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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 55/2002 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG, wenn der Betroffene eine ambulante Therapie anstrebt

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Zurückstellung der Strafvollstreckung, ambulante Therapie, Ermessen, Überprüfbarkeit der Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden

Normen: BtMG 35

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend M.M.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden,(hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 3. Juni 2002 auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 23. April 2002 in der Form des Beschwerdebescheids des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 27. Mai 2002 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 07. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts in Hamm beschlossen:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Verfahrens werden bei einem Gegenstandswert von 2.500 Euro dem Betroffenen auferlegt.

Gründe:
Der Antragsteller ist durch Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 21. Juni 2001 wegen räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden. Das Urteil ist seit dem 7. September 2001 rechtskräftig. Mit Verfügung vom 31. Oktober 2001 ist die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 35 BtMG im Hinblick auf eine angestrebte stationäre Therapie in der Therapieeinrichtung Westfälisches Zentrum für Forensische Psychiatrie in Lippstadt zurückgestellt worden. Der Verurteilte wurde am 5. November 2001 aus der Justizvollzugsanstalt Dortmund in die angestrebte Therapie entlassen. Am 21. Dezember 2001 hat der Verurteilte die Therapie abgebrochen. Daraufhin wurde die Zurückstellung der Strafvollstreckung mit Verfügung vom 16. Januar 2002 widerrufen. Am 26. Mai 2002 ist der Verurteilte aufgrund Haftbefehls vom 17. Januar 2002 zur Fortsetzung der Vollstreckung in dieser Sache festgenommen worden und befindet sich seitdem in der Justizvollzugsanstalt Dortmund.

Mit Schreiben vom 18. März 2002 hat der Antragsteller über seinen Verteidiger die erneute Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG im Hinblick auf eine ambulante Therapie beantragt. Diesbezüglich hat er sodann ein Schreiben des behandelnden Arztes Joachim Thielmann vom 22. März 2002 vorgelegt, in welchem dieser mitgeteilt hat, es gäbe kein ambulantes Therapiekonzept zur Behandlung der Drogensucht, vielmehr sei die Persönlichkeitsstörung und deren Bewältigung Inhalt der Therapie und behandele damit auch die Drogensucht. Das Arzt-Patienten-Verhältnis lasse sich sicher nicht durch Kontrollen und Auflagen herstellen. Bei Therapieabbruch werde er die Staatsanwaltschaft umgehend informieren.

Mit Verfügung vom 23. April 2002 hat die Staatsanwaltschaft Dortmund die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG abgelehnt, da die Voraussetzungen für eine Zurückstellung nicht vorlägen. Zur Begründung ist weiterhin ausgeführt, eine ambulante Therapie könne eine Zurückstellung nur begründen, wenn das Therapiekonzept Art, Umfang und Dauer der Behandlung, Beratung und Kontrolle des Abhängigen festlegten. Es müsse ferner bestimmen, dass Drogenkonsum als Therapieabbruch gewertet und der Vollstreckungsbehörde gemeldet werde. Der behandelnde Arzt Thielmann teile in seinem Schreiben vom 22. März 2002 mit, dass es kein ambulantes Therapiekonzept gebe. Das Arzt-Patienten-Verhältnis lasse sich sicher nicht durch Kontrollen oder Auflagen herstellen. Die angestrebte Therapie erfülle daher nicht die Voraussetzungen des § 35 BtMG.

Die gegen diesen Bescheid gerichteten Einwendungen des Antragstellers wurden mit Bescheid des Generalstaatsanwalts vom 27. Mai 2002 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt:

„Zwar darf die Justiz die Zurückstellung der Strafvollstreckung nicht von einer bestimmten Therapieform abhängig machen, wenn sich der Verurteilte zu der Therapie bereit erklärt, der Therapieplatz und die Kosten gesichert sind und die gewünschte Therapieeinrichtung den Probanden behandeln will und Erfolgsaussichten sieht. Dies gilt auch, soweit die Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG im Hinblick auf eine ambulante Therapie erstrebt wird, zumal nach dem Willen des Gesetzgebers ambulante Therapieformen verstärkt genutzt werden sollen (zu vgl. hierzu OLG Stuttgart, StV 1994, 30 ff. m.w.N.).
Eine ambulante Therapie kann eine Zurückstellung jedoch nur dann begründen, wenn Art, Umfang und Dauer der Behandlung, Beratung und Kontrolle des Probanden klar festgelegt sind. Des weiteren muss das Konzept der ambulanten Therapie Regelungen enthalten, ob steigender Drogengebrauch und Straftaten während der ambulanten Therapie als Therapieabbruch gewertet und den Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden (zu vgl. Körner,
NStZ 1998, 227, 230 ff. m.w.N.; Weber, BtMG, § 35 Rdnr. 75 ff. m.w.N.).
Die an den Verurteilten zu stellenden Anforderungen dürfen auch bei einer ambulanten Therapie nicht zu stark abgesenkt werden. Notwendig ist, dass sie nicht deutlich geringer sind als bei einer stationären Therapie (OLG Stuttgart, a.a.O.). Von besonderer Bedeutung sind daher die notwendigen Kontrollen. Darauf, dass die Therapie von ständigen, vorher nicht angekündigten Urinkontrollen begleitet wird, kann nicht verzichtet werden (Weber, a.a.O., m.w.N.).

Die Staatsanwaltschaft Dortmund weist in ihrem Bescheid vom 23. April 2002 zutreffend darauf hin, dass diese Voraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind, da der behandelnde Arzt Joachim Thielmann in Schwerte bereits ein Therapiekonzept im oben dargestellten Sinne nicht hat vorlegen können. Ihr Hinweis, die Suchterkrankung solle nicht isoliert, sondern vielmehr die zugrunde liegende Persönlichkeitsstörung behandelt werden, vermag deshalb eine andere Bewertung nicht zu rechtfertigen. Hinzu kommt, dass der behandelnde Arzt zwar einen Therapieabbruch der Staatsanwaltschaft umgehend mitteilen, im Übrigen aber wohl mit Rücksicht auf das Arzt-Patienten-Verhältnis auf Kontrollen und Auflagen verzichten will.“

Gegen diesen Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft richtet sich der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG.

Der Antrag ist nicht begründet. Die Ablehnung der Zurückstellung der weiteren Strafvollstreckung durch die Staatsanwaltschaft Dortmund ist nicht zu beanstanden.

Die angefochtenen staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen sind für den Senat nur eingeschränkt nachprüfbar. Denn bei der Frage, ob einem Verurteilten Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zum Zwecke einer Entzugstherapie zu bewilligen ist, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Eine solche Ermessensentscheidung ist gemäß § 28 Abs. 3 EGGVG rechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Staatsanwaltschaft die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten hat oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist und ob die Vollstreckungsbehörde den Sachverhalt in dem gebotenen Umfang unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat (OLG Hamm NStZ 1982, 483, 484; NStZ 1983, 827; OLG Hamm, Beschluss vom 1. Dezember 1998 - 1 VAs 75/98 -).

Derartige Rechtsfehler liegen hier nicht vor.

Zwar ist heute anerkannt, dass auch die Zurückstellung der Strafvollstreckung zur Durchführung einer ambulanten Behandlung zulässig ist und dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Denn danach sollen ambulante Therapieformen in verstärktem Maße genutzt werden. Durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 9. September 1992 wurden in der u.a. die Anrechnung der Behandlungszeit regelnden Vorschrift des § 36 Abs. 1 S. 1 BtMG die Worte (Einrichtung) „in der die freie Gestaltung seiner Lebensführung erheblichen Beschränkungen unterliegt,“ gestrichen. In der Begründung dazu wird darauf hingewiesen, dass mit dieser Einschränkung in der Praxis die Möglichkeit verbaut werde, die in der letzten Zeit entwickelten ambulanten Therapiemodelle im Rahmen der Zurückstellung der Strafvollstreckung zu nutzen, da diese nur dann in Frage kämen, wenn die jeweilige Therapiezeit auch auf die Strafe angerechnet werden könnte. Die Streichung der einengenden Bestimmung zur Qualifizierung der Therapieeinrichtung soll die gebotene Ausweitung ermöglichen. Dabei bedarf jedoch die Beurteilung ambulanter Therapien einer besonders sorgfältigen Prüfung. Aus einem anzuerkennenden ambulanten Therapiekonzept müssen Art, Umfang und Dauer der Behandlung, Beratung und Kontrolle des Probanden klar hervorgehen. Schließlich muss das Konzept der ambulanten Therapie Regelungen enthalten, ob steigender Drogenbeigebrauch und Straftaten während der ambulanten Therapie als Therapieabbruch gewertet und den Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden. Bei ambulanten Therapieformen kommt eine Zurückstellung der Strafvollstreckung dann nicht in Betracht, wenn hierdurch an den Verurteilten unzureichende Anforderungen gestellt werden. Nicht nur die Probanden, auch die Behandlungskonzepte müssen einer Kontrolle unterliegen. Die Zurückstellung gemäß § 35 BtMG im Rahmen einer ambulanten Therapie bedarf daher einer besonders sorgfältigen Prüfung (OLG Stuttgart, StV 1994, 30; OLG Köln, StV 1995, 649;
Beschluss des Senats vom 30. Juli 1996 - 1 VAs 33/96 -; Körner, BtMG, § 35
Rdnr. 102 ff.).

Die von dem Verurteilten angestrebte ambulante Therapie erfüllt diese Voraussetzungen in wesentlichen Punkten nicht. Der behandelnde Arzt hat in seinem Schreiben vom 22. März 2002 selbst mitgeteilt, dass er über kein ambulantes Therapiekonzept zur Behandlung der Drogensucht verfügt. Nach seiner Auffassung ist die Behandlung der Persönlichkeitsstörung und deren Bewältigung Inhalt der Therapie. Als Dauer der Behandlung sind zunächst 25 Stunden Psychotherapie vorgesehen. Hierbei handelt es sich nicht um ein Therapiekonzept im oben ausgeführten Sinne. Dies wird selbst von dem behandelnden Arzt ausdrücklich festgestellt. Darüber hinaus will der behandelnde Arzt mit Rücksicht auf das Arzt-Patienten-Verhältnis auf Kontrollen und Auflagen verzichten. Auch dies steht im Widerspruch zu den Anforderungen an eine ambulante zurückstellungsfähige Therapie i.S.d. § 35 BtMG. Zwar hat sich Herr Thielmann bereiterklärt, einen Therapieabbruch der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Es ist indes nicht festgelegt, wann von einem Therapieabbruch auszugehen ist. So fehlen jegliche Angaben dazu, ob Drogenbeigebrauch oder erneute Straftaten als Therapieabbruch gewertet werden sollen. Des weiteren fehlt es an begleitenden, unangemeldeten Urinkontrollen. Zwar sind nach den Ausführungen des Verteidigers Drogenkontrolluntersuchungen durch den Hausarzt in regelmäßigen Abständen vorgesehen. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass es sich hierbei um für den Antragsteller vorher nicht angekündigte Termine handelt. Auch fehlt es an einer Festlegung, wie sich ein ggf. positives Drogenscreening auf die Therapie auswirken soll. Nach alledem entspricht die von dem Antragsteller angestrengte ambulante Therapie nicht den an eine i.S.d. § 35 BtMG berücksichtigungsfähige Therapie zu stellenden Anforderungen. Die Ablehnung der Zurückstellung durch die Staatsanwaltschaft ist daher nicht zu beanstanden.

Demnach war der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu verwerfen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.


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