Aktenzeichen: 3 Ss 478/02 OLG Hamm
Leitsatz: Eine in Kopie vorliegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber entschuldigt das Ausbleiben des Angeklagten im Hauptverhandlungstermin nicht ausreichend im Sinn des § 329 Abs. 1 StPO.
Senat: 3
Gegenstand: Revision, Beschwerde
Stichworte: Verwerfung der Berufung wegen Ausbleiben des Angeklagten, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; genügende Entschuldigung, Glaubhaftmachung,
Normen: StPO 329, StPO 44
Beschluss: Strafsache
gegen H.A.,
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,
(hier: 1. sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die Ablehnung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung, 2. Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 06.02.2002, 3. Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist).
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 18.03.2002 gegen den Beschluss der XI. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 01.03.2002, auf seine Revision gegen das Urteil der XI. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 06.02.2002 und auf seinen Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 04. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.
Der Antrag des Angeklagten auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil der XI. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 06.02.2002 wird als unbegründet verworfen.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XI. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 06.02.2002 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Bottrop hat den Angeklagten am 28.05.2001 wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Berufung
des Angeklagten hat das Landgericht in der Berufungshauptverhandlung vom 06.02.2002 gemäß §§ 329 Abs. 1 S. 1 StPO mit der Begründung verworfen, der Angeklagte sei in dem Termin zur Berufungshauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden.
Gegen das Urteil hat der Angeklagte mit am 07.02.2002 bei dem Landgericht Essen eingegangenem Schreiben seiner Verteidiger die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und gleichzeitig für den Fall der Verwerfung des Antrags auf Wiedereinsetzung Revision gegen das am 06.02.2002 verkündete Urteil des Landgerichts Essen eingelegt.
Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger am 15.02.2002 zugestellt worden.
Mit Beschluss vom 01.03.2002 hat das Landgericht das Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten als unbegründet verworfen.
Dieser Beschluss ist dem Verteidiger am 12.03.2002 zugestellt worden.
Mit am 18.03.2002 bei dem Landgericht eingegangenem Schreiben hat der Angeklagte über seinen Verteidiger sodann sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 01.03.2002 eingelegt sowie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beantragt und sodann seine Revision gegen das Urteil vom 06.02.2002 damit begründet, dass das Landgericht den Begriff der genügenden Entschuldigung verkannt habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss des Landgerichts Essen vom 01.03.2002 aufzuheben, dem Angeklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren und das Urteil des Landgerichts Essen vom 06.02.2002 für gegenstandslos zu erklären. Zu der gleichfalls eingelegten Revision des Angeklagten sowie zu seinem Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist hat die Generalstaatsanwaltschaft trotz Gelegenheit hierzu keine Stellung genommen.
II.
Die gemäß § 46 Abs. 3, 329 Abs. 2 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Rechtsmittel ist nicht begründet. Das Landgericht hat dem Angeklagten zu Recht die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung verwehrt. Der Angeklagte hat nämlich bis heute sein Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung nicht genügend entschuldigt, § 44 StPO i.V.m. § 329 Abs. 3 StPO.
Genügend entschuldigt ist das Ausbleiben des Angeschuldigten nämlich nur dann, wenn glaubhaft erscheint, dass den Angeklagten kein Verschulden an dem Nichterscheinen in dem Termin zur Berufungshauptverhandlung trifft (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 329 Rdnr. 21). Krankheit entschuldigt aber nur dann, wenn sie nach Art und Auswirkungen eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar macht, wobei zur Glaubhaftmachung in der Regel ein privatärztliches Attest genügt, sofern es im Original vorgelegt wird (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 StPO Rdnr. 26 m.w.N.). Hier hatte der Angeklagte indes lediglich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber eines Arztes in Castrop-Rauxel vorgelegt, und zwar nur in Kopie. Aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ergab sich zudem weder eine Diagnose noch sonst ein Hinweis auf die Art der Erkrankung. Reiseunfähig konnte der Angeklagte nicht sein, da sich der Arzt in Castrop-Rauxel befand, der Angeklagte selbst aber in Bottrop wohnhaft ist. Bei dieser Sachlage war die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht geeignet, glaubhaft zu machen, dass dem Angeklagten nach Art und Auswirkung seiner Erkrankung eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar war. Art und Auswirkung der Erkrankung sind bis heute im Dunkeln geblieben, dass der Angeklagte jedenfalls reisefähig war, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass er sehr wohl in der Lage war, die Strecke von Bottrop zu seinem Arzt nach Castrop-Rauxel zurückzulegen. Bezeichnend ist insoweit auch, dass der Angeklagte weder im Verfahren vor dem Landgericht auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung noch im Beschwerdeverfahren vor dem Senat in der Lage war, seine angebliche Erkrankung auch nur zu bezeichnen, geschweige denn auf geeignete Weise glaubhaft zu machen. Insoweit ist vielmehr stets nur ausgeführt gewesen, der Angeklagte sei akut erkrankt gewesen. Auch dazu, warum er einen Arzt in Castrop-Rauxel aufgesucht hat bzw. aufsuchen konnte, macht der Angeklagte bis heute keine näheren Angaben. In seiner sofortigen Beschwerde heißt es hierzu allein in der Form einer Mutmaßung des
Verteidigers, dass es sich möglicherweise um den Arzt des Vertrauens des Angeklagten gehandelt habe, möglicherweise aber um einen Spezialisten. Der Angeklagte erscheint daher insgesamt nicht bereit, an der Aufklärung der Umstände seiner Erkrankung und der damit verbundenen Verhinderung, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, auch nur ansatzweise mitzuwirken.
Darauf, ob das Landgericht verpflichtet gewesen wäre, bereits vor einer - hier nicht vorliegenden - Entbindung des behandelnden Arztes von der Schweigepflicht diesen Arzt anzurufen oder sonst mit ihm Kontakt aufzunehmen, um abzuklären, welcher Art die Erkrankung des Angeklagten war, kommt es im Rahmen des Wiedereinsetzungsgesuches nicht an. Für das Wiedereinsetzungsgesuch ist vielmehr allein entscheidend, ob eine genügende Entschuldigung glaubhaft gemacht ist, was hier aus den oben genannten Gründen nicht der Fall ist.
III.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 06.02.2002 war gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Die Revision ist nämlich nicht innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO, die am 15.03.2002 ablief, begründet worden. Das mit Schreiben vom 18.03.2002 gestellte Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist war gemäß § 44 StPO als unbegründet zu verwerfen, da der Angeklagte nicht glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden gehindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Insbesondere ist das von ihm angeführte Verteidigerverschulden nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Angeklagte führt hierzu lediglich aus, dass das Urteil des Landgerichts Essen vom 06.02.2002 aufgrund eines nicht nachvollziehbaren Büroversehens in einen anderen Vorgang eingelegt worden sei. Erst am 18.03.2002 sei die Gesamtakte wieder vorgelegt worden, so dass der Irrtum aufgefallen sei.
Diese Ausführungen sind bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Der Verteidiger hat sie nicht einmal anwaltlich versichert, sondern den von ihm in seinem Schreiben vom 18.03.2002 angeführten, gerade zitierten Entschuldigungsgrund dort ausdrücklich nur mitgeteilt. Das Vorbringen dort ist auch wenig plausibel, da immerhin der Beschluss des Landgerichts vom 01.03.2002 über die Verwerfung des
Wiedereinsetzungsgesuches bereits am 12.03.2002 bei dem Verteidiger einging, so dass nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge spätestens zu diesem Zeitpunkt die Akte dem Verteidiger hätte vorgelegt werden müssen, mithin zu einem Zeitpunkt, als die Revisionsbegründungsfrist noch lief. Angesichts dieser Besonderheiten hätte hier entweder eine ausdrückliche anwaltliche Versicherung erfolgen oder eine eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten vorgelegt werden müssen, die sich über das Wiederauffinden des Urteils bzw. die Vorlage der Gesamtakte verhielt. Beides war hier nicht der Fall, so dass es an einer hinreichenden Glaubhaftmachung fehlt.
Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der sofortigen Beschwerde und hinsichtlich der Revision jeweils aus § 473 Abs. 1 StPO.
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