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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 913/01 OLG Hamm

Leitsatz: Die tatsächlichen Feststellungen einer Verurteilung wegen einer falschen Verdächtigung sind nur dann ausreichend, wenn die mitgeteilte verdächtigenden Äußerung überhaupt geeignet ist, strafrechtliche Sanktionen irgendwelcher Art herbeizuführen. Dazu gehört ggf. auch, dass das Alter des Verdächtigten mitgeteilt wird, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass dieser ggf. noch nicht strafmündig ist.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: falsche Verdächtigung, erforderlicher Umfang der Feststellungen

Normen: StGB 164, StPO 267

Beschluss: Strafsache
gegen 1. C.D. und 2. S.H.
wegen falscher Verdächtigung

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten H. gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichters - in Recklinghausen vom 26. Juni 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 08. 02. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird sowohl bezüglich des Angeklagten H. als auch bezüglich des Angeklagten D. mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung - Jugendrichter - des Amtsgerichts Recklinghausen zurückverwiesen.

Gründe:
Die Angeklagten sind durch das angefochtene Urteil wegen falscher Verdächtigung schuldig gesprochen und verwarnt worden; zugleich wurde ihnen die Weisung erteilt, 20 Stunden Sozialdienst abzuleisten.

Nach den getroffenen Feststellungen war Ausgangspunkt des Strafverfahrens eine am 28. Juni 2000 zwischen 16.30 und 17.30 Uhr zum Nachteil des Zeugen M.E. (geboren 1988) begangene Körperverletzung, die alsbald bei der Polizei angezeigt worden ist.
Im Rahmen der Ermittlungen wurden am 27. Oktober 2000 beide Angeklagte von der Polizei in Datteln vernommen, und zwar der Angeklagte D., der zum Zeitpunkt der angezeigten Körperverletzung noch nicht 14 Jahre alt war, als Beschuldigter und der Angeklagte H. als Zeuge.
Der Angeklagte D. gab bei dieser polizeilichen Vernehmung bewusst der Wahrheit zuwider an, die Zeugen K. und B. seien die Täter der Körperverletzung gewesen, wobei er beabsichtigte, die polizeilichen Ermittlungen auf diese beiden Zeugen zu lenken. In seiner sich daran anschließenden Vernehmung bestätigte der Angeklagte H. bewusst wahrheitswidrig die zuvor abgegebene Einlassung des Angeklagten D..

Aufgrund einer umfangreichen Beweisaufnahme hat der Jugendrichter im angefochtenen Urteil festgestellt, dass tatsächlich die beiden Angeklagten Täter der Körperverletzung vom 28. Juni 2000 waren und in ihren Vernehmungen durch Beschuldigung der Zeugen K. und B., die an der Körperverletzung nicht beteiligt waren, den Verdacht von sich selbst ablenken und auf diese richten wollten.
Soweit der Angeklagte H. auch wegen der Körperverletzung vom 28. Juni 2000 angeklagt worden war - der Angeklagte D. war insoweit wegen Strafunmündigkeit zum Zeitpunkt dieser Tat gar nicht angeklagt - ist das Verfahren gegen ihn in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden.
Die gegen das Urteil gerichtete Sprungrevision des Angeklagten H. hat mit der Sachrüge Erfolg und führt - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die getroffenen Feststellungen und die Beweiswürdigung sind angesichts der besonderen Umstände des Falles lückenhaft und reichen hier zur Verurteilung wegen falscher Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB nicht aus.
Die Feststellungen müssen nämlich grundsätzlich den gesamten äußeren und inneren Tatbestand des anzuwendenden Gesetzes ausschöpfen. Alle Elemente der Tatbestandsmäßigkeit, der Rechtswidrigkeit und der Schuld einschließlich der Schuldfähigkeit müssen durch Tatsachen belegt sein.
Die verleumderische Behauptung einer Straftat in der Absicht, gegen eine andere Person ein behördliches Verfahren herbeizuführen, erfüllt den objektiven Tatbestand des § 164 Abs. 1 StGB daher nicht, wenn schon nach dem Inhalt der verdächtigenden Äußerung ausgeschlossen werden kann, dass diese zu der beabsichtigten behördlichen Reaktion führen kann. Tatbestandsmäßig ist eine derartige Verdächtigung nur dann, wenn sie überhaupt geeignet ist, strafrechtliche Sanktionen irgendwelcher Art herbeizuführen.
Das ist aber etwa dann nicht der Fall, wenn es schon nach dem vom Täter dargestellten Sachverhalt an einer Strafverfolgungsvoraussetzung fehlt und daher ein hinreichender Anfangsverdacht nicht gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2001 in 2 StR 417/01 unter Hinweis auf RGSt 21, 101, 103 f; OLG Köln JR 1955, 273; OLG Brandenburg NJW 1997, 141, 142; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997, 37 f; Ruß in LK 11. Auflage Rdnr. 15 zu § 164; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage Rdnr. 5 zu § 164; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage Rdnr. 10 zu § 164, jeweils m. w. N.).
Insbesondere fehlt es an der Tatbestandsmäßigkeit der falschen Verdächtigung, wenn die Strafbarkeit oder Verfolgbarkeit durch Schuld- oder Strafausschließungsgründe oder infolge Fehlens von Prozessvoraussetzungen ausgeschlossen ist (vgl. OLG Köln aaO).
Aufgrund der im Urteil mitgeteilten Umstände der dem Verfahren zugrundeliegenden Körperverletzung handelte es sich um eine Auseinandersetzung unter Schülern, die sich am Nachmittag auf einem Schulhof aufgehalten haben. Offensichtlich waren auch nicht alle an dieser Auseinandersetzung Beteiligten bereits 14 Jahre alt und damit strafmündig (§ 19 StGB), was im übrigen auch von der Revision hervorgehoben wird.
Es hätte daher für das Amtsgericht Anlas bestanden und wäre erforderlich gewesen, im Urteil zu der Person der verdächtigten Zeugen K. und B. nähere Feststellungen zu treffen, zumal es nahe lag, dass diese möglicherweise noch nicht strafmündig waren. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage fehlt jedoch im angefochtenen Urteil, das auch nicht darauf eingeht, ob und in welcher Form die Verdächtigten durch Ermittlungen belastet worden sind.
Aufgrund dieser Lückenhaftigkeit der Feststellungen kann das angefochtene Urteil daher keinen Bestand haben und war aufzuheben.
Eine eigene Sachentscheidung des Senats kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil insoweit noch ergänzende Feststellungen zu treffen sind, die dem Urteil nicht entnommen werden können.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Sollte es sich bei den verdächtigten Zeugen K. und B. um strafunmündige Kinder handeln, kommt eine Strafbarkeit nach § 164 Absatz 1 StGB nach den vorstehenden Ausführungen nicht in Betracht.
Auch eine etwa fehlerhafte weitere Sachbehandlung der erfolgten Verdächtigung gegen diese Zeugen - etwa die Einleitung eines Strafverfahrens gegen einen Strafunmündigen - könnte den Angeklagten nicht belasten (vgl. BGH aaO).

Auch eine Strafbarkeit nach § 145 d StGB käme nach den bisherigen Feststellungen nicht in Betracht (vgl. insoweit auch Tröndle/Fischer, aaO, § 145 d Rdnr. 9
m. w. N.).

Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten H., die auf einem Rechtsfehler sachlich rechtlicher Art und einem sachlich rechtlichen Mangel des angefochtenen Urteils (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 357 Rdnr. 9) beruht, hat sich gemäß § 357 StPO auch auf den Angeklagten D. zu erstrecken, der seine zunächst eingelegte Revision später zurückgenommen und inzwischen den Sozialdienst geleistet hat. Die zugunsten des Angeklagten H. erfolgte Aufhebung des Urteils hat auch dem Nichtrevidenten zugute zu kommen. Hätte der Angeklagte D. nämlich ebenfalls Revision eingelegt bzw. diese weiter durchgeführt, wäre das Urteil auch soweit es ihn betrifft aus den genannten Gründen aufzuheben gewesen, wobei die Rücknahme des Rechtsmittels der Nichteinlegung der Revision gleichsteht (vgl. BGH bei Kusch, NStZ 1994, 229). Zudem ist bei den Handlungen beider Angeklagter davon auszugehen, dass die erforderliche Nämlichkeit der Tat vorliegt. Dies muss schon deshalb gelten, weil sich der Angeklagte H. in seiner Vernehmung am 27. Oktober 2000 ausschließlich auf die zuvor erfolgte Vernehmung des Angeklagten D. bezogen hat (vgl. auch BGH NJW 1983, 2097, 2099; KK-Kuckein, StPO, 4. Aufl., § 357 Rdnr. 8 u. 9).
Bei der gegebenen Sachlage und der von Amts wegen vorzunehmenden Erstreckung der Aufhebung des Urteils auf den Angeklagten D. bedurfte es dessen vorheriger Anhörung und Beteiligung am Revisionsverfahren nicht, zumal hier aus Rechtsgründen auch ein Freispruch vom Vorwurf der falschen Verdächtigung in Rede stehen kann (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, Rdnr. 16).

Nach alledem war das angefochtene Urteil bezüglich beider Angeklagter aufzuheben und die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen zurückzuverweisen (§ 354 Absatz 2 StPO). Dieses wird auch über die Kosten der Revision des Angeklagten H. zu entscheiden haben (vgl. KK-Kuckein, a. a. O. Rdnr. 19).


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