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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 12, 14/2002 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zurückstellung der Strafvollstreckung, wenn die vom Antragsteller konsumierten Suchtstoffe nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Zurückstellung, Strafvollstreckung, Alkoholabhängigkeit, Medikamentenabhängigkeit, Drogenabhängigkeit, Betäubungsmittel, Ermessensentscheidung

Normen: BtMG 35

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend R.J.,
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden (hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).

Auf die Anträge des Betroffenen vom 01. April 2002 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen die Bescheide der Staatsanwaltschaft Köln vom 19. November 2002 und 12. Februar 2002 in der Form der Beschwerdebescheide des Generalstaatsanwalts in Köln vom 28. Februar 2002 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 06. 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung werden auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Der Geschäftswert wird jeweils auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe :
Das Landgericht Köln hat den Betroffenen in der Strafsache 110 VRs 63/97 am 13. August 1996 wegen Betruges in 162 Fällen, davon in 12 Fällen wegen versuchten Betruges, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Außerdem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Im Hinblick auf die Unterbringung des Verurteilten führte die 14. große Strafkammer des Landgerichts Köln aus:

„Nach der eigenen Einlassung des Angeklagten, die durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt wurde, hat der Angeklagte den Hang, alkoholische Getränke und andere berauschende Mittel, nämlich das Medikament Tavor, im Übermaß zu sich zu nehmen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen G., dem sich die Kammer durch die ihr hierdurch vermittelte Sachkunde anschließt, sind seine hier in Rede stehenden Straftaten auf diesen Hang zumindest mitursächlich zurückzuführen. Es besteht die Gefahr, dass der Angeklagte infolge seines Hanges weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.“

Der Antragsteller befand sich in dieser Sache in der Zeit vom 20. Februar 1995 bis zum 12. Juni 1997 in Untersuchungshaft und ab dem 13. Juni 1997 bis zum 12. Juni 1998 im Maßregelvollzug in den Rheinischen Kliniken in Bonn. Die Reststrafe aus dieser Verurteilung wurde durch Beschluss des Landgerichts Bonn vom 27. Mai 1998 zur Bewährung bis zum 17. Juni 2003 ausgesetzt.

Desweiteren wurde der Antragsteller in der Strafsache 110 VRs 45/01 durch Urteil des Landgerichts Köln vom 02. März 2001 wegen Betruges in 9 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Durch Beschluss des Landgerichts Bonn vom 30. Oktober 2000 wurde die Reststrafenaussetzung in dem Verfahren 110 VRs 63/97 widerrufen. Der Antragsteller verbüßte daraufhin vom 15. Februar 2001 bis zum 24. August 2001 insgesamt 2/3 der vorgenannten Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 9 Monaten.

Ab dem 25. August 2001 verbüßt der Antragsteller die Reststrafe aus seiner Verurteilung durch das Landgericht Köln vom 02. März 2001. Als Strafende für beide Vollstreckungssachen ist der 11. Oktober 2005 notiert.

Durch Schreiben vom 25. September 2001 beantragte der Verteidiger des Antragstellers die Zurückstellung der Strafvollstreckung aus den oben genannten beiden Verurteilungen gemäß § 35 BtMG zugunsten einer Entwöhnungstherapie in der Einrichtung „Eschenberg Wildparkklinik“ in Hennef. Die 9. große Strafkammer und die 14. große Strafkammer des Landgerichts Köln haben durch Beschlüsse vom 13. November 2001 bzw. vom 01. Februar 2001 jeweils die Zustimmung der Kammer zur Zurückstellung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe für die Dauer der Entwöhnungstherapie mit der Begründung verweigert, dass die vom Antragsteller konsumierten Suchtstoffe, nämlich Alkohol und der in dem Medikament Tavor enthaltene Wirkstoff Lorazepam, nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen und somit eine Anwendung des § 35 BtMG nicht in Betracht komme.

Die Staatsanwaltschaft Köln hat daraufhin durch Bescheide vom 19. November 2001 bzw. 12. Februar 2002 die Zurückstellung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus den vorgenannten beiden Urteilen des Landgerichts Köln zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 35 BtMG nicht vorlägen. Die dagegen gerichteten Einwendungen des Antragstellers hat der Generalstaatsanwalt in Köln mit Bescheiden vom 28. Februar 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt:

„Der angefochtenen Entscheidung der Vollstreckungsbehörde ist zu entnehmen, dass diese die gesetzliche Voraussetzung für die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG als nicht gegeben angesehen hat. Gemäß § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 BtMG kann eine positive Entscheidung nur mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges getroffen werden. Weil das Landgericht Köln durch Beschluss vom 13. November 2001 bzw. 01. Februar 2002 eine Zustimmung zur Zurückstellung der Strafvollstreckung nicht erteilt hat, war es der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde verwehrt, den gestellten Antrag positiv zu bescheiden.

Da der vorbezeichnete Beschluss antragsgemäß und in Übereinstimmung mit der zutreffenden Rechtsauffassung mit der Staatsanwaltschaft ergangen ist, vermag ich es nicht zu beanstanden, dass die Vollstreckungsbehörde gegen die gerichtliche Entscheidung ein Rechtsmittel nicht eingelegt hat.

Wie der angefochtenen Entscheidung entnommen werden kann, gilt § 35 BtMG nur für solche Verurteilte, die betäubungsmittelabhängig sind. Soweit hier von einer Abhängigkeit von Betäubungsmitteln die Rede ist, führen nach § 1 Abs. 1 BtMG nur die in den Anlagen I - III zu den BtMG aufgeführten Stoffe und Zubereitungen zu einer Anwendung des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln. Alkoholiker bzw. Medikamentensüchtige sind hierin nicht erwähnt, so dass Alkoholabhängige bzw. Medikamentensüchtige eine Zurückstellung der Strafvollstreckung über § 35 BtMG nicht erreichen können (OLG Hamm, Beschluss vom 15. April 1999 - 1 VAs 9/99). Für Alkoholabhängige bzw. Medikamentensüchtige steht auch keine andere Vorschrift zur Verfügung, die eine solche Maßnahme gestattet.“

Gegen diese Bescheide der Generalstaatsanwaltschaft Köln richten sich die Anträge des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach den §§ 23 ff. EGGVG.

Die Anträge sind nicht begründet. Die Verweigerung der Zustimmung durch das Landgericht und die Ablehnung der Zurückstellung der weiteren Strafvollstreckung durch die Staatsanwaltschaft sind nicht zu beanstanden.

Die angefochtenen staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen sind für den Senat nur eingeschränkt nachprüfbar. Denn bei der Frage, ob einem Verurteilten Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zum Zwecke einer stationären Entzugstherapie zu bewilligen ist, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Eine solche Ermessensentscheidung ist gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG rechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Staatsanwaltschaft die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist und ob die Vollstreckungsbehörde den Sachverhalt in dem gebotenen Umfang unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat (OLG Hamm NStZ 1982, 483, 484; NStZ 1983, 287; OLG Hamm, Beschluss vom 01. Dezember 1998 - 1 VAs 75/98 -).

Derartige Rechtsfehler liegen hier nicht vor.

Zu Recht hat die Staatsanwaltschaft Köln und die Generalstaatsanwaltschaft die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG abgelehnt, da der Antragsteller nicht betäubungsmittelabhängig im Sinne des BtMG ist. Wie sich aus § 1 Abs. 1 BtMG ergibt, findet das BtMG nur bei den in den Anlagen I - III aufgeführten Stoffe und Zubereitungen Anwendung. Da Alkohol nicht zu den in den Anlagen I - III zum BtMG genannten Stoffen gehört, scheidet eine Alkoholabhängigkeit als Voraussetzung für die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG aus (vgl. auch Beschluss des Senats vom 13. Oktober 1998 - 1 VAs 65/98 -).

Eine Zurückstellung der Strafvollstreckung kommt aber auch nicht aufgrund der Tatsache in Betracht, dass der Antragsteller das Medikament Tavor konsumiert. Grundsätzlich führt auch eine Medikamentenabhängigkeit nicht zur Anwendung des BtMG. Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus dem Umstand, dass der in dem Medikament Tavor enthaltene Wirkstoff Lorazepam in der Anlage III zum BtMG aufgeführt ist. Dieser Wirkstoff unterfällt nämlich nur dann der Anlage III, wenn ihm weitere Mittel beigemischt sind. Als Monopräparat ist er vom Anwendungsbereich des BtMG ausgeschlossen.

Zu einem anderen Ergebnis führen auch nicht die Ausführungen des Verteidigers, zum Beispiel bei den Medikamenten DHC-Saft oder Rohypnol handele es sich ebenfalls um Monopräparate und gleichwohl finde auf diese Mittel das Betäubungsmittelgesetz Anwendung. Bezüglich dieser Medikamente ist in der Anlage III ausdrücklich geregelt, dass für die hiervon ausgenommenen Zubereitungen dieser Stoffe gleichwohl die Vorschriften des BtMG gelten, wenn sie für betäubungsmittelabhängige Personen verschrieben werden. Mit anderen Worten kommt eine Zurückstellung nach § 35 BtMG bei dem Konsum von DHC-Saft oder Rohypnol dann in Betracht, wenn sie als Ersatzdrogen konsumiert werden. Einen solchen Fall hatte auch das OLG Karlsruhe in der vom Verteidiger zitierten Entscheidung (Strafverteidiger 1998, 672) zu entscheiden. Abgesehen davon, dass die Anlage III zum BtMG bezüglich des in dem Medikament Tavor enthaltenen Wirkstoffes Lorazepam diese Ausnahme nicht vorsieht, liegen aber auch die Voraussetzungen im Übrigen nicht vor. Der Antragsteller konsumiert das Medikament Tavor nicht als Ersatz für Betäubungsmittel wie Heroin, Kokain oder sonstiges.

Angesichts der Tatsache, das Alkoholabhängige bzw. Medikamentensüchtige eine Zurückstellung der Strafvollstreckung über § 35 BtMG nicht erreichen können, sind die staatsanwaltschaftlichen Bescheide nicht zu beanstanden, so dass die Anträge auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen waren.

Die Nebenentscheidung folgt aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 Kostenordnung.


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