Aktenzeichen: 3 Ss 461/02 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Unterbrechung der Verjährung in den Fällen sukzessiver Tatausführung.
Senat: 3
Gegenstand: Revision
Stichworte: Verfolgungsverjährung; Verjährungsunterbrechung; Teilakt, sukzessive Tatbegehung
Normen: StGB 78, StGB 78a, StGB 263
Beschluss: Strafsache
gegen H.F.,
wegen Betruges hier: Sprungrevision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 08.01.2002
Auf die Sprungrevision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 08.01.2002 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 07. 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Das Verfahren wird gemäß § 206 a StPO auf Kosten der Staatskasse eingestellt, soweit der Angeklagte durch das angefochtene Urteil wegen falscher Angaben in seinem Antrag auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vom 07.12.1994 wegen Betruges verurteilt worden ist.
Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Gelsenkirchen zurückverwiesen.
Gründe:
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 04.06.2002 Folgendes ausgeführt:
I.
Das Amtsgericht Gelsenkirchen hat den Angeklagten am 08.01.2002 wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist (Bl. 227 R, 228, 232 ff. d. A.). Zur Sache hat es unter anderem folgende Feststellungen getroffen:
Am 07.12.1994 beantragte der Angeklagte F. beim Arbeitsamt Gelsenkirchen Arbeitslosenhilfe, wobei er bewusst wahrheitswidrig auf dem Antrag unter Ziff. 8 ankreuzte, er und seine Ehefrau hätten kein Bargeld oder Bankguthaben über 12.000,00 DM inne. Diese Angaben wiederholte er bewusst wahrheitswidrig auf seinen Folgeanträgen zur Bewilligung von Arbeitslosenhilfe am 09.06.1995 und am 04.06.1996. Auf Grund dessen wurden ihm im Zeitraum zwischen dem 30.12.1994 und 03.10.1996 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 24.992,90 DM zuzüglich 9.001,05 DM an Versicherungsleistungen (Kranken- und Pflegekasse) geleistet. Zum Zeitpunkt der Antragstellung verfügte der Angeklagte F. mit seiner Ehefrau jedoch über verwertbares Vermögen in Höhe von 103.439,41 DM, sodass dem Arbeitsamt Gelsenkirchen ein Schaden in Höhe von 33.993,95 DM entstand, da die Arbeitslosenhilfe des Angeklagten F. bei richtigen Angaben für 84 Wochen zum Ruhen gebracht worden wäre. Der Angeklagte handelte in der vorgeschriebenen Weise um Arbeitslosenhilfe zumindest ungekürzt beziehen zu können.
Zur rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:
Hinsichtlich des Angeklagten F. liegt ein Betrug im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB vor, er hat die Leistungssachbearbeiter im Arbeitsamt Gelsenkirchen vorsätzlich über seine wahren Vermögensverhältnisse getäuscht, um bei ihnen hierüber ein Irrtum zu erregen und zu einer Vermögensverfügung in Form der Bewilligung von Arbeitslosenhilfeleistungen zu veranlassen, um sich selbst zu bereichern. Letzteres ist ihm schließlich auch gelangen, auf Seitens des Arbeitsamtes ist ein Vermögensschaden in Höhe von 33.993,19 DM an überzahlten Mitteln entstanden.
Ein Verfolgungshindernis in Gestalt der Verjährung liegt hier nicht vor. Angesichts des durch § 263 StGB normierten Strafrahmens ist gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 von einer fünfjährigen Verjährungsfrist auszugehen, doch beginnt diese gem. § 78 a StGB erst nach Beendigung der Tat. Das ist hier erst in Form der letzten Arbeitslosenhilfezahlung seitens des Arbeitsamtes der Stadt Gelsenkirchen eingetreten, und zwar im Oktober 1996. Zwar datiert die Anklage der Staatsanwaltschaft Essen erst auf den 21.09.2001, doch wurde die Verjährung vorliegend durch Anordnung der verantwortlichen Vernehmung des Angeklagten F. durch die Staatsanwaltschaft am 25.09.2000 unterbrochen, § 78 c Abs. 1 Nr. 1 StGB.
Gegen dieses - seinem Verteidiger - am 18.02.2002 zugestellte (Bl. 240 d. A.) Urteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15.01.2002, eingegangen bei dem Amtsgericht Gelsenkirchen am selben Tage (Bl. 242 d. A.), Revision eingelegt und diese mit der Verletzung materiellen Rechts form- und fristgerecht (Bl. 250 f. d. A.) begründet.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache Erfolg.
Das Verfahren ist gem. § 206 a StPO wegen Verfolgungsverjährung einzustellen, soweit der Angeklagte wegen Betruges durch wahrheitswidrige Angaben in seinem Antrag vom 07.12.1994 auf Bewilligung von Arbeitslosenhilfe gegenüber dem Arbeitsamt Gelsenkirchen verurteilt worden ist.
Die Verjährungsfrist für die Verfolgung eines Betruges beträgt gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Gem. § 78 a StGB beginnt die Verjährungsfrist mit der Beendigung der Tat. Das Amtsgericht ist zu Unrecht hinsichtlich der auf Grund des Antrags vom 07.12.1994 und der Folgeanträge vom 09.06.1995 und 04.06.1996 bewilligten und bis zum 03.10.1996 ausgezahlten Arbeitslosenhilfe nur von einer selbständigen Tat und damit einer Beendigung der Tat im Oktober 1996 ausgegangen.
Eine Tat im Rechtssinn liegt vor, wenn mehrere Handlungen einer Person für die strafrechtliche Bewertung zu einer Handlungseinheit verbunden werden. In den Fällen sukzessiver Tatausführung ist bei der Beurteilung der Reichweite des Tatbegriffs maßgeblich ist, ob die Teilakte einen einheitlichen Lebensvorgang bilden, also die einzelnen Handlungen in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Die Einheitlichkeit des Zieles schafft dabei noch nicht eine Handlungseinheit (zu vgl. Dreher/Tröndle, StGB, 50. Aufl., vor § 52 Rdnr. 2, 2d, 4 m. w. N.).
Die Auszahlung der Arbeitslosenhilfe erfolgte in dem vom Amtsgericht angenommenen Tatzeitraum vom 07.12.1994 bis zum 03.10.1996 auf Grund mehrerer Bewilligungsverfügungen, denen jeweils selbständige Täuschungen zugrunde lagen.
Der Angeklagte beantragte am 07.12.1994 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe. Der zuständige Sachbearbeiter des Arbeitsamtes Gelsenkirchen bewilligte sodann durch Verfügung vom 08.12.1994 (Bl. 19 f. d. A.) für den Zeitraum vom 30.12.1994 bis zum 30.06.1995 Arbeitslosenhilfe. Der Angeklagte stellte gesonderte Anträge auf Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe am 09.06.1995 und am 04.06.1996. In beiden Anträgen gab er an, nicht über Bargeld oder Bankguthaben über 12.000,- DM zu verfügen. Für die Zeiträume vom 01.07.1995 bis zum 30.06.1996 und vom 01.07.1996 bis zum 03.10.1996 erfolgte dann die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe auf Grund der Anträge vom 09.06.1995 und vom 04.06.1995 durch gesonderte Verfügungen des jeweils zuständigen Sachbearbeiters des Arbeitsamtes Gelsenkirchen vom 27.06.1995 (Bl. 17 f. d. A.) und 20.06.1996 (Bl. 23 f. d. A.). Es liegen daher - sofern der Angeklagte über Bargeld oder Vermögen von mehr als
12.000,- DM zum Zeitpunkt der jeweiligen Antragstellung verfügte - jeweils selbständige Täuschungen vor, die dann zu den irrtumsbedingten Vermögensverfügungen durch die Bewilligungsverfügungen vom 08.12.1994, 27.06.1995 und 20.06.1996 führten. Es handelt sich um einzelne, von-
einander abgrenzbare Taten, die nur über die - mittlerweile aufgegebene - Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung als eine Tat angesehen werden könnten.
Die mögliche Täuschung vom 07.12.1994 führte nur zur Auszahlung von Arbeitslosenhilfe im Bewilligungszeitraumes bis zum 30.06.1995. Daher war diese Tat, da nicht ersichtlich ist, daß Arbeitslosenhilfe aus diesem Bewilligungszeitraum noch nach dem 24.09.1995 bei dem Angeklagten einging, bereits vor der Anordnung der verantwortlichen Vernehmung des Angeklagten F. am 25.09.2000 verjährt.
Dagegen ist hinsichtlich der Taten vom 09.06.1995 und 04.06.1996 die Verjährung rechtzeitig durch die Anordnung der verantwortlichen Vernehmung unterbrochen worden. Die Tat vom 09.06.1995 war erst mit Erlangung des letzten Vermögensvorteils beendet. Auf Grund der Verfügung vom 27.06.1995 erfolgten bis zum 30.06.1996 Zahlungen von Arbeitslosenhilfe, sodass diese Tat erst mit dem Ende des Bewilligungszeitraumes beendet war und damit noch nicht verjährt ist.
Das angefochtene Urteil kann auch im Übrigen keinen Bestand haben. Da das Amtsgericht lediglich von einer Tat ausgegangen ist, fehlen die erforderlichen Feststellungen, welche Verfügungen auf Grund der Täuschungen in den Folgeanträgen vom 09.06.1995 und 04.06.1996 getroffen worden sind und in welcher Höhe jeweils ein Schaden eingetreten ist.
Auf die erhobene Sachrüge ist das angefochtene Urteil daher aufzuheben, soweit das Verfahren nicht eingestellt wird.
Dem tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei.
Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, beruht die Kostenentscheidung auf § 467 Abs. 1 StPO. Von der Möglichkeit des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, weil das Verfahrenshindernis der teilweisen Verjährung bereits vor der Klageerhebung eingetreten war (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 467 Rdnr. 18 m. w. N.).
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