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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 159/02 OLG Hamm

Leitsatz: Der Ablehnungsgrund der verspäteten Antragstellung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG setzt voraus, dass die beantragte Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung führen müsste.
Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Beweisantrag, Ablehnung, Verspätung, Aussetzung der Hauptverhandlung; Unterbrechung, OWi-Verfahren, Begründung der Verfahrensrüge

Normen: OWiG 77, StPO 229, StPO 344

Beschluss: Bußgeldsache
gegen K.R.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß
§§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Herford vom 04.12.2001 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 2. Juli 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

1. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

2. Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Herford hat durch Urteil vom 04.12.2001 die Betroffene wegen Führen eines PKWs ohne Anlegen des vorgeschriebenen Sicherheitsgurts (§ 21 a StVO) zu einer Geldbuße von 60,- DM verurteilt. Das Amtsgericht hat seine Über zeugung davon, dass die Betroffene gegen § 21 a Abs. 1 StVO verstoßen hat, auf die Aussage des Polizeibeamten POM Böker gestützt. In den Urteilsgründen heißt es im Anschluss an die Beweiswürdigung:

„Weitere Zeugen waren nicht zu hören. Der Verteidiger hat im Termin am 04.12.2001 zwar weitere Zeugen genannt für die Behauptung, dass die Betroffene am Tag des Vorfalls ordnungsgemäß während der Fahrt angegurtet war. Eine Vernehmung der Zeugen hätte zur Aussetzung der Hauptverhandlung geführt. Die Zeugen hätten auch rechtzeitig vor der Hauptverhandlung benannt werden können. In Anbetracht auch der Bedeutung der Sache war die weitere Beweiserhebung nicht angezeigt.“

Gegen das Urteil richtet sich der Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit der die allgemeine Sachrüge erhoben und unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen Rechts gerügt wird.

II.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, weil es gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG geboten war, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.

Bei dieser Entscheidung handelt es sich um eine Entscheidung der Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG.

Die Betroffene hat zwar die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht ausdrücklich erhoben. Sie hat aber geltend gemacht, ihr in der Hauptverhandlung am 04.12.2001 gestellter Beweisantrag auf Vernehmung der Zeugen R. und L. sei rechtsfehlerhaft mit der Begründung zurückgewiesen worden, er sei verspätet und könne deshalb keine Berücksichtigung finden. Diese Rüge ist auch noch in zulässiger Form erhoben worden. Gemäß § 344 Abs. 2 S. 2 StPO müssen bei der Rüge der Verletzung formellen Rechts die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Das Revisionsgericht muss allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen können, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 344 Randziffer 21). Diesen Anforderungen genügt die im vorliegenden Verfahren erhobene Verfahrensrüge allerdings nicht, da der Inhalt des von der Betroffenen in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages überhaupt nicht und der daraufhin ergangene Gerichtsbeschluss jedenfalls nicht vollständig mitgeteilt worden ist. Das mangelhafte Rechtsbeschwerdevorbringen ist vorliegend aber letztlich unschädlich, da die Betroffene auch die allgemeine Sachrüge erhoben hat. Dadurch ist dem Senat der Rückgriff auf die Urteilsgründe ermöglicht (vgl. BGHSt 36, 385), aus denen sich der durch die Betroffene gestellte Beweisantrag sowie der wesentliche Inhalt des diesen zurückweisenden Gerichtsbeschlusses ergibt.

Durch die Ablehnung des Beweisantrages der Betroffenen hat das Amtsgericht deren Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, dass Beweisanträge, auf die es für die Entscheidung ankommt, vom Gericht berücksichtigt werden müssen, sofern nicht Gründe des Prozessrechts es gestatten oder dazu zwingen, sie unbeachtet zu lassen (BVerfG NJW 1996, 2785, 2786 m.w.N.). Die Ablehnung eines Beweisantrages ohne nachvollziehbare, auf das Gesetz zurückführbare Begründung, die unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist, verletzt deshalb das rechtliche Gehör (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811; Beschluss des 4. Senats für Bußgeldsachen des OLG Hamm vom 10.03.1999 - 4 Ss OWi 634/99 - m.w.N.).

Das Grundrecht der Betroffenen auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG ist hier verletzt, da die Zurückweisung des Beweisantrags der Betroffenen rechtsfehlerhaft erfolgt ist und dazu geführt hat, dass ein verfahrensrelevanter Beweisantrag und das diesem zugrunde liegende Vorbringen der Betroffenen unberücksichtigt geblieben sind.

Der Amtsrichter hat vorliegend die Ablehnung des Beweisantrages auf § 77 Abs. 2 Ziffer 2 OWiG gestützt. Denn sowohl in dem im Anschluss an den Beweisantrag verkündeten Gerichtsbeschluss vom 04.12.2001 als auch in den Urteilsgründen wird die Ablehnung des Beweisantrages damit begründet, die Beweismittel seien verspätet vorgebracht worden und eine Vernehmung der Zeugen würde zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung führen. Darüber hinaus heißt es in dem Gerichtsbeschluss, der im Hauptverhandlungstermin verkündet worden ist, dass das Gericht den Sachverhalt für ausreichend aufgeklärt erachte. Der zusätzlichen Erwähnung der Vorschrift des § 77 Abs. 2 Ziffer 1 OWiG in diesem Beschluss kommt ersichtlich keine eigenständige Bedeutung zu. Denn weitere Ausführungen, die eine Ablehnung des Beweisantrages zumindest auch auf diese Vorschrift stützen, enthält weder der Beschluss vom 04.12.2001 noch das angefochtene Urteil.

Nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG kann ein Beweisantrag abgelehnt werden, wenn das Gericht den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme als geklärt ansieht und nach seiner freien Würdigung das Beweismittel und die zu beweisenden Tatsachen ohne verständigen Grund so spät vorgebracht worden sind, dass die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde.

Im vorliegenden Verfahren ist allerdings davon auszugehen, dass es der Betroffenen möglich und auch zumutbar gewesen wäre, die beiden von ihr in der Hauptverhandlung benannten Zeugen R. und L. früher zu benennen. Das in der Rechtsbeschwerdebegründung angeführte Argument, schon aus Kostengründen sei es gerechtfertigt gewesen, die beiden Entlastungszeugen erst in der Hauptverhandlung zu benennen, greift nicht. Denn dadurch, dass der Beweisantrag erst in der Hauptverhandlung gestellt worden ist, hat sich das Risiko der Betroffenen, im Falle ihrer Verurteilung für die Auslagen der von ihr benannten Zeugen aufkommen zu müssen, nicht verringert. Falls sich bereits im ersten Hauptverhandlungstermin herausgestellt hätte, dass die Aussagen der als Belastungszeugen geladenen Polizeibeamten zu einer Überführung der Betroffenen nicht ausreichen, wäre die Betroffene freizusprechen gewesen mit der Folge, dass sie etwaige für von ihr benannte Zeugen entstandene Kosten nicht zu tragen hätte. Soweit sich der Verteidiger der Betroffenen in der Rechtsbeschwerdebegründung außerdem inhaltlich mit der Aussage des Zeugen Böker auseinandersetzt, lässt sich aus diesem Vorbringen jedenfalls ein verständiger Grund dafür, dass die Zeugen L. und R. erst in der Hauptverhandlung benannt worden sind, nicht erkennen.

Der Ablehnungsgrund der verspäteten Antragstellung gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG setzt aber außerdem voraus, dass die beantragte Beweiserhebung zu einer Aussetzung der Hauptverhandlung führen müsste. Darunter ist nur die Aussetzung nach § 228 StPO mit der Folge, dass die Hauptverhandlung neu durchgeführt werden muss, nicht auch eine Unterbrechung der Hauptverhandlung i.S.v. § 229 StPO gemeint (vgl. Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, 3. Aufl., § 77 Randziffer 12; Senge in KK, OWiG, 2. Aufl., § 77 Randziffer 22; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 77 Randziffer 20). Der Richter muss sich deshalb vor der auf § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG gestützten Ablehnung eines Beweisantrages Gewissheit darüber verschaffen, ob die Hauptverhandlung mit der beantragten Beweiserhebung innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO fortgeführt werden kann. Ohne eine solche Prüfung, die sich vorliegend weder aus dem Hauptverhandlungsprotokoll noch aus den Urteilsgründen ergibt, durfte daher der Beweisantrag der Betroffenen nicht gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG zurückgewiesen werden. Die Erforderlichkeit einer Vertagung der Hauptverhandlung liegt im vorliegenden Fall auch nicht auf der Hand. Vielmehr ist angesichts dessen, dass die Betroffene in ihrem Beweisantrag die Namen und Anschriften beider Zeugen angegeben hat und beide Zeugen am Gerichtsort wohnhaft sind, davon auszugehen, dass die beantragte Beweiserhebung binnen 10 Tagen und damit innerhalb der Frist des § 229 Abs. 1 StPO hätte durchgeführt werden können.

III.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Herford zurückzuverweisen.


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