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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 78/01 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtM-Gesetz

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Zurückstellung der Strafvollstreckung, BtM-Verfahren,

Normen: BtMG 35

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend V.G.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 8. November 2001 auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Köln vom 19.07.2001 in der Form der Beschwerdeentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft in Köln vom 2. Oktober 2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24. 01. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Verweigerung der Zustimmung durch das Amtsgericht Gummersbach vom 17. Juli 2001 und der Bescheid der Staatsanwaltschaft Köln vom 19. Juli 2001 in der Form der Beschwerdeentscheidung des Generalstaatsanwalts in Köln vom 2. Oktober 2001 werden aufgehoben.

Der Zurückstellung der Strafvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts Köln vom 31. Mai 2001 (182 VRs 47/01 StA Köln) zur Durchführung einer Langzeittherapie wird zugestimmt (§ 35 Abs. 2 Satz 3 BtMG).

Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an die Staatsanwaltschaft Köln zurückverwiesen.

Der Geschäftswert wird auf 1.500 Euro festgesetzt.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen.

Dem Betroffenen wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Kremer, Köln, als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet.

G r ü n d e :
Der inzwischen 28-jährige Betroffene wurde in Kirgisien geboren, besitzt aber die deutsche Staatsangehörigkeit. Die 2. kleine Strafkammer des Landgerichts Köln hat ihn auf seine Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 21. Juni 2000 in der Sitzung vom 31. Mai 2001 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Gummersbach vom 06.12.1999 (10 a Ds 398/99) in der Form der Berufungsentscheidung des Landgerichts Köln vom
8. Februar 2000 (151-8/00) und des Amtsgerichts Aschaffenburg, Zweigstelle Alzenau vom 10. August 2000 (31 Ds 103 Js 3360/00) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten und außerdem wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt.

Der Betroffene befindet sich in dieser Sache seit dem 28. Februar 2000 in der Justizvollzugsanstalt Köln.

Am 6. Juli 2001 beantragte der Verteidiger die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zugunsten einer stationären Entwöhnungstherapie. Die Staatsanwaltschaft Köln hat den Antrag des Betroffenen zurückgewiesen, weil das gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 BtMG zuständige Amtsgericht Gummersbach die Zustimmung zur Zurückstellung verweigert habe, nachdem tatsächliche Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass der Betroffene seine Therapiewilligkeit nur vorgetäuscht habe. Dies ergebe sich aus einem vom Amtsgericht Gummersbach kontrollierten Schreiben eines A.S. (möglicher Mithäftling), in dem dieser geäußert habe, ein „V.“ habe ihm gegenüber geäußert, er wolle nicht aufhören, Drogen zu nehmen und zu verkaufen. Das Amtsgericht nahm an, dass es sich bei diesem „V.“ um den Betroffenen handele.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat der Generalstaatsanwalt in Köln mit Entschließung vom 2. Oktober 2001 verworfen. Er hat dazu ausgeführt, dass eine positive Entscheidung über die Zurückstellung der Strafvollstreckung nur mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges getroffen werden könne. Daran fehle es. Es habe auch kein Anlass bestanden, die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts anzufechten, denn die Gründe der amtsrichterlichen Verweigerung seien überzeugend.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG. Der Betroffene trägt dazu vor, dass nach den tatrichterlichen Feststellungen die ihm zur Last gelegten Straftatbestände aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden seien. Er wolle sich deshalb in einem Haus der Drogenhilfe Köln e.V. „Haus Aggerblick“ in Overath einer Therapie unterziehen. Eine Aufnahmezusage und eine entsprechende Kostenübernahme liege vor. Er habe frühzeitig Kontakt zur Drogenhilfe aufgenommen, um die erforderlichen Formalitäten zur Einleitung einer Langzeittherapie zu erledigen. Dem entspreche auch die einen Therapieantritt befürwortende Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Köln. Es sei im Übrigen nicht belegt, ob der vom Amtsgericht beanstandete Satz überhaupt von dem Betroffenen - und wenn ja, in welchem Zusammenhang - geäußert worden sei.

Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung ist statthaft, sowohl, soweit er sich gegen die ablehnenden staatsanwaltschaftlichen Entschließungen als auch gegen die Ablehnung der Zustimmung zur Zurückstellung durch das Amtsgericht Gummersbach richtet. Die Vollstreckungsbehörden haben allerdings insofern bislang zu Recht die Zurückstellung der Strafvollstreckung abgelehnt, weil die erforderliche Zustimmung des Amtsgerichts Gummersbach fehlte.

Diese Verweigerung der Zustimmung des Tatgerichts ist nunmehr durch die nach der durch das Gesetz zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vom 9. November 1992 (BGBl. I Seite 1593) getroffene Neuregelung des § 35 Abs. 2 BtMG zusammen mit dem gegen die staatsanwaltschaftlichen Verfügungen gerichteten Antrag auf Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG anfechtbar.

Die Verweigerung der Zustimmung war aufzuheben und durch die Zustimmung des Senats zu ersetzen. Unter Abwägung aller für und gegen den Betroffenen sprechenden Umstände erscheint die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts ermessensfehlerhaft. Die dafür angeführten Gründe rechtfertigen die getroffene Entscheidung nicht.

Das Amtsgericht hat die Verweigerung der Zustimmung allein auf die oben wieder-
gegebene, angebliche Äußerung des Betroffenen gestützt. Der Frage, ob es zu einer solchen Äußerung des Betroffenen überhaupt gekommen ist, ist das Amtsgericht nicht nachgegangen. Ebenso wenig ist nicht bekannt, wann und in welchem Zusammenhang diese Äußerung gefallen sein soll.

Diese Erklärung - selbst wenn sie tatsächlich in dieser oder einer ähnlichen Form von dem Betroffenen stammen sollte - rechtfertigt es jedenfalls nicht, ohne weiteres die Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung zu verweigern. In Ermangelung weiterer Anknüpfungspunkte ist es vielmehr nicht fernliegend, dass es sich hierbei um eine spontane, unbedachte Äußerung unter Gefangenen handelte, deren Wahrheitsgehalt nicht kritiklos übernommen werden darf.

Allein auf diesen Umstand kann daher die Verweigerung der Zustimmung nicht gestützt werden.

Diesem Bedenken ist hinzuzufügen: Der Betroffene hat - soweit ersichtlich - früher kaum Bemühungen gezeigt, sich zur Bekämpfung seiner Drogensucht einer Therapie zu unterziehen. Er hat aber - dies ist dem Bericht der Justizvollzugsanstalt Köln vom 24. September 2001 zweifelsfrei zu entnehmen - inzwischen eine erhebliche Initiative entwickelt, um seine Drogensucht zu bekämpfen.

Im Übrigen hatte auch bereits die 2. kleine Strafkammer des Landgerichts Köln als Berufungsinstanz - und damit zeitnäher als das Amtsgericht Gummersbach - ersichtlich aufgrund des von dem Betroffenen gewonnenen persönlichen Eindrucks die Auffassung gewonnen, dass eine Zurückstellung der Strafvollstreckung zugunsten einer Langzeittherapie ausdrücklich zu befürworten sei. Unter diesen Umständen kann ausgeschlossen werden, dass andere Erkenntnisse als der zitierte Brief das Amtsgericht Gummersbach veranlassen könnten, die Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung zu verweigern.

Der Senat hatte deshalb die fehlende Zustimmung des Amtsgerichts zu ersetzen. Er ist jedoch gehindert, in der Sache selbst zu entscheiden, weil offen ist, ob andere von der Strafvollstreckungsbehörde zu prüfende Hindernisse einer Zurückstellung der Strafvollstreckung möglicherweise entgegen stehen. Die angefochtenen Entschließungen waren deshalb aufzuheben und das Verfahren an die Staatsanwaltschaft zurückzuverweisen.


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