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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 342/02 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung wegen lange zurückliegender Taten und wenn ein zeitnaher Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung im Wesentlichen an Umständen gescheitert ist, die nicht dem Verurteilten, sondern allein der Justiz anzulasten sind.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Widerruf von Strafaussetzung, lange zurückliegende Taten, zeitnaher Widerruf, Verhältnismäßigkeit

Normen: StGB 56 f

Beschluss: Strafsache

gegen F.B.
wegen Betruges (hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der 16. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 05.06.2002 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01. 08. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Beschwerdeführers beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Gesamtstrafe von neun Monaten aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Essen vom 09.02.1995 wird dem Beschwerdeführer nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Essen hat den Beschwerdeführer am 19.10.1994 wegen Betruges in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Mit Gesamtstrafenbeschluss vom 09.02.1995, rechtskräftig seit dem 23.02.1995, hat das Amtsgericht Essen diese Gesamtstrafe im Rahmen einer anderweitigen Gesamtstrafenbildung bestehen lassen und die Bewährungszeit auf nunmehr zwei Jahre und acht Monate, beginnend mit der Rechtskraft des Gesamtstrafenbeschlusses, festgesetzt. Die Bewährungszeit lief damit am 22.10.1997 ab. Sie ist dann in der Folgezeit zwei Mal verlängert worden, zuletzt mit Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 08.12.1998 auf vier Jahre und acht Monate bis zum 22.10.1999.

Wegen einer am 07.12.1998 begangenen Straftat des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, durch die der Beschwerdeführer durch Urteil des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 07.10.1999 - 16 Ds 113/99 - zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden war, die er in der Zeit vom 25.10.2000 bis zum 23.02.2001 verbüßt hat, hatte zunächst das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr mit Beschluss vom 31.10.2000 die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen, und zwar irrtümlich die durch das in den Gesamtstrafenbeschluss einbezogene Urteil des Amtsgerichts Essen vom 19.10.1994 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten.

Am 23.02.2001 ist der Beschwerdeführer aus der Verbüßung der vorgenannten Freiheitsstrafe von vier Monaten entlassen worden. Als Entlassungsanschrift hat er Kölner Straße 265 in 45481 Mülheim angegeben.

In der Zwischenzeit war das Bewährungsheft in vorliegender Sache außer Kontrolle geraten. Offenbar ist dann der Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 31.10.2000 infolge der durch die Strafvollstreckung begründeten Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer aufgehoben und die Sache der zuständigen Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht in Bielefeld vorgelegt worden. Diese hat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.04.2001 zum Widerruf schriftlich angehört, allerdings unter der nicht mehr aktuellen Anschrift K.straße 77 in M.
Das Landgericht Bielefeld hat mit Beschluss vom 20.06.2001 die Aussetzung der Vollstreckung der durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 31.10.2000 verhängten Freiheitsstrafe widerrufen, gemeint war offenbar das Urteil des Amtsgerichts Essen vom 19.10.1994, das bereits in dem zwischenzeitlich aufgehobenen Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr irrtümlich als Urteil des Amtsgerichts Essen „vom 31.10.2000“ bezeichnet worden war.
Die Strafvollstreckungskammer hat dann wiederum in der Folgezeit ihren Irrtum bemerkt und hat mit erneutem Beschluss vom 05.06.2002 ihren Widerrufsbeschluss vom 20.06.2001 „zur Klarstellung dahingehend berichtigt, dass widerrufen wird die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom 19.10.1994 in Verbindung mit dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Essen vom 09.02.1995.

Gegen diesen ihm am 11.06.2002 zugestellten Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner am 13.06.2002 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenen sofortigen Beschwerde vom 13.06.2002, die sein Verteidiger mit weiterem Schreiben vom 26.07.2002 begründet hat.

II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache vollen Erfolg.
Die sofortige Beschwerde ist zunächst zulässig, insbesondere innerhalb der Beschwerdefrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden. Maßgebend ist insoweit allein die Zustellung des Beschlusses der Strafvollstreckungskammer vom 05.06.2002. Bei diesem Beschluss handelt es sich nämlich um den allein maßgeblichen Widerrufsbeschluss, da der vorangegangene Widerrufsbeschluss der Strafvollstreckungskammer vom 20.06.2001 bereits deshalb ins Leere ging, weil die dort widerrufene Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Essen vom
- richtigerweise - 19.10.1994 nicht mehr existierte, da sie in dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Essen vom 09.02.1995 aufgegangen war.

Der Widerruf der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten aus dem vorgenannten Gesamtstrafenbeschluss durch die Strafvollstreckungskammer ist aber zu Unrecht erfolgt, da ein Widerruf zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr verhältnismäßig wäre. Die der zu widerrufenden Gesamtfreiheitsstrafe zugrunde liegenden Taten datieren nämlich aus dem Zeitraum vom 18.06.1993 bis zum 07.09.1993, also aus einem Zeitraum, der mittlerweile neun Jahre zurückliegt. Auch die Bewährungszeit aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Essen ist seit mittlerweile fast drei Jahren abgelaufen. Ein zeitnaher Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung scheiterte im Wesentlichen auch an Umständen, die nicht dem Beschwerdeführer, sondern allein der Justiz anzulasten sind. So erging die Widerrufsentscheidung durch das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr mit Beschluss vom 31.10.2000 zwar zeitnah zu der am 29.06.2000 eingetretenen Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 07.10.1999, durch das der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten ohne Bewährung verurteilt worden war. Diese Entscheidung erging jedoch durch das unzuständige Gericht, weil der Verurteilte sich bereits seit dem 25.10.2000 in Strafhaft befand und damit die Strafvollstreckungskammer zuständig war. Die Strafvollstreckungskammer benötigte dann in der Folgezeit fast acht Monate, um eine erneute Widerrufsentscheidung zu treffen, die dann allerdings ins Leere ging, weil eine Strafe widerrufen wurde, die durch die Einbeziehung in den Gesamtstrafenbeschluss nicht mehr existierte. Sodann dauerte es ein weiteres Jahr, bis die Strafvollstreckungskammer die nunmehr angegriffene Widerrufsentscheidung treffen konnte. Mittlerweile war die Vollstreckung der Freiheitsstrafe, die Anlass zu dem Widerruf gab, aber bereits seit einem Jahr und vier Monaten erledigt.

Angesichts dieses Zeitablaufs und der damit verbundenen Versäumnisse der Justiz blieb dem Senat keine Möglichkeit als die der Aufhebung des angefochtenen Widerrufsbeschlusses und des für diesen Fall vom Gesetz vorgesehenen Straferlasses gemäß § 56 g Abs. 1 S. 1 StGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung von § 473 Abs. 3, 4 StPO.


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