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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws (L) 12/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und der Mindestvollstreckungsdauer

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: besondere Schwere der Schuld, nachträgliche Feststellung, Mindestvolllstreckungsdauer

Normen: StGB 57 a

Beschluss: Strafvollstreckungssache
gegen T.R.
wegen Mordes u.a. (hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gemäß § 57 a StGB).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 24.09.2001 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal vom 11.09.2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 12. 2001 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird mit der Maßgabe verworfen, dass die aus Gründen der besonderen Schwere der Schuld gebotene Vollstreckungsdauer auf 20 Jahre festgesetzt wird.

Der Verurteilte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Gebühr wird um 2/7 ermäßigt; 2/7 der im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
Der Verurteilte wurde rechtskräftig wegen Mordes, versuchten schweren Raubes in Tateinheit mit Verabredung zum Mord, schwerer räuberischer Erpressung, Diebstahls mit Waffen - jeweils in Tateinheit mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Waffengesetz - und wegen Diebstahls zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen der dieser Verurteilung zugrunde liegenden Taten wird auf die rechtskräftigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Hagen vom 11.08.1998 - Blatt 9 bis Blatt 39 des bei den Akten befindlichen Urteils - verwiesen.

Bei der Strafzumessung hat die Kammer sich von folgenden Erwägungen leiten lassen:

„b)
Der Angeklagte R. hat sich noch in der Hauptverhandlung, wie auch schon in seinen polizeilichen Vernehmungen vorher, geständig zu den ihm angelasteten Straftaten geäußert. Lediglich im Fall zum Nachteil des Zeugen B. hat er einige Details im Ablauf der Straftat abweichend von den zugrundegelegten Feststellungen geschildert. Zu den Tatzeiten war der Angeklagte R. 22 Jahre alt und damit gerade dem Jugendstrafrecht entwachsen. Andererseits war er bereits wegen Raubes und wegen Diebstahls in vier Fällen strafrechtlich in Erscheinung getreten und hatte schon Jugendstrafe verbüßt. Ein Strafrest war ihm bis zum 6. Dezember 1987 zur Bewährung ausgesetzt worden, so dass er die Taten dieses Verfahrens während des Laufs der Bewährungszeit beging. Nach seiner letzten Haftentlassung konnte der Angeklagte R. nur kurze Zeit Fuß fassen. Schon bald ging er keiner geregelten Arbeit mehr nach, ließ sich hängen und beschloss, seinen Lebensunterhalt weitgehend durch die Begehung von Straftaten zu bestreiten.

2.
Neben diesen allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkten hat die Kammer bei der Bemessung der verschiedenen Einzelstrafen auch die Umstände der einzelnen Taten umfassend gewürdigt und berücksichtigt.

a)
Tat in der Nacht zum 13. September 1987 zum Nachteil des Zeugen E.
Der Kammer stand hier ein Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe aus § 244 StGB zur Verfügung. Die nicht unbeträchtliche Beute konnte den Geschädigten wieder ausgehändigt werden. Lediglich der Drilling hatte durch das Kürzen seines Laufes durch die Angeklagten seinen ursprünglichen Wert von mindestens 2.000,-- DM weitgehend verloren. Tateinheitlich - und das war straferschwerend zu berücksichtigen - haben sich die Angeklagten des vorsätzlichen Verstoßes gegen das Waffengesetz schuldig gemacht. Die Kammer hielt daher unter Berücksichtigung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände jeweils eine Einzelstrafe von 2 Jahren Freiheitsstrafe für tat- und schuldangemessen.

b)
Tat am 23. September 1987 („Max Pub“ Iserlohn).
Gemäß § 243 Abs. 1 StGB eröffnete sich hier ein Strafrahmen von 3 Monaten bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe. In dieser Gaststätte erbeutete der Angeklagte R. zusammen mit dem verstorbenen T.E. insgesamt 1.600,-- DM. Bei der Begehung der Tat stiegen sie nicht nur durch ein zuvor eingeschlagenes Fenster in die Gaststätte ein, sondern brachen auch noch in der Gaststätte Geldspielautomaten und Sparkästen auf. Unter Berücksichtigung der Person des Angeklagten und der Tatumstände sind hier keine außergewöhnlichen Umstände vorhanden, die Unrecht und Schuld deutlich zum Regelfall absetzen, so dass von einem Diebstahl im besonders schweren Fall auszugehen ist. Insoweit hielt die Kammer bezüglich des Angeklagten R. eine Freiheitsstrafe in Höhe von 1 Jahr für tat- und schuldangemessen.

c)
Tat vom 4. Oktober 1987 zum Nachteil des Zeugen B.
Hier stand der Kammer ein Strafrahmen von 5 Jahren bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe aus § 250 Abs. 1 StGB zur Verfügung. Ein minder schwerer Fall des Raubes gemäß § 250 Abs. 2 StGB liegt nicht vor. Hiervon könnte nur dann gesprochen werden, wenn Umstände objektiver und subjektiver Art aufgrund einer Gesamtabwägung aller entlastenden und belastenden Faktoren die Tat in einem solchen Maß vom Normalfall eines schweren Raubes abhöben, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen hart wäre. Bei dieser Prüfung sind alle für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Gesichtspunkte heranzuziehen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder folgen. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes unterscheidet sich aber der hier abzuurteilende schwere Raub weder nach den Täterpersönlichkeiten - beide sind schon einschlägig wegen Raubes in Erscheinung getreten - noch nach den Tatumständen so entscheidend von allen erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen des schweren Raubes, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens eine offenbar unbillige Härte darstellen würde. So hat bei der Ausführung des Raubes nicht nur ein Angeklagter eine geladene Schusswaffe bei sich geführt, sondern beide Angeklagten führten jeweils eine geladene Schusswaffe mit sich. Bei der Tat waren sie mit einem Schal und einer Mütze bekleidet, so dass sie die in der Gaststätte anwesenden Gäste nur schwerlich wiedererkennen konnten. Auch die Beute von 1.300,-- DM Bargeld ist nicht so gering, dass dies zur Annahme eines minder schweren Falles des schweren Raubes führen müsste. Die Kammer hielt daher hinsichtlich beider Angeklagten, auch unter Heranziehung der oben angeführten allgemeinen Strafzumessungserwägungen, eine Freiheitsstrafe in Höhe von 6 Jahren 6 Monaten für tat- und schuldangemessen.

d)
Tat am 17. Oktober 1987 zum Nachteil des Zeugen K.
Hier eröffnete sich der Kammer ein Strafrahmen von 3 Jahren bis 15 Jahren Freiheitsstrafe aus den §§ 30 Abs. 2, 211, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Bei dieser Tat hat die Kammer den Angeklagten zugute gehalten, dass sie, wenn auch nicht erheblich, unter dem Einfluss ihrer Alkoholisierung gehandelt haben, wenngleich sie den Plan zu dieser mit hoher Beuteerwartung verbundenen Tat fassten, als sie keine alkoholische Beeinflussung verspürten. Sie hatten sich gleich zwei Tatalternativen zurecht gelegt, um nach ihrer Überzeugung für jede Alternative gerüstet zu sein. Die Tat war auf Vorschlag des verstorbenen T.E. geplant worden, doch hatten sie sich zuvor bei einem gemeinsamen Besuch in der Gaststätte „Pfefferkorn“ die Räumlichkeiten von innen angesehen und vor der Tat ausführlich die äußere Umgebung der Gaststätte erkundet. Lediglich durch ein Versehen, das Lösen des Schusses aus dem Drilling, wurden sie von dem Vorhaben, das sie allerdings letztlich an diesem Abend spontan und ohne die vorbereitete Maskierung in die Tat umsetzen wollten, abgehalten. Hier manifestierte sich schon wieder eine erhebliche kriminelle Energie bei den Angeklagten. Die Kammer hielt daher für beide Angeklagte jeweils eine Freiheitsstrafe in Höhe von 4 Jahren 6 Monaten für erforderlich, aber auch ausreichend, um auch insoweit auf die Angeklagten einzuwirken.

e)
Tat am 17. Oktober 1987 zum Nachteil T.E.
Bezüglich dieser Tat war gegen beide Angeklagte die lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen, wie es § 211 StGB vorsieht. Da beide Angeklagte jeweils auch zwei Mordqualifikationen (Heimtücke, Verdecken einer Straftat) erfüllt haben, kommt schon eine Milderung dieser Strafe nicht in Betracht. Im übrigen liegen aber auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Milderung der Strafe zulassen würden, wie sie der Bundesgerichtshof für den Fall der Heimtücke in Ausnahmefällen zulassen will (vgl. BGHSt 30, 105 ff.).“

Der Verurteilte verbüßt die Strafe seit dem 01.02.1989. 15 Jahre werden am 01.02.2003 verbüßt sein.

Das Vollzugsverhalten des Gefangenen war nach Auskunft des Leiters der Justizvollzugsanstalt Remscheid in der Anfangszeit nicht frei von Auffälligkeiten. In den Jahren 1989 und 1993 kam es mehrfach zur Arbeitsverweigerung. Danach stabilisierte sich der Gefangene jedoch zusehends. Eine am 01.09.1997 begonnene Ausbildung zum Koch hat er am 26.05.1999 erfolgreich abgeschlossen. Seit dem 30.07.1999 arbeitet er in der anstaltseigenen Kantine. Im Oktober 1996 hat der Verurteilte geheiratet. Seine Frau und er nehmen seither regelmäßig die Möglichkeit zu Langzeitbesuchen wahr.

In psychischer Hinsicht hat sich der Verurteilte weiterentwickelt. Zur Frage der weitergehenden Lockerungen wurde am 03.02.2000 eine psychologische Begutachtung durchgeführt, in der zusammenfassend folgende Einschätzungen vorgenommen wurden:

„R. ist nicht mehr stärker kriminell gefährdet. Eine dissoziale Verfestigung lässt sich gegenwärtig bei R. nicht mehr feststellen. Er hat sich besser angenommen, wirkt entspannt, offen und glaubwürdig. Seine allerdings unter den Bedingungen der Haft eingegangene und fortgesetzte Ehe kompensiert und stabilisiert ihn. Wie die Partnerschaft sich in Freiheit entwickeln wird, muss sich noch zeigen.
Seine Abwehrmechanismen sind nicht mehr primitiv und kurzschlüssig sondern differenziert und abgegrenzt. R. ist im Kontakt zugewandt, offen, mitschwingend und nicht mehr taktierend hinterziehend oder vereinnahmend.
Gegen Vollzugslockerungen habe ich daher in Übereinstimmung mit dem Kollegen J., nach der dort empfohlenen zeitlichen Planung und Abstufung, kurz- und mittelfristig gegenwärtig keine Bedenken.
R. sollte sich jedoch zur Aufarbeitung der inzwischen teils der kritischen Selbstwahrnehmung schon zugänglichen verinnerlichten und nicht mehr abgespalten ausagierten Konflikte einer Behandlung unterziehen, damit die Wiederholungszwänge sich nicht mehr unbewusst schädigend auswirken
können. R. ist zweifellos behandelbar und hat vermutlich eine günstige Prognose. Unbehandelt könnte R. sich auf dem Wege der „Selbstbehandlung“ in Richtung Sucht entwickeln, oder sich z.B. depressiv einengen oder psychisch dekompensieren. Ein Agieren von allgemeingefährlichem Ausmaß ist aber auch unbehandelt gegenwärtig nicht zu erwarten. Die Behandlungsempfehlung sollte ihm seitens der Vollzugsplanung nochmals gegeben werden, damit er zur Verbesserung seiner Prognose und vor allem im Interesse der eigenen Gesundheit, inneren Freiheit und Lebensqualität dabei mitwirkt, sich zu entwickeln und dadurch Identitätsfusion und Wiederholungszwänge endgültig zu überwinden!
Bei Lockerungen empfehle auch ich: völlige Abstinenz von bewusstseinsverändernden Substanzen.“

Aufgrund dieser Einschätzung hat sich der Verurteilte beim Psychologischen Dienst mit der Bitte um Teilnahme an einer Selbsterfahrungsgruppe gemeldet. Daraufhin fanden zunächst einmal wöchentlich tiefenpsychologisch fundierte Einzelgespräche statt. Seit dem 14.10.2000 nimmt der Verurteilte an der psychoanalytisch orientierten Selbsterfahrungsgruppe unter der Leitung von zwei Diplom-Psychologen teil.

Die Strafvollstreckungskammer hat im angefochtenen Beschluss die besondere Schwere der Schuld festgestellt und die Mindestverbüßungsdauer auf 22 Jahre festgesetzt. Wegen der Begründung wird auf den bei den Akten befindlichen Beschluss (Bl. 205 - 208 d.A.) verwiesen. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde, die ohne Begründung geblieben ist.

Diese hatte nur hinsichtlich der Festsetzung der Vollstreckungsdauer teilweise Erfolg.

Soweit die Strafvollstreckungskammer die besondere Schwere der Schuld festgestellt hat, ist gegen die Entscheidung nichts zu erinnern. Gemäß § 57 b StGB waren bei der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gemäß § 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB die einzelnen Straftaten, deretwegen der Verurteilte zur Verantwortung gezogen worden ist, zusammenfassend zu würdigen, da auf lebenslange Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe erkannt wurde. Dabei durfte die Strafvollstreckungskammer - wie auch der Senat bei seiner vorliegenden Entscheidung - die Strafzumessungserwägungen, die das Schwurgericht bei der Festsetzung der Einzelstrafen angestellt hat, mitberücksichtigen. Dabei fiel zum einen ins Gewicht, dass der Verurteilte zwei Mordmerkmale verwirklicht hat. Die daneben begangenen Straftaten wiegen gleichfalls schwer. Zum einen handelt es sich um die Verabredung eines weiteren Morddeliktes. Für diese Tat hat das Schwurgericht immerhin eine Einzelstrafe von vier Jahren sechs Monaten verhängt. Ferner ist wegen eines weiteren schweren Verbrechens (Raub mit Waffen) eine Einzelstrafe von sechs Jahren sechs Monaten verhängt worden. Auch musste berücksichtigt werden, dass der Verurteilte in der Vergangenheit bereits wegen schwerer Delikte in Erscheinung getreten ist und zur Zeit der Tatbegehung unter laufender Bewährung stand. Bei Wertung dieser Umstände steht unzweifelhaft die besondere Schwere der Schuld fest. Sie führen zudem dazu, dass die Mindestverbüßungsdauer von 15 Jahren erheblich überschritten werden muss. Allerdings erscheinen - besonders unter Berücksichtigung des positiven Vollzugsverhaltens des Verurteilten in den letzten Jahren - die von der Strafvollstreckungskammer festgesetzten 22 Jahre nicht als geboten. Der Gefangene hat eine sehr positive Entwicklung durchgemacht. Während er im Einweisungsverfahren noch als „stärker kriminell gefährdet“ eingestuft wurde, ist er dies inzwischen nicht mehr. Er hat erfolgreich eine Berufsausbildung durchlaufen und arbeitet auch im erlernten Beruf. Auch im familiären Bereich hat er sich zu festigen vermocht. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hielt der Senat eine Verbüßungsdauer von 20 Jahren für angemessen aber auch erforderlich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 473 Abs. 1, 473 Abs. 4 StPO.


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