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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 201/02 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Begriff der Vernehmung i.S. von § 136 StPO und zum Begriff der Täushcung im Sinn von § 136 a StPO

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Vernehmung, Begriff, Spontanäußerung, Täuschung

Normen: StPO 136, StPO 136a

Beschluss: Strafsache
gegen A.B.
wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 05.12.2001 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. 04. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Die Revision des Angeklagten wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Essen-Steele hatte den Angeklagten am 15.05.2001 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt.
Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen mit dem angefochtenen Berufungsurteil das Urteil des Amtsgerichts Essen-Steele vom 15.05.2001 aufgehoben und den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30,- DM verurteilt und die weitergehende Berufung verworfen.
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Berufungsurteil hat der Angeklagte mit am 04.12.2001 bei dem Landgericht in Essen eingegangenem Schreiben seiner Verteidigerin Revision eingelegt. Das Urteil ist der Verteidigerin des Angeklagten am 27.12.2001 zugestellt worden. Mit am 28.01.2002 (Montag) bei dem Landgericht in Essen eingegangenem Schreiben der Verteidigerin vom selben Tage ist die Re-
vision sodann mit der Sachrüge sowie mit der Verfahrensrüge der Verletzung der
§§ 100 a, 136 StPO begründet worden.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
1. Die Verwertung der Angaben des Zeugen T. über den Inhalt des zwischen ihm und dem M.R. am 21.11.1999 über das Handy des Angeklagten geführten Telefongesprächs begründet keinen Verfahrensfehler.

a) Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen getroffen:

„Am 21.11.1999 befanden sich die Polizeibeamten T. und W. in einem Einsatz zur Vollstreckung eines Festnahmeersuchens betreffend einen wegen Betäubungsmitteldelikten gesuchten M.S. vor dessen Wohnung Morgensteig 35 in Essen. Als S. dort eintraf, befand er sich in Begleitung des Angeklagten. Während die Beamten S. festnahmen, holte der Angeklagte etwas hervor, und zwar Rauschgift, und schluckte es vor den Augen von W. herunter. Da die Beamten den Verdacht hatten, dass der Angeklagte Betäubungsmittel heruntergeschluckt hatte, durchsuchten sie ihn - ergebnislos - und fixierten ihn. Während der anschließenden Durchsuchung der Wohnung S.s klingelte das Handy des Angeklagten. T. nahm das Gespräch entgegen, indem er sich mit „ja“ oder Ähnlichem meldete, sich jedenfalls aber nicht als die Person des Angeklagten ausgab. Es meldete sich jemand, der sich als M. vorstellte und nach „A.“ fragte. T. erklärte, er sei ein „Kumpel“ oder „Kollege“. Der Gesprächsteilnehmer erwiderte daraufhin, er suche etwas „Braunes“ auf „Kombi“ oder „Kommission“ für 20. T. bestellte den Gesprächsteilnehmer daraufhin für später zur Wohnung des Angeklagten.
T. und W. begaben sich daraufhin in Begleitung des Angeklagten zu seiner Wohnung. Der Angeklagte erwähnte, dass in seiner Wohnung noch ein Kumpel von ihm nächtige. Erst als sich die Beamten bereit machten, die Wohnung zu betreten, erwähnte er weiter, dass sich noch seine Staffordshire-Terrier-Hündin in der Wohnung befände.
In der Wohnung trafen die Beamten F.B., J.F. und M.R. an. B. wollte sich gerade ein Haschischpfeifchen stopfen und hatte 4,3 g Haschisch dabei. Bei R. und Fellner wurde nichts gefunden. Angesprochen auf das Telefonat zeigte sich R. verblüfft.
Im Küchenhängeschrank fanden die Beamten einen kleinen Bommel mit 0,3 g Kokain. Außerdem fanden sie im Unterschrank eine digitale Feinwaage sowie abgerissene Plastiktütchen, gefriertütenähnlich.
Das Kokain gehörte dem Angeklagten, der es dort aufbewahren wollte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zum Eigenverbrauch bestimmt war und aus derselben erworbenen Menge wie das heruntergeschluckte Rauschgift stammte.“

Das Landgericht hat den Angeklagten sodann wegen des Besitzes der vorgenannten 0,3 g Kokain wie geschehen verurteilt.

Der Zeuge T. war bereits in erster Instanz vor dem Amtsgericht Essen-Steele zu dem Telefonat mit dem Zeugen R. vernommen worden. Dort hatte der Angeklagte, der vor dem Amtsgericht anwaltlich nicht vertreten war, der Vernehmung des Zeugen T. zu diesem Punkt nicht widersprochen.
In der Berufungshauptverhandlung hat die Verteidigerin der Vernehmung der Zeugen PK T. und POM W. zum Inhalt des Telefonats zwischen dem Zeugen T. und dem Zeugen R. widersprochen. Das Landgericht hat die entsprechende Beanstandung der Verteidigerin mit Kammerbeschluss zurückgewiesen, da es sich nicht um eine Telefonüberwachung gehandelt habe und überdies nicht der Rechtskreis des Angeklagten betroffen wäre, sondern der von M.R..

b) Die Verwertung des Telefonats zwischen dem Zeugen R. und dem Polizeibeamten T. begründet zunächst nicht die Rüge der Verletzung des § 136 Abs. 1 S. 1 StPO. Danach ist bei Beginn der ersten Vernehmung dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Gegen diese Bestimmung hat der Zeuge T. nicht verstoßen. In Betracht käme insoweit allein, dass er den Zeugen R. im Zuge des über das Handy des Angeklagten mit dem Zeugen geführten Telefongesprächs nicht über sein Recht auf Aussagefreiheit belehrt hatte. Indes besteht eine solche Belehrungspflicht nur im Rahmen einer Vernehmung, nicht aber gegenüber Spontanäußerungen, die ungefragt gegenüber einem Polizeibeamten gemacht werden (BGH StV 1990, 194, mit Anmerkung Fezer, StV 1990, 195; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 136 Rdnr. 20). Der Zeuge PK T. hatte den Zeugen R. im Rahmen des fraglichen Telefonats aber zu keinem Zeitpunkt vernommen. Eine Vernehmung setzt zumindest eine irgendwie geartete Befragung zu einem bestimmten Tatvorwurf voraus, allein die Entgegennahme von Äußerungen, die ein Zeuge oder Tatbeteiligter ungefragt von sich aus spontan und aus freien Stücken getan hat, stellt noch keine Vernehmung dar. Eine Vernehmung liegt nämlich nur dann vor, wenn der Vernehmende dem Beschuldigten bzw. Zeugen gegenübertritt und von ihm Auskunft verlangt (BGH GrS, St 42, 139, 145 m.w.N.), wobei der BGH zusätzlich verlangt, dass der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegenübertritt und die Auskunft gerade in dieser Eigenschaft von ihm verlangt (ebda.; ebenso Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 136 a Rdnr. 4).
Eine Erweiterung des Begriffs der Vernehmung in dem Sinn, dass hierzu alle Äußerungen des Beschuldigten gehören, welche ein Strafverfolgungsorgan direkt oder indirekt herbeigeführt hat, ist dem Gesetz dagegen nicht zu entnehmen (BGH GrS, St 42, 139, 146). Im Übrigen würde es hier aber auch bereits an der direkten oder indirekten Herbeiführung der im Rahmen des Telefonats seitens des Zeugen R. gemachten Angaben durch den Polizeibeamten fehlen, da der Polizeibeamte das Telefongespräch in keiner Weise auf ein Rauschgiftgeschäft hingelenkt hatte. Er hatte sich vielmehr darauf beschränkt, sich auf unbestimmte Weise mit „ja“ oder Ähnlichem zu melden und sich als „Kumpel“ oder „Kollege“ des Angeklagten auszugeben. Damit war zu diesem Zeitpunkt noch völlig offen, was der Zeuge R. erklären würde. Es bestand noch kein konkreter Anhaltspunkt im Sinne eines Anfangsverdachtes dafür, dass R. ihn selbst belastende Äußerungen machen und sich als Teilnehmer eines Rauschgiftgeschäftes offenbaren würde. Dies stand vielmehr erst in dem Augenblick fest, in dem R. erklärte, er suche etwas „Braunes“ auf „Kombi“ oder „Kommission“ für 20. Auch in dieser Situation hat der Zeuge T. den Zeugen R. aber nicht etwa befragt oder sonst versucht, von ihm eine Auskunft zu erlangen mit der Folge, dass der Zeuge T. den Zeugen R. möglicherweise jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hätte gemäß § 136 Abs. 1 S. 1 StPO belehren müssen. T. beschränkte sich vielmehr darauf, den Zeugen R. zur Wohnung des Angeklagten zu bestellen.

c) Allerdings hat der Zeuge T., indem er den Zeugen R. zur Wohnung des Angeklagten bestellte, die Arglosigkeit des Zeugen ausgenutzt, der in dieser Situation nicht damit rechnete, dass er mit einem Polizeibeamten sprach und sich durch das Aufsuchen der Wohnung des Angeklagten dem Zugriff dieses Polizeibeamten aussetzen würde. Dieses Verhalten des Zeugen T. stellt aber auch keinen Verstoß gegen die - unmittelbar oder entsprechend angewandte - Regelung des § 136 a Abs. 1 StPO dar. Der Zeuge T. hat den Zeugen R. nämlich nicht im Sinne dieser Vorschrift getäuscht. Der Umstand, dass sich der Zeuge T. nicht ungefragt gegenüber dem Zeugen R. als Polizeibeamter offenbart hatte, ist bereits deshalb keine Täuschung, weil allein das Verschweigen von Tatsachen ohne das Bestehen einer Belehrungspflicht auf Seiten der Ermittlungsorgane noch keine verbotene Täuschung i.S.d. § 136 a StPO darstellt (vgl. LR-Hanack, StPO, 25. Aufl., § 136 a Rdnr. 37; BGHSt 42, 139, 149). Eine Belehrungspflicht bestand hier aber aus den oben dargelegten Gründen gegenüber dem Zeugen R. nicht, da sich der Zeuge spontan äußerte und durch den Polizeibeamten T. nicht i.S.v. § 136 Abs. 1 StPO vernommen wurde. Eine Täuschung hätte hier vielmehr nur dann vorgelegen, wenn der Zeuge T. den Zeugen R. angelogen, ihm die Unwahrheit zu solchen Tatsachen gesagt hätte, die für eine mögliche Selbstbelastung des Zeugen von Bedeutung sein könnten. Dies hat der Zeuge T. aber gerade nicht getan. Er hat sich vielmehr darauf beschränkt, den Zeugen R. zur Wohnung des Angeklagten zu bestellen. Hierzu war er aber gemäß § 163 Abs. 1 S. 1 StPO berechtigt, da aufgrund der spontanen Äußerungen des Zeugen im Rahmen des Telefonates der Anfangsverdacht eines Rauschgiftgeschäftes bestand, das zwischen dem Zeugen und dem Angeklagten abgewickelt werden sollte. Die Selbstbelastung des Zeugen R. beruhte hier damit allein aufgrund seiner eigenen Unbedachtheit oder Unvorsichtigkeit im Umgang mit dem ihm nicht bekannten Gesprächspartner am Handy des Angeklagten. Allein diesen Umstand hat der Zeuge T. ausgenutzt. Richtig ist, dass er hier verdeckt gehandelt hat. Dies führt aber für sich genommen noch nicht zur Unzulässigkeit der von ihm ergriffenen Maßnahmen. Die von dem Zeugen durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen, die wie ausgeführt keine Vernehmung darstellen, beurteilen sich hinsichtlich ihrer Zulässigkeit nach den §§ 161, 163 StPO. Insoweit ist anerkannt, dass es einer besonderen gesetzlichen Eingriffsermächtigung nur für solche Ermittlungsmaßnahmen und Beweiserhebungen bedarf, die in geschützte Rechte anderer eingreifen, und die Polizeibehörden im übrigen in der Wahl ihrer Ermittlungsmethoden grundsätzlich frei sind (BGH GrS, St 42, 139, 150 m.w.N.). Ein verdecktes Vorgehen gegenüber dem Tatverdächtigen ist grundsätzlich zulässig, die Heimlichkeit des polizeilichen Vorgehens ist nämlich gerade kein Umstand, der nach der Strafprozessordnung für sich allein schon die Unzulässigkeit der ergriffenen Maßnahmen begründet. Dies gilt insbesondere auch für auf die Erlangung von Angaben zum Untersuchungsgegenstand gerichtete Gespräche, die den Ermittlungscharakter nicht offenlegen (ebda.).

d) Das Fernmeldegeheimnis, das in §§ 100 a ff. StPO durch strafprozessuale Schutzvorkehrungen gesichert wird (vgl. BGHSt 39, 335, 338), ist hier durch das Vorgehen des Zeugen T. ebenfalls nicht verletzt.
Es fehlt hier bereits an einem Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts aus Art. 10 Abs. 1 GG. Von diesem Schutzbereich erfasst sind Nachrichten nämlich allein während des technischen Übermittlungsvorgangs; der Grundrechtsschutz endet am Endgerät des Fernsprechteilnehmers (BGH GrS, St 42, 139, 154 m.w.N.). Einen solchen Eingriff in das Netz hat der Zeuge T. aber in keiner Weise vorgenommen. Er hat sich lediglich des Endgerätes des Angeklagten bedient, um über dieses Endgerät ein Telefonat mit dem Anrufer zu führen. Wird bereits das Mithören nicht vom Schutzbereich des Art. 10 GG erfasst (BGH GrS, St 42, 139, 154; BGH NStZ 1994, 292, 295, bestätigt durch BVerfG, 2 BvR 75/94 vom 27.04.2000), muss dies erst recht für das Führen des Telefongesprächs selbst - wenn auch unter Nichtoffenlegung der eigenen Identität - gelten. Hinsichtlich der Verheimlichung der eigenen Identität als Polizeibeamter durch den Zeugen T. gilt aber das oben bereits Ausgeführte. Allein hierin kann kein Verfahrensfehler gesehen werden. Das allgemeine Risiko, aufgrund von Angaben überführt zu werden, die er einem anderen im Vertrauen auf dessen Verschwiegenheit gemacht hat, kann und muss das Strafprozessrecht dem Täter auch aus übergeordneten rechtsstaatlichen Gründen nämlich nicht abnehmen (BGH GrS, St 42, 139, 156).

2. Auch im Übrigen weist das angefochtene Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf, § 349 Abs. 2 StPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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