Aktenzeichen: 3 (s) Sbd. 1 - 6/02 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Frage, welches das im Sinne der §§ 464 b StPO, 103 ff. ZPO für die Kostenfestsetzung zuständige Gericht des ersten Rechtszuges ist, wenn die Rechtskraft der ursprünglich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung durch ein Wiederaufnahmeverfahren beseitigt worden ist und sodann das gemäß §§ 367 Abs. 1 StPO, 140 a GVG für das Wiederaufnahmeverfahren zuständige Gericht in der Sache erneut entschieden hat.
Senat: 3
Gegenstand: Zuständigkeitsbestimmung
Stichworte: Zuständigkeitsbestimmung, Gericht des ersten Rechtszuges, Wiederaufnahmeverfahren
Normen: StPO 464 b StPO, ZPO 103, StPO 367, GVG 140 a
Beschluss: Strafsache
gegen C.K.
wegen Bedrohung, (hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts).
Auf die Vorlage der Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19. 09. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und
den Richter am Landgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm sowie der Generalstaatsanwaltschaft Hamm beschlossen:
Das Amtsgericht Essen-Steele ist für die Festsetzung der dem ehemaligen Angeklagten K. im Wiederaufnahmeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zuständig.
Gründe:
Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Essen-Steele vom 27.12.2000, der am 24.01.2001 rechtskräftig geworden ist, wurde der ehemalige Angeklagte K. zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen diese Verurteilung betrieb er erfolgreich das Wiederaufnahmeverfahren. Er wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 14.01.2002 unter gleichzeitiger Aufhebung des vorgenannten Strafbefehls des Amtsgerichts Essen-Steele freigesprochen. Mit Schriftsatz vom 22.01.2002 hat der Verteidiger des ehemaligen Angeklagten beim Amtsgericht Dortmund die Festsetzung der seinem Mandanten im Wiederaufnahmeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen beantragt. Sowohl das Amtsgericht Dortmund als auch das Amtsgericht Essen-Steele haben jeweils ihre Zuständigkeit für das Kostenfestsetzungsverfahren und damit für die Festsetzung der notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten verneint. Das Amtsgericht Essen-Steele hat daher mit Verfügung vom 07.08.2002 die Sache dem Oberlandesgericht Hamm gemäß § 14 StPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit vorgelegt.
Das Amtsgericht Essen-Steele war im vorliegenden Verfahren als das für die Auslagenfestsetzung zuständige Gericht zu bestimmen.
Gemäß §§ 464 b StPO, 103 ff. ZPO ist für die Kostenfestsetzung das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Welches Gericht bzw. welcher Spruchkörper eines Gerichts als Gericht des ersten Rechtszuges anzusehen ist, wenn die Rechtskraft der ursprünglich ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung durch ein Wiederaufnahmeverfahren beseitigt worden ist und sodann das gemäß §§ 367 Abs. 1 StPO, 140 a GVG für das Wiederaufnahmeverfahren zuständige Gericht in der Sache erneut entschieden hat, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 30.10.1990 - 2 ARs 422/90 -, veröffentlicht in BGHR, § 464 b, Zuständigkeit 1 sowie in NStZ 1991, 145, ausgeführt, dass nach Zurückverweisung einer Sache an ein anderes Gericht gemäß § 354 Abs. 2 StPO für das Kostenfestsetzungsverfahren das zuerst mit dem Verfahren befasste Gericht zuständig sei. Dieses sei Gericht des ersten Rechtszuges i.S.d. §§ 464 b StPO, 103 ff. ZPO. Die Zurückverweisung an ein anderes Gericht gemäß § 354 StPO bestimme nur die weitere Zuständigkeit für das Erkenntnisverfahren. Sinn und Zweck der Zurückverweisung an ein anderes Gericht erforderten regelmäßig keine Ausdehnung der Zuständigkeit dieses Gerichts über das Urteil hinaus auf die nach dessen Rechtskraft erforderlich werdenden weiteren Entscheidungen.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ist auch im vorliegenden Verfahren dasjenige Gericht, das mit der Sache erstmals befasst worden ist, als Gericht des ersten Rechtszuges i.S.d. § 464 b StPO anzusehen. Dass ein Wiederaufnahmeverfahren sich auf ein rechtskräftig beendetes Verfahren bezieht, eine Zurückverweisung durch das Revisionsgericht gemäß § 354 Abs. 2 StPO dagegen im Rahmen eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens erfolgt, schließt eine Vergleichbarkeit der beiden Fallkonstellationen nicht aus. Insbesondere lässt sich daraus nicht herleiten, dass das Wiederaufnahmeverfahren ein selbständiges, von dem früheren Verfahren völlig losgelöstes Verfahren darstellt mit der Folge, dass als Gericht des ersten Rechtszuges i.S.d. § 464 b StPO nur das im Wiederaufnahmeverfahren erstinstanzlich entscheidende Gericht angesehen werden könnte. Denn das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme des Verfahrens weist einen rechtsmittelähnlichen Charakter auf. Auf das Wiederaufnahmeverfahren finden gemäß § 365 StPO die allgemeinen Vorschriften über Rechtsmittel entsprechende Anwendung. Bei einer erfolgreichen Durchführung des Wiederaufnahmeverfahrens wird die Strafsache wieder in das Hauptverfahren zurückversetzt. Ein Wiederaufnahmeverfahren stellt daher im Ergebnis eine Fortsetzung des ursprünglichen Hauptverfahrens dar (vgl. OLG München AnwBl. 1973, 363 betreffend die zivilrechtliche Restitutionsklage). Dass im Strafprozessverfahren gemäß §§ 367 StPO, 140 a GVG ein anderes Gericht als dasjenige, dessen Entscheidung angefochten wird, für die Durchführung des Wiederaufnahmeverfahrens örtlich zuständig ist, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Denn mit dieser Zuständigkeitsbestimmung wird ebenso wie der in § 354 Abs. 2 StPO getroffenen Regelung, dass das Revisionsgericht, wenn es in der Sache nicht selbst entscheidet, das Verfahren an einen anderen Spruchkörper des Gerichtes, dass die angefochtene Entscheidung erlassen hat oder an ein anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen hat, der Zweck verfolgt, dem Angeklagten ein unparteiliches und faires Verfahren in der neuen Hauptverhandlung zu gewährleisten und vor allem den Anschein einer möglichen Voreingenommenheit der zur Entscheidung berufenen Richter von vornherein auszuschließen (vgl. Kuckein in KK, StPO, 4. Aufl., § 354 Randziffer 29; Schmidt in KK, a.a.O., § 140 a GVG, Randziffer 5; Franke in LR, StPO, 25. Aufl., § 140 a GVG, Randziffer 5).
Diese Zielsetzung erfordert es aber nicht, die für das Wiederaufnahmeverfahren getroffene Zuständigkeitsregelung über den rechtskräftigen Abschluss der erneuten Hauptverhandlung hinaus auch auf das Kostenfestsetzungsverfahren auszudehnen (vgl. BGH a.a.O.). Denn im Kostenfestsetzungsverfahren spielt der Gesichtspunkt der Unparteilichkeit keine Rolle. Es sind auch keine sonstigen Gesichtspunkte ersichtlich, die dafür sprechen könnten, eine Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichtes im Wiederaufnahmeverfahren auch für das ohnehin nicht mehr zum Strafverfahren gehörende Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 464 b StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 464 b Randziffer 2) anzunehmen. Für die hier vertretene Auffassung spricht insbesondere auch die gesetzliche Regelung des § 462 a Abs. 6 StPO, wonach, wenn ein Wiederaufnahmeverfahren stattgefunden hat, das Gericht, das eine Entscheidung in der neuen Hauptverhandlung gemäß § 373 StPO getroffen hat, als Gericht des ersten Rechtszuges gilt. Diese ausdrückliche Bestimmung wäre nämlich nicht erforderlich gewesen, wenn nach Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens dasjenige Gericht, das erstinstanzlich im Wiederaufnahmeverfahren tätig wird, regelmäßig als Gericht des ersten Rechtszuges anzusehen wäre. Die Vorschrift des § 372 StPO bezeichnet dieses Gericht zwar als Gericht des ersten Rechtszuges. Sie regelt aber nur die Beschwerdemöglichkeit gegen Entscheidungen im Rahmen des Wiederaufnahmeverfahrens und gibt daher keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung hinsichtlich der Zuständigkeit für das Kostenfestsetzungsverfahren. Das Amtsgericht Essen-Steele ist daher im vorliegenden Verfahren für die Kostenfestsetzung zuständig.
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