Aktenzeichen: 1 Ws 159/02 OLG Hamm
Leitsatz: Der Verurteilte muss die Beschränkung seiner Berufung bei der Einlegung der Berufung nicht ausdrücklich erklärt. Die Erklärung ist vielmehr auszulegen. Dabei ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern der Sinn der Erklärung zu erforschen.
Senat: 1
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Berufungsbeschränkung, Auslegung der Erklärung des Angeklagten, Kostenentscheidung
Normen: StPO 302, StPO 318
Beschluss: Strafsache
gegen A.M.
wegen Diebstahls Diebstahls, hier: sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Siegen gegen die Kostenentscheidung des Urteils).
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Siegen gegen die Kostenentscheidung in dem Urteil der II. kleinen Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 17. April 2002 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 07. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht Stilke-Wassel nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Siegen wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der dem Verurteilten insoweit etwa entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe:
Das Amtsgericht Lennestadt hat gegen den Verurteilten am 19. November 2001 wegen Diebstahls eine Freiheitsstrafe von zwei Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung verhängt. Die Feststellungen des Amtsgerichts beruhten auf dem Geständnis des Verurteilten. Dieser hatte in der Hauptverhandlung in seinem letzten Wort erklärt: Mir tut der Vorfall leid. Gegen das Urteil hat der Verurteilte am 20. November 2001 zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Berufung eingelegt, die er nicht weiter begründet hat. In der Hauptverhandlung vor der II. kleinen Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 17. April 2002 hat er mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und erklärt, dass er mit der Berufung lediglich die Strafaussetzung zur Bewährung erreichen wolle. Dementsprechend hat er mit seinem Schlussantrag auch Strafaussetzung zur Bewährung beantragt. Das Landgericht hat auf die Berufung des Verurteilten das Urteil des Amtsgerichts Lennestadt vom 19. November 2001 im Rechtsfolgenausspruch dahin geändert, dass die verhängte Freiheitsstrafe von zwei Monaten zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten hat die Kammer der Landeskasse auferlegt. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, die Berufung des Verurteilten sei von Anfang an dahingehend ausgelegt worden, dass diese auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt sei. Demgemäß sei ein Zeuge auch nicht geladen worden. Im Hinblick auf das letzte Wort des Verurteilten sei klar gewesen, was auch bei einer entsprechenden Befragung/Belehrung bei seiner Erklärung am 20. November 2001 hätte deutlich gemacht werden können, dass der Verurteilte lediglich die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung erstrebt.
Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft Siegen mit Schreiben vom 18. April 2002, bei dem Landgericht Siegen eingegangen am 19. April 2002, Revision und sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung eingelegt, die Revision jedoch mit Schreiben vom 7. Juni 2002 zurückgenommen. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der sofortigen Beschwerde beigetreten und hat beantragt, die Kosten- und Auslagenentscheidung dahingehend abzuändern, die Kosten der Berufung und die dem Verurteilten im Berufungsrechtszug erwachsenen notwendigen Auslagen, die bei einer von vornherein beschränkten Rechtsmitteleinlegung vermeidbar gewesen wären, dem Verurteilten aufzuerlegen.
Das gemäß § 464 Abs. 3 S. 1 StPO statthafte Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Es kann in der Sache indes keinen Erfolg haben.
Zwar ist der Generalstaatsanwaltschaft zuzugeben, dass die nachträgliche Beschränkung der Berufung erst in der Berufungshauptverhandlung als Teilrücknahme zu behandeln ist mit der Folge, dass in diesem Fall die Kosten des erfolgreichen Rechtsmittels und die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse nur mit Ausnahme derjenigen auferlegt werden, die bei einer alsbald nach Urteilszustellung erklärten Rechtsmittelbeschränkung vermeidbar gewesen wären. Die zuletzt genannten Kosten und Auslagen trägt in diesem Fall der Angeklagte selbst. Allerdings ist hier bereits zweifelhaft, welche Kosten und Auslagen insoweit im vorliegenden Fall entstanden sein sollen, da keine Zeugen vom Landgericht Siegen geladen worden sind.
Darüber hinaus ist das Landgericht Siegen indes mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass der Verurteilte die Berufung nicht erst in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch mit dem Ziel einer Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt hat, sondern dass die Berufung von vornherein als beschränkt anzusehen ist. Zwar hat der Verurteilte die Beschränkung bei der Einlegung der Berufung nicht ausdrücklich erklärt. Dies ist indes auch nicht erforderlich. Die Erklärung ist vielmehr auszulegen. Dabei ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern der Sinn der Erklärung zu erforschen. Bei Unklarheiten ist bei dem Beschwerdeführer zurückzufragen (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 318 Rdnr. 2). Angesichts der Tatsache, dass der Verurteilte die ihm vorgeworfene Straftat in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht in vollem Umfang eingeräumt und in seinem letzten Wort erklärt hat, ihm tue der Vorfall leid, wird deutlich, dass sich die Berufung des Verurteilten nicht gegen die Verurteilung dem Grunde nach, sondern lediglich gegen den Rechtsfolgenausspruch richtet. Insoweit ist dem Landgericht zuzustimmen, dass die Erklärung des Verurteilten in der Berufungshauptverhandlung lediglich klarstellende Funktion hatte. Da die Kammer die Erklärung des Verurteilten auch dahingehend ausgelegt hat, sind keine Zeugen geladen worden, so dass keine weiteren Kosten entstanden sind.
Ist aber die Berufung als von vornherein beschränkt eingelegt anzusehen, so ist die Kostenentscheidung in dem Urteil des Landgerichts Siegen nicht zu beanstanden mit der Folge, dass die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Siegen mit der sich aus § 473 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zu verwerfen war.
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