Aktenzeichen: 2 Ws 47/02 OLG Hamm
Leitsatz: Zur bedingten Entlassung nach Verbüßung von 2/3 der erkannten Strafe bei einem Asylbewerber.
Senat: 2
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Strafaussetzung zur Bewährung; bedingte Entlassung; 2/3-Entlassung,
Normen: StGB 57
Beschluss: Strafsache
gegen S.A.
wegen Verstoßes gegen das BtMG, (hier: Ablehnung der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung gemäß § 57 Abs.1 StGB )
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 4. Februar 2002 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 24. Januar 2002 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 02. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen :
1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
2. Die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts - - Schöffengerichts Münster vom 15. August 2000 ( 11 Ls 31 Js 748/00 AK 130/00 ) wird mit Wirkung vom 8. März 2002 zur Bewährung ausgesetzt.
3. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre.
4. Der Verurteilte wird der Aufsicht und Leitung des örtlich zuständigen Bewährungshelfers unterstellt.
5. Der Verurteilte hat seine Wohnung wieder in der ihm zugewiesenen Asylbewerberunterkunft XXXXXXXX zu nehmen und jeden Wohnungswechsel seinem Bewährungshelfer und der zuständigen Strafvollstreckungskammer unverzüglich mitzuteilen.
6. Die Belehrung über die Aussetzung des Strafrestes wird der Justizvollzugsanstalt Schwerte übertragen.
7. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer ist durch das o.g. Urteil des Schöffengerichts Münster wegen
gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ( Kokain ) in sechs Fällen unter Einbeziehung der Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 20,- DM aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Münster vom 5. April 2000 ( 32 Cs 31 JS 362/00 AK 169/00 ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sowie wegen acht weiterer Fälle des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Kokain zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten verurteilt worden. Die Verurteilungen sind am 11. Dezember 2000 rechtskräftig geworden. Seitdem befindet sich der Verurteilte, der zuvor in Untersuchungshaft gewesen ist, in Strafhaft. Zwei Drittel der beiden gegen den Verurteilten verhängten Gesamtfreiheitsstrafen waren am 2. Februar 2002 verbüßt; das Strafende derjenigen von einem Jahr und sechs Monaten ist auf den 3. August 2002, das Strafende der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr ist nach Umkehr der Vollstreckungsreihenfolge auf den 3. Dezember 2002 vorgemerkt.
Durch den angefochtenen Beschluss hat es die Strafvollstreckungskammer abgelehnt, die Strafreste zur Bewährung auszusetzen. Sie hat es u.a. damit begründet, dass eine bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Haft mit dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit nicht vereinbar sei. Er sei schon kurze Zeit nach seiner Ankunft in Deutschland untergetaucht und habe sich als gewerbsmäßiger Kokaindealer betätigt. Davon habe er sich auch durch die Entdeckung der dem Strafbefehl vom 5. April 2000 zugrundeliegenden Tat nicht abhalten lassen. Es sei daher nicht erkennbar, worauf sich die Erwartung künftiger Straffreiheit gründen könnte, und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes sei sehr hoch. Hinzu komme, dass die im Urteil dargestellte ausländerrechtliche Situation des Verurteilten weiterhin rechtlich und tatsächlich völlig ungesichert sei. Er könne nach seiner Entlassung allenfalls eine ausländerrechtliche Duldung erwarten und würde auch wieder seiner früheren Asylbewerberunterkunft in Winterberg zugewiesen . Gegen diese Aufenthaltsbeschränkung habe er 1999 verstoßen. Bei dieser Sachlage könne der Verurteilte nicht ernstlich mit einem dauerhaften Aufenthalt in Deutschland rechnen, so dass es auch von daher an jeglichem Anreiz zu Wohlverhalten fehle.
II.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verurteilten führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusse und zur Aussetzung der Reststrafen zur Bewährung.
Im Gegensatz zur Ansicht der Strafvollstreckungskammer ist der Senat der Auffassung, dass auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, die Vollstreckung der Strafreste nunmehr gemäß § 57 Abs.1 StGB zur Bewährung auszusetzen.
Der Verurteilte ist Erstverbüßer, die Verurteilungen sind aufgrund seiner geständigen Einlassung erfolgt, wobei sich das Vorliegen der Voraussetzungen des § 31 BtMG strafmildernd ausgewirkt hat. Nach eigenen Angaben ist er von der Haft beeindruckt, hat aus seinen Fehlern gelernt und hat den Willen, nicht mehr straffällig zu werden. Diese Angaben werden durch sein positives Vollzugsverhalten gestützt. Auch sind soziale Bindungen zu zwei Cousins und deren Familien vorhanden, von denen zusätzlich stabilisierende Wirkungen ausgehen. Überdies haben sich die Mitglieder der Vollzugskonferenz für die bedingte Entlassung des Verurteilten ausgesprochen und die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Schwerte hat sich in ihrer Stellungnahme vom 30. November 2001 diesem Votum angeschlossen. Schließlich hat auch die Staatsanwaltschaft Münster die bedingte Entlassung beantragt.
Demgegenüber hat die Strafvollstreckungskammer ihre ablehnende Entscheidung nicht auf einen negativen persönlichen Eindruck in der mündlichen Anhörung, dem nach ständiger Rechtsprechung aller Strafsenate des Oberlandesgerichts Hamm besondere Bedeutung beizumessen ist, gestützt. Vielmehr stellt die Begründung in dem angefochtenen Beschluss ausschließlich auf das den Verurteilungen zugrunde liegende Verhalten des Verurteilten in der Vergangenheit sowie auf die Wirkungen ab, die von einer Strafaussetzung für ihn zu erwarten seien. Die Begründung lässt nicht erkennen, ob und inwieweit die Strafvollstreckungskammer daneben die positive persönliche Entwicklung, die der Verurteilte gerade aufgrund der für ihn spürbaren Folgen dieser Taten genommen hat, berücksichtigt hat.
Der Erwägung der Strafvollstreckungskammer, es gebe für den Verurteilten als (abgelehnten ) Asylbewerber, dessen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nur geduldet sei, keinen Anreiz straffrei zu leben, vermag sich der Senat, jedenfalls im vorliegenden Falle, nicht anzuschließen. Dabei verkennt er nicht, dass die Lebensverhältnisse eines abgelehnten Asylbewerbers insbesondere wegen der fehlenden Arbeitserlaubnis, der darauf beruhenden finanziellen Eingeschränktheit sowie der Verpflichtung, den Weisungen und Vorgaben der Ausländerbehörde hinsichtlich seines Aufenthaltes Folge zu leisten, eine straffreie und resozialisierte Lebensführung eher erschweren . Diese Umstände, die der Verurteilte nicht zu vertreten hat, sondern die Folge seines ausländerrechtlichen Status sind, sind aber für sich allein nicht derart gewichtig und ungünstig, dass sie in Anbetracht der aufgezeigten positiven Gesichtspunkte die Ablehnung einer bedingten Entlassung rechtfertigen würden (vgl. der Senat in StraFo 99,175; zuletzt in StraFo 01/394). Hinzu kommt, dass dem Risiko des Rückfalls durch die vom Senat angeordnete Unterstellung unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers in gewissem Umfang ( zusätzlich ) begegnet werden kann.
Der Verurteilte muss sich darüber im klaren sein, dass angesichts seines bisherigen Werdegangs ein Verstoß gegen die ihm erteilte Auflage auch was die Wohnsitznahme angeht und insbesondere mangelnde Mitarbeit mit dem ihm noch zu bestellenden Bewährungshelfer ebenso wie die Begehung weiterer Straftaten neben der Einleitung neuer Strafverfahren gegen ihn unverzüglich zum Widerruf der Aussetzung der Reststrafen zur Bewährung führen wird.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 57 Abs.3, 56 a, 56 d StGB, 454 Abs. 4 StPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 467, 473 StPO.
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