser Strafe hat der Betroffene nach dem Widerruf der Strafaussetzung verbüßt. Am 19. April 1991 wurde der Betroffene außerdem vom Amtsgericht Siegburg wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Zuletzt wurde der Betroffene am 2. Oktober 1998 und am 26. März 1999 vom Amtsgericht Bonn wegen Diebstahls jeweils zu Geldstrafen verurteilt.

Die Strafkammer hat in ihrer Entscheidung vom 15. September 2000 außerdem folgendes ausgeführt:

„Der Angeklagte redet sich seine Tatbeiträge schön, weil er Schwierigkeiten hat, sein Fehlverhalten zu akzeptieren. Dass seine Drogensucht ihn zu Gewalttaten motiviert, die an sich nicht zu seiner Persönlichkeit passen, versucht er zu verdrängen ... Zwischen den hier abgeurteilten Taten und der Drogensucht besteht ein symptomatischer Zusammenhang. Es handelt sich bei beiden Fällen um Beschaffungsdelikte, die aus der Sicht des Angeklagten erforderlich wurden, weil seine finanziellen Reserven für den Drogenkauf aufgebraucht waren. Wäre der Angeklagte nicht drogenabhängig, hätte er die Taten nicht begangen. Von seiner Primärpersönlichkeit her neigt er nicht zur Aggressivität. Er erlebt seine Gewalttaten daher auch nicht als persönlichkeitsfremd und versucht sie durch Verdrängung zu bagatellisieren. ... Unter dem Eindruck des Drogenentzugs macht er (der Verurteilte) Dinge, die er nach seinem Selbstbild als fremd erlebt. Dabei muss die Kammer davon ausgehen, dass dieser Prozess bei Fortdauer der Sucht nicht zum Stillstand kommt. Der Angeklagte ist jetzt 40 Jahre alt. In diesem Alter kann üblicherweise mit einer Festigung der Persönlichkeit gerechnet werden, während hier die Hemmschwelle für Gewalttaten rauschmittelbedingt stark abnimmt. Auch früher, als der Angeklagte noch vorrangig Alkohol konsumierte, war es in Rauschzuständen zu Gewalttaten gekommen. Die jetzt sichtbare Steigerung begründet die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten. Wer dies anders beurteilt und den Angeklagten ohne Therapie in Strafhaft belässt, riskiert nach der festen Überzeugung der Kammer, dass die vorhandene Fehlentwicklung weitere vermeidbare Opfer kostet.“

In ihrer Entscheidung hat die Strafkammer unter Berücksichtigung der Höhe des erkannten Strafmaßes ausdrücklich darauf verzichtet, sich zur Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG schon zu äußern.

Der Betroffene befand sich vom 21. März 2000 bis zum 26. Oktober 2000 in Untersuchungshaft und sodann bis zum 12. Februar 2001 in Organisationshaft.

Im Verfahren nach § 67 e StGB (Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Maßregel) hat der Leiter der Rheinischen Klinik Bedburg-Hau sich zum Vollzug der Maßregel in seiner Stellungnahme vom 27. März 2001 u.a. wie folgt geäußert:

„Diagnostisch liegt bei Herrn H. eine Heroinabhängigkeit ..., eine Alkoholabhängigkeit ... und ein Kokainmissbrauch ... vor.

Zum Verlauf:
Herr H. berichtet konsequent, die hiesige Behandlung abzulehnen. Er wäre mit einer Behandlung gem. § 35 BtMG einverstanden, welche er auch beantragt habe.

Anfänglich nahm Herr H. an den Pflichtveranstaltungen der Station teil, wobei er überwiegend wortlos blieb. Wenn er sich an Gesprächen beteiligte, berichtete er, entweder die Therapie nicht durchführen zu wollen oder zeichnete sich durch seine destruktive Haltung aus. In einigen Gruppentherapien versuchte er das Behandlungsteam einzuschüchtern; er zeigte dabei seine Unfähigkeit, mit Kritik umzugehen, so dass er z.B. eine Gruppensitzung vorzeitig verließ und das Vorgehen des Behandlungsteams als kriminell bezeichnete. An den weiteren Gruppensitzungen nahm Herr H. nicht mehr teil.

Herr H. setzt sich hier weder mit seiner Abhängigkeit noch mit der Kriminalität auseinander. Eine Veränderung des Verhaltens oder die Bereitschaft dazu, konnte bisher nicht erreicht werden. Das bisherige Verhalten zeichnet sich durch Destruktivität und Etablierung hafttypischen Verhaltens aus.

Angesichts des bisherigen Verlaufs und der Entscheidung des Herrn H., sich an der therapeutischen Arbeit nicht zu beteiligen, sehen wir aus ärztlicher und psychotherapeutischer Sicht die weitere Unterbringung in der Maßregel gem. § 64 StGB als nicht mehr sinnvoll an.

Ein Erfolg der Maßregel setzt die Bereitschaft des Betroffenen zu einer Veränderung voraus, welche Herr H. bisher nicht entwickeln konnte.

Aus ärztlicher und therapeutischer Sicht schlagen wir vor, die Beendigung der Maßregel zu beschließen.“

Das Landgericht Kleve hat daraufhin mit Beschluss vom 7. Juni 2001 die Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt und die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt. Seit dem 26. Juni 2001 befindet sich der Betroffene im Vollzug der Strafhaft.

Noch vor dem Beginn der Maßregel am 13. Februar 2001 in den Rheinischen Kliniken Bedburg-Hau beantragte der Betroffene mit Schreiben vom 24. Dezember 2000 die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß §§ 35 und 36 BtMG. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat den Antrag mit Entschließung vom 13. März 2001 zurückgewiesen, weil wegen der aus der Drogensucht resultierenden Gewaltbereitschaft die Entlassung in eine offene Therapieeinrichtung nicht verantwortbar sei. Die Chance zur Heilung sei im Maßregelvollzug ebenso gegeben, wie in einer offenen Therapieeinrichtung. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen blieb erfolglos. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Entschließung vom 27. März 2001 - nach Eingang einer Stellungnahme der Rheinischen Kliniken Bedburg-Hau - u.a. ausgeführt, dass angesichts der bei dem Betroffenen erkennbaren erheblichen Gewaltbereitschaft zum Schutz der Allgemeinheit nur eine freiheitsentziehende Therapie bzw. der Vollzug der Strafe in einer Justizvollzugsanstalt in Betracht kommen könne. Es sei nicht erkennbar, dass in einer freien Dauertherapie nach einer möglichen Zurückstellung der Strafvollstreckung bessere Aussichten auf Heilung der Sucht bestünden als bei einer fachgerechten Behandlung in einer Einrichtung des Maßregelvollzuges. Im Übrigen ergäben sich aus dem Vollzugsverhalten des Betroffenen in der Rheinischen Klinik Bedburg-Hau nicht zu übersehende Zweifel an der Motivation und dem Therapiewillen des Betroffenen. Es dränge sich vielmehr der Eindruck auf, dass dieser dem Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregel und ggf. auch der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe entgehen wolle. Auch dieser Umstand lasse keinen Raum für eine Anwendung des § 35 BtMG.

Gegen die Entschließung der Staatsanwaltschaft Bonn vom 15. März 2001 in der Form des Beschwerdebescheides vom 21. Juni 2001 richtet sich der in zulässiger Weise erhobene Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach den
§§ 23 ff. EGGVG.

Dem Rechtsmittel bleibt indes ein Erfolg versagt.

Die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG setzt u.a. voraus, dass auch durch eine freiwillige Therapie dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern ausreichend Rechnung getragen werden kann und darüber hinaus eine glaubhafte Therapiewilligkeit und -fähigkeit vorhanden ist. Diese Voraussetzungen sind bei dem Betroffenen nicht erfüllt, auch wenn an die Feststellung der Therapiewilligkeit und -fähigkeit keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. dazu OLG Hamm NStZ 82, 485).

Der wegen Körperverletzung bereits wiederholt vorbestrafte Betroffene wurde in dem vorliegenden Verfahren wegen schwerer Gewaltdelikte zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen der Strafkammer ist mit weiteren erheblichen Straftaten und mit vermeidbaren Opfern zu rechnen, wenn die Suchterkrankung des Betroffenen nicht behandelt wird. Dieser hat sich bereits vor diesen Straftaten von Dezember 1998 bis Februar 1999 freiwillig einer Therapie unterzogen, diese jedoch abgebrochen.

Daraus folgt: Bereits aus der bei dem Betroffenen erkennbaren erheblichen Gewaltbereitschaft unter dem Einfluss von Drogen ergeben sich erhebliche Bedenken gegen eine Überstellung des Betroffenen in eine freiwillige Therapie, denn bei einem solchen Täter kommt dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit eine besondere Bedeutung zu, das auch im Rahmen einer Zurückstellungsentscheidung nach § 35 BtMG zu beachten ist. Das gilt umso mehr als die Suchterkrankung des Betroffenen und damit auch seine Neigung zu Gewalttaten bislang nicht therapiert wurden. Diesem Erfordernis hat bereits die Strafkammer durch die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB in angemessenem Maße Rechnung getragen. Der Senat vermag schließlich auch nicht zu erkennen, dass einer freien Therapie eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit zukommen könnte als dies bei einer Unterbringung nach § 64 StGB zu erwarten wäre, zumal der Betroffene bereits einmal die Behandlung in einer freien Therapieeinrichtung nach kurzer Zeit ohne nachvollziehbare Begründung abgebrochen hat. In ähnlicher Weise hat er sich auch therapeutischen Maßnahmen versagt, nachdem er am 13. Februar 2001 in den Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB verlegt wurde. Der zitierten Stellungnahme der Rheinischen Klinik Bedburg-Hau ist zu entnehmen, dass der Betroffene offensichtlich der Auffassung ist, er bestimme Gestaltung und Inhalt therapeutischer Maßnahmen, indem er ihm nicht genehme Behandlungen durch destruktives Verhalten boykottiert.

Das Gesamtverhalten des Betroffenen zeigt danach, dass es ihm ersichtlich an dem erforderlichen Therapiewillen mangelt und die jetzt erklärte Therapiebereitschaft nur vorgetäuscht ist. Es drängt sich die Vermutung auf, dass es dem Betroffenen vorwiegend darauf ankommt, dem Freiheitsentzug im Maßregel- oder im Strafvollzug durch die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zu entgehen.

Der Senat bemerkt dazu ergänzend, dass es nicht in der Hand des Betroffenen liegt, die durch die Strafkammer angeordnete Unterbringung nach § 64 StGB dadurch zu unterlaufen, dass er sich hier der Behandlung verschließt, um so die Zurückstellung der Strafvollstreckung und der Maßregel zu erreichen.

Die unter Berücksichtigung dieser Kriterien getroffene Entscheidung der Staatsanwaltschaft in der Form des Beschwerdebescheides der Generalstaatsanwaltschaft ist danach nicht zu beanstanden.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.


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