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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 354/02 OLG Hamm

Leitsatz: Auch im Bußgeldverfahren muss die Beweiswürdigung so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung ermöglicht.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Beweiswürdigung, standardisiertes Messverfahren

Normen: StPO 261

Beschluss: Bußgeldsache
gegen R.T.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 28. Februar 2002 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 07. 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Gütersloh zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Begehung zweier Ordnungswidrigkeiten gemäß §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274), 49 StVO, § 24 StVG zwei Geldbußen von jeweils 100 EURO festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Es hat ausgesprochen, dass das Fahrverbot wirksam wird, wenn der Führerschein nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:

„Am 26.06.01 befuhr der Betroffene gegen 15:40 Uhr als Führer des Pkw Porsche mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxx in Rheda-Wiedenbrück die Lippstädter Str. in Fahrtrichtung Langenberg. Außerhalb geschlossener Ortschaft etwa 303 Meter von dem Haus Nr. 124 entfernt betrug seine Fahrtgeschwindigkeit mindestens 28 km/h, obwohl dort die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 50 km/h begrenzt war.

Am selben Tag befuhr der Betroffene als Führer des Pkw Volvo mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxxx in Rheda-Wiedenbrück die Rietberger Straße B 64 in Fahrtrichtung Rheda-Wiedenbrück. In Höhe der stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlage des Typs Traffiphot-S bei Stationskilometer 0,118 betrug seine Fahrtgeschwindigkeit mindestens 26 km/h. In diesem Bereich außerhalb der geschlossenen Ortschaft galt aufgrund der 173 Meter vor der Messstelle beidseitig der Fahrbahn aufgestellten Zeichen 274 eine höchstzulässige Geschwindigkeit von 50 km/h. 200 Meter vor diesen Zeichen wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h durch beidseitig aufgestellte Zeichen 274 auf 70 km/h beschränkt. Die Verkehrszeichen sind auf eine Entfernung von 1560 bis 2000 Metern gut erkennbar.“

Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:

„Der Betroffene hat sich zur Sache nicht eingelassen.

Die Höhe der vom Betroffenen am 26.06.01 gegen 15:40 Uhr gefahrenen Geschwindigkeit steht fest aufgrund des Messergebnisses der Messung mit dem Laser-Geschwindigkeitsmessgerät LTI 20.20 TS/ KM, Fabriknummer 101023, wie es im Messprotokoll vom 26.06.01 ausgewiesen ist. Dort ist zur Uhrzeit 15:40 vermerkt, dass bei der Messung eines Pkw Porsche mit dem amtlichen Kennzeichen xxxxxxxx aus einer Entfernung von 303 m eine Geschwindigkeit von 81 km/h abgelesen worden ist.
Angesichts der Angaben im Messprotokoll, dass der Messbeamte die vorgeschriebenen Funktionstests vor und nach dem Ende der Messserie durchgeführt hat, ohne dass es Anlass zu Beanstandungen gab, und der eichamtlichen Bescheinigung des Eichamtes Düsseldorf vom 23.10.2000 über die zum Vorfallszeitpunkt gültige Eichung des Geschwindigkeitsmessgerätes hat das Gericht keine Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung.
Da es sich im vorliegenden Fall um ein standardisiertes Messverfahren handelt und konkrete Anhaltspunkte für einen im vorliegenden Fall vorhandenen Messfehler nicht gegeben waren, war die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Fehlerhaftigkeit der Messung nicht erforderlich.
Zu Gunsten des Betroffenen hat die Bußgeldbehörde von dem abgelesenen Wert einen Toleranzabzug von 3 km/h vorgenommen.

Hinsichtlich des Vorfalls um 16:33 ist das Gericht zunächst davon überzeugt, dass es sich bei dem Betroffenen um den Fahrer des Pkw handelte, der zur angegebenen Tatzeit von der der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage angeschlossenen Kamera fotografiert worden ist.
Wegen der Einzelheiten der Abbildung wird auf die Fotos Bl. 9 und 10 d.A.
12 OWi AK 635/ 01 verwiesen, §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO.

Das Gericht hat den Betroffenen während der Verhandlung in Augenschein nehmen können. Es hat festgestellt, dass es sich bei dem Betroffenen um die auf den Fotos auf Blatt 9 und 10 der Akte wiedergegebene männliche Person handelt.
Sowohl die Gesichtsform, als auch die Form der Nase, des erkennbaren Teils des rechten Ohres, der Augenpartie, der Mundpartie, des Abstandes zwischen Mund und Nase und die Form des Kinns waren identisch. Unter diesen Umständen bildete der Umstand, dass der Betroffene während der Hauptverhandlung keine Brille trug, kein Identifizierungshindernis.
Die Fotos, insbesondere das auf Bl. 9 d.A., waren von einer für eine Identifizierung ohne weiteres ausreichenden Qualität. Aus diesem Grund bestand für die Einholung eines anthropologischen Gutachtens keine Veranlassung mehr.
Der Umstand, dass der Betroffene am selben Tag vorher wegen einer weiteren Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem anderen Pkw aufgefallen ist, spricht ebenfalls nicht gegen seine Täterschaft. Zwischen den beiden Tatzeiten liegen 53 Minuten, innerhalb derer der Betroffene ohne weiteres in der Lage war, das Fahrzeug zu wechseln.
Die Höhe der vom Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit steht fest aufgrund des Messergebnisses der stationären Überwachungsanlage des Typs Traffiphot-S, wie es im Datenfeld des Lichtbildes Blatt 10 unten der Akte, auf dessen Einzelheiten gem. §§ 46 OWiG, 273 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen wird, dokumentiert ist. Angesichts der im Messprotokoll niedergelegten Bemerkungen und der eichamtlichen Bescheinigungen des Eichamtes Dortmund vom 18.05.2001 über die zum Vorfallszeitpunkt gültige Eichung der Sensorenkabel und des Eichamtes Düsseldorf vom 23.10.2000 über die zum Vorfallszeitpunkt gültige Eichung des Geschwindigkeitsmessgerätes hat das Gericht keine Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung.
Von dem im Datenfeld des Lichtbildes vom Vorfall ausgewiesenen Messwert von 79 km/h wurde ein Toleranzabzug in Höhe von 3 km/h zugunsten des Betroffenen vorgenommen.

Die Einzelheiten der Verkehrsbeschilderung vor der Messstelle sind gerichtsbekannt.“

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, die er fristgerecht mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet hat. Der Betroffene begehrt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Gütersloh.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt auf die Sachrüge hin zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1. Soweit das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer am 26. Juni 2001 mit dem PKW Porsche begangenen Ordnungswidrigkeit verurteilt hat, ergibt sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils nicht, worauf sich die Überzeugung des Amtsgerichts stützt, dass der Betroffene das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt hat. Auch im Bußgeldverfahren muss die Beweiswürdigung so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung ermöglicht. Das Urteil muss deshalb auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat. Daher sind die tragenden Beweismittel und deren Würdigung anzugeben, wenn der Betroffene die Tat nicht glaubhaft eingeräumt hat (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Randnummern 43 und 43 a m.w.N.). Der Betroffene hat sich ausweislich der Entscheidungsgründe nicht zur Sache eingelassen, so dass es in den Urteilsgründen der Darlegung bedurfte, worauf sich die Überzeugung des Gerichts gründet, der Betroffene sei der Fahrzeugführer gewesen. Hierzu schweigen die Urteilsgründe. Der Senat ist mithin nicht in der Lage zu überprüfen, ob das Amtsgericht die Überzeugung, der Betroffene sei der Fahrer des Fahrzeugs gewesen, rechtsfehlerfrei gewonnen hat. Dieser Darstellungsmangel führt - soweit die angefochtene Entscheidung die Ordnungswidrigkeit am 26. Juni 2001 mit dem PKW Porsche betrifft - zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

2. Auch soweit die Verurteilung eine am 26. Juni 2001 begangene Verkehrsordnungswidrigkeit mit dem PKW Volvo betrifft, beruht die Verurteilung auf einem Rechtsfehler. Aus dem Randtext der in die Hauptverhandlung eingeführten Fotos ergibt sich, dass diese Tat am 26. April 2001 stattgefunden haben soll, während in den Entscheidungsgründen festgestellt ist, die Tat sei am 26. Juni 2001 begangen. Insofern sind die Entscheidungsgründe widersprüchlich. Dieser Widerspruch lässt sich nicht als Schreibfehler oder Versehen deuten, denn das Amtsgericht hat sich in der Beweiswürdigung damit auseinander gesetzt, ob der Betroffene am selben Tage innerhalb einer kurzen Zeitspanne beide Ordnungswidrigkeiten mit jeweils unterschiedlichem PKW begangen haben kann. Mithin war das Gericht der Überzeugung, die Ordnungswidrigkeit sei am 26. Juni 2001 begangen worden. Dieser Widerspruch in der Beweiswürdigung nötigt bereits auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Urteils (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 261 Rdnr. 38). Zudem ist diese (möglicherweise versehentliche) Verlegung des Tatzeitpunkts um zwei Monate für den Betroffenen auch nachteilig, denn Gegenstand der Urteilsfindung kann nur die im Bußgeldbescheid bezeichnete Tat sein. Dem Bußgeldbescheid zufolge soll die Ordnungswidrigkeit am 26. April 2001 begangen worden sein. Stellt das Gericht nach der Beweisaufnahme fest, dass sich die Ordnungswidrigkeit tatsächlich zwei Monate später als im Bußgeldbescheid angegeben ereignet hat, wäre der Betroffene freizusprechen (vgl. Göhler, OWiG,
13. Aufl., § 66 Rdnr. 41 a). Zu Lasten des Betroffenen hat sich bei der Bemessung der Geldbuße ausweislich der Urteilsgründe zudem ausgewirkt, dass er innerhalb einer Zeit von weniger als einer Stunde zwei gleichartige Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen haben soll.

3. Da bereits die Sachrüge zur Aufhebung und Zurückverweisung führt, war es nicht erforderlich, auf die Verfahrensrügen einzugehen.

III.
Für die erneute Verhandlung der Sache weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass - falls der Betroffene weiterhin die Ordnungsgemäßheit der vorgenommenen Messung in Abrede stellt - die Verlesung des Messprotokolls und der eichamtlichen Bescheinigung allein nicht ausreicht, um denkbare Fehlerquellen auszuschließen. Darüber hinaus wird das Amtsgericht im Falle einer erneuten Verurteilung zu prüfen haben, ob die Vorbelastungen des Betroffenen im Zeitpunkt der erneuten Hauptverhandlung bereits tilgungsreif sind.


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