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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 237/02

Leitsatz: Der Umstand, dass ein Zeuge sich an den konkreten Verkehrsvorgang nicht mehr erinnern konnte, steht der Verwertbarkeit seiner Aussage nicht entgegen. Allerdings der Tatrichter klären, ob der Zeuge bereit und in der Lage ist, die Verantwortung für die Richtigkeit des Inhalts der Anzeige zu übernehmen und muss ggf. erfragen, ob der Zeuge einen Irrtum ausschließen kann.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Zuegenaussage, keine Erinnerung, Blankettaussage, Bezugnahme, Lichtbild, Umfang der Feststellungen, wirtschaftliche Verhältnisse

Normen: StPO 267, OWiG 17

Beschluss: Bußgeldsache
gegen R.O.
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 12.12.2001 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 30. 04. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 3 OWiG beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Herford hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 12.12.2001 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 24 Abs. 2 StVG, 41 (Zeichen 274), 49 StVO eine Geldbuße in Höhe von 1.100,- DM festgesetzt sowie ein Fahrverbot von zwei Monaten angeordnet und weiter bestimmt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Nach den zugrunde liegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 11.05.2000 um 23.41 Uhr mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX die BAB 30 in Löhne in Fahrtrichtung Osnabrück. Dort wurde seine Geschwindigkeit mit einem Geschwindigkeitsmessgerät des Typs Multanova 6 F mit 175 km/h gemessen. Abzüglich eines Toleranzwertes von 6 km/h ergab sich eine gefahrene Geschwindigkeit von 169 km/h. Zulässig war an der Messstelle eine Geschwindigkeit in Höhe von 100 km/h. Damit ergab sich eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 69 km/h.
Zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer hat das Amtsgericht folgendes ausgeführt:

„Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Betroffene am 11.05.2000 Fahrzeugführer gewesen ist. Das Gericht hat den Betroffenen auf dem in der Akte befindlichen Beweisfoto (Bl. 1 R d.A.) wiedererkannt. Auf das Beweisfoto (Bl. 1 R d.A.) wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen.“

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene mit am 18.12.2001 beim Amtsgericht Herford eingegangenem Schreiben seines Verteidigers vom selben Tage Rechtsbeschwerde eingelegt und die Rechtsbeschwerde nach Urteilszustellung an den Verteidiger am 04.02.2002 mit am 04.03.2002 bei dem Amtsgericht eingegangenem weiteren Schreiben des Verteidigers vom 28.02.2002 mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet. Die Rechtsbeschwerde hat die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts beantragt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 26.03.2002 beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Herford zurückzuverweisen.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat in der Sache keinen Erfolg. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die von der Rechtsbeschwerde allein erhobene Sachrüge hin hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

Das angefochtene Urteil genügt den Anforderungen der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung an die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr. Sowohl das zur Anwendung gebrachte Messverfahren als auch die gemessene Geschwindigkeit und der in Abzug gebrachte Toleranzwert sind angegeben (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdnr. 43 f m.w.N.). Zweifel an dem Vorliegen einer ordnungsgemäßen Messung bestanden hier nicht und wurden auch von dem Betroffenen nicht vorgebracht.

Allerdings rügt die Rechtsbeschwerde, der Tatrichter habe seine Überzeugung, die Geschwindigkeit an der Messstelle sei auf 100 km/h begrenzt gewesen, aufgrund der Aussage des Zeugen B. gewonnen, dessen Aussage jedoch eine nicht verwertbare Blankettaussage darstelle, da er sich konkret nicht mehr an den Vorfall habe erinnern können.
Indes steht der Umstand, dass der Zeuge sich an den konkreten Verkehrsvorgang nicht mehr erinnern konnte, der Verwertbarkeit seiner Aussage nicht entgegen (BGHSt 23, 213, 218; OLG Hamm, VRS 57, 291, 292; VRS 55, 134; VRS 55, 208, 209; Göhler, a.a.O., § 77 Rdnr. 15 m.w.N.).
Allerdings muss in einem solchen Fall der Tatrichter klären, ob der Zeuge bereit und in der Lage ist, die Verantwortung für die Richtigkeit des Inhalts der Anzeige zu übernehmen und muss ggf. erfragen, ob der Zeuge einen Irrtum ausschließen kann (BGH, a.a.O.; OLG Hamm, VRS 57, 292). Dabei kann insbesondere von Bedeutung sein, ob der Vorgang, den der Zeuge bekunden soll, von ihm selbst wahrgenommen worden ist, und ob der Zeuge dem Gericht als zuverlässig bekannt ist (BGH, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O).
Der Zeuge B. hatte hier die Beschilderung im Bereich der Messstelle selbst überprüft, so dass er über die Erinnerung an Vorgänge befragt wurde, die er selbst wahrgenommen hatte. Der Zeuge hat ergänzend angegeben, dass er vor jeder Geschwindigkeitsmessung die Strecke abfahre und deshalb auch ohne konkrete Erinnerung sagen könne, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen 274 auf 100 km/h begrenzt gewesen sei. Auch hätte er die Geschwindigkeitsmessung dann nicht durchgeführt, wenn die entsprechenden Verkehrszeichen nicht wahrnehmbar gewesen wären. Damit hat der Zeuge eindeutige Angaben zu Gegenständen seiner eigenen Wahrnehmung gemacht und nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen er sich stets in der von ihm beschriebenen Weise verhalte. Daraus konnte das Amtsgericht aber rechtsfehlerfrei darauf schließen, dass auch zum Zeitpunkt der Messung des Betroffenen die Geschwindigkeit im Bereich der Messstelle durch Verkehrszeichen 274 auf 100 km/h begrenzt war. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn hier besondere Umstände vorliegen würden, die den Schluss zuließen, dass der Zeuge entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten die Verkehrszeichen vor der Durchführung der Messung nicht kontrolliert hätte (vgl. BGH, a.a.O., 219). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Die Rechtsbeschwerde rügt weiter, das Amtsgericht habe nicht entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf das sich bei den Akten befindliche Beweisfoto Bezug genommen, da sich die Bezugnahme auf Bl. 1 R d.A. beziehe, wosich insgesamt vier Beweisfotos befänden. Unter diesen Umständen sei unklar, auf welches der vier Beweisfotos Bezug genommen worden sei.
Auch diese Beanstandung der Rechtsbeschwerde greift nicht durch. Das Amtsgericht hat hier in prozessordnungsgemäßer Weise auf das Beweisfoto Bl. 1 R d.A. gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen. Erforderlich ist insoweit eine Bezugnahme, die deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein muss (BGHR StPO § 267 Abs. 1 S. 3, Verweisung 2 - Beschluss vom 19.12.1995 m.w.N.). Dies ist hier mit der oben wiedergegebenen Formulierung des angefochtenen Urteils geschehen. Auf Bl. 1 R d.A. befinden sich auch nicht etwa vier Beweisfotos. Vielmehr hat das Messgerät lediglich ein Beweisfoto gefertigt, das auf Bl. 1 R d.A. in vier Abzügen wiedergegeben ist, wobei die Abzüge sowohl das Beweisfoto insgesamt als auch ausschnittsweise das Nummernschild, die Legende und die Gesichter der Insassen des PKWs zeigen. Dies ändert aber nichts daran, dass sich nur ein Beweisfoto bei den Akten befindet, auf das das Amtsgericht auch Bezug genommen hat.
Aufgrund dieses Beweisfotos steht - was die Generalstaatsanwaltschaft offenbar übersieht - auch fest, aufgrund welcher Beweismittel das Amtsgericht Feststellungen zu der gemessenen Geschwindigkeit getroffen hat. Das Beweisfoto ist durch die Bezugnahme nämlich Bestandteil der Urteilsgründe geworden (BGHR StPO § 267
Abs. 1 S. 3 Verweisung 2 - Beschluss vom 19.12.1995). Wird das Beweisfoto aber in dieser Weise als Bestandteil der Urteilsgründe angesehen, so ergibt sich aus den Urteilsgründen zwanglos, dass am 11.05. auf der BAB 30 bei Löhne, km 125,245, Fahrtrichtung Osnabrück, um 23.41 Uhr ein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen NI-LA 300 mit einer Geschwindigkeit von 175 km/h gemessen worden ist, wobei das Fahrzeug zur Tatzeit von einer männlichen Person geführt wurde. Dass diese Person mit dem Betroffenen identisch ist, teilt das Urteil dann im Weiteren mit.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde lassen auch die Ausführungen des Amtsgerichts zur Bemessung der Rechtsfolgen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen. Das Amtsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der Betroffene bereits wiederholt verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist und vor dem hier in Rede stehenden Vorfall bereits fünf Mal einschlägig in Erscheinung getreten war und ihn auch ein in einem früheren Verfahren verhängtes Fahrverbot nicht ausreichend beeindrucken konnte. Einen Verstoß gegen das Übermaßverbot vermag der Senat, der entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde die Vorbelastungen des Betroffenen auch nicht als „Bagatellübertretungen“ wertet, bei dieser Sachlage ganz und gar nicht festzustellen. Das Amtsgericht war sich im Übrigen auch der Tatsache bewusst, dass die Tat zum Zeitpunkt seines Urteils bereits mehr als anderthalb Jahre zurücklag. Dies ist nämlich in den Urteilsgründen ausdrücklich aufgeführt.
Nähere Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen waren hier - noch - entbehrlich. Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind gemäß § 17 Abs. 3 OWiG in erster Linie die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG insoweit allein „in Betracht“. Hier bestehen jedoch keine Anhaltspunkte - insbesondere trägt auch die Rechtsbeschwerde hierzu nichts vor -, dass der Betroffene wirtschaftlich nicht in der Lage wäre, eine Geldbuße in Höhe von 1.100,- DM aufzubringen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich und auch von der Rechtsbeschwerde vorgebracht, dass der Betroffene durch die Verhängung des zweimonatigen Regelfahrverbotes in seiner beruflichen Existenz ernsthaft gefährdet wäre.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.


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