Aktenzeichen: 2 Ss 590/02 OLG Hamm
Leitsatz: Der Nebenkläger, der Revision eingelegt hat, ist verpflichtet, spätestens in der Revisionsbegründung deutlich zu machen, dass er mit seinem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, namentlich dass das Urteil wegen einer zum Anschluss als Nebenkläger berechtigenden Gesetzesverletzung angefochten wird. Für die insoweit erforderliche Begründung des Rechtsmittels ist die bloße Behauptung der Tatbestandsverwirklichung eines grundsätzlich nebenklagefähigen Deliktes durch den Nebenkläger nicht ausreichend.
Senat: 2
Gegenstand: Revision
Stichworte: Nebenkläger, Revision, Begründung, erforderlicher Umfang
Normen: StPO 400
Beschluss: Strafsache
gegen G.K.,
wegen fahrlässiger Tötung.
Auf die Revision des Nebenklägers F.B. 25. März 2002 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 7. Februar 2002 und auf die sofortige Beschwerde des Nebenklägers gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des Amtsgerichts Bochum vom 7. Februar 2002 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts in Hamm am 30. 09. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seiner Verteidigers gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Nebenklägers wird als unzulässig verworfen.
Der Nebenkläger hat die Kosten der Revision und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Zur Entscheidung über die Kosten- und Auslagenbeschwerde wird die Sache an die insoweit zuständige Strafkammer des Landgerichts Bochum abgegeben.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 60 verurteilt worden. Das Amtsgericht hat außerdem ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt. Zur Begründung des gemäß § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt abgesetzten Urteils hat das Amtsgericht auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bochum vom 30. Mai 2001 verwiesen. Danach befuhr der Angeklagte am 16. Januar 2001 gegen 14.30 Uhr in Bochum mit seinem Pkw die Ruhrstraße in Richtung Gartenstraße. In Höhe der Straße "Lönsberg" überquerte zu diesem Zeitpunkt Frau E.B., geboren am 11. August 1915, aus der Sicht des Angeklagten von links kommend die Ruhrstraße. Da der Angeklagte durch die tiefstehende Sonne geblendet wurde, nahm er Frau B. erst wahr, als diese bereits die Straßenmitte erreicht hatte und versuchte, wegen des herannahenden Fahrzeuges schnell die Straße zu überqueren. Da der Angeklagte seine Geschwindigkeit nicht den Sichtverhältnissen angepasst hatte, gelang es ihm nicht mehr, seinen Pkw rechtzeitig zum Stillstand zu bringen. Frau B. wurde vom Pkw erfasst und erlitt dabei mehrere Brüche und schwere innere Verletzungen. Infolge dieser Verletzungen verstarb sie am 17. Januar 2001 gegen 21.55 Uhr auf der Chirurgischen Intensivstation des Krankenhauses Bergmannsheil in Bochum.
Gegen dieses Urteil richtet sich die (Sprung-)Revision des Nebenklägers, mit der die formelle und materielle Rüge erhoben wird. Zur Begründung der formellen Rüge beruft sich der Nebenkläger darauf, dass weder er noch sein Verteidiger zur Hauptverhandlung geladen worden sind, obwohl er durch Beschluss des Amtsgerichts vom 5. November 2001 als Nebenkläger zugelassen worden sei. Seine Sachrüge begründet der Nebenkläger mit den nach seiner Ansicht unzureichenden Urteilsgründen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision zu verwerfen und die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils, das eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Nebenklägers nicht enthält, dahin abzuändern, dass die notwendigen Auslagen des Nebenklägers dem Angeklagten auferlegt werden.
II.
Die Revision ist unzulässig und war deshalb gemäss § 349 Abs. 1 StPO zu verwerfen. Der Nebenkläger ist durch das angefochtene Urteil nämlich nicht beschwert.
§ 400 Abs. 1 StPO normiert für Rechtsmittel des Nebenklägers entsprechend seiner Interessenlage besondere Beschränkungen hinsichtlich des dem Nebenkläger grundsätzlich zustehenden Anfechtungsrecht gegen die ergangene Entscheidung. Danach ist die Anfechtung eines Urteils durch den Nebenkläger sowohl mit dem Ziel, dass gegen den Angeklagten eine andere insbesondere härtere Rechtsfolge verhängt wird als auch wegen einer Gesetzesverletzung, die den Nebenkläger nicht zum Anschluss nach § 395 StPO berechtigt, unzulässig. Zulässig ist die Anfechtung dagegen, wenn geltend gemacht wird, eine Rechtsvorschrift über ein den anfechtenden Nebenkläger betreffendes Nebenklagedelikt sei verletzt und der Angeklagte insoweit zum Beispiel zu Unrecht freigesprochen oder das Nebenklagedelikt sei zu Unrecht nicht in den Schuldspruch der Entscheidung aufgenommen worden (vgl. dazu BGHSt 41, 140, 144; BGH JZ 1988, 367; OLG Oldenburg GA 1992, 471, 472; Hilger in Löwe-Rosenberg, 25. Aufl., § 400 Rn. 11; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., 2001, § 400 Rn. 4, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Es besteht daher die Verpflichtung des Nebenklägers, spätestens in der Revisionsbegründung deutlich zu machen, dass er mit seinem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, namentlich dass das Urteil wegen einer zum Anschluss als Nebenkläger berechtigenden Gesetzesverletzung angefochten werde (BGH NStZ-RR 2001, 266 bei Becker, BGH, Beschluss vom 17.11.1999 1 StR 469/99, bei http://www.caselaw.de; BGH NStZ 1999, 259; NStZ 1997, 97; BGH DAR 1994, 193 bei Nehm; BGH StV 1992, 456). Für die insoweit erforderliche Begründung des Rechtsmittels (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 400 Rn. 5 f. mit weiteren Nachweisen) ist allerdings die bloße Behauptung der Tatbestandsverwirklichung eines grundsätzlich nebenklagefähigen Deliktes durch den Nebenkläger nicht ausreichend. Die behauptete Tatbestandsverwirklichung muss den Nebenkläger vielmehr auch zum Anschluss berechtigen, d. h. es muss zumindest die entfernte rechtliche Möglichkeit einer Verurteilung nach dem nebenklagefähigen Straftatbestand bestehen (vgl. dazu u.a. die o.a. Nachweise aus der Rechtsprechung des BGH).
In diesem Zusammenhang entspricht die Prüfungskompetenz des Revisionsgerichtes den zur Anschlussbefugnis als solcher entwickelten Grundsätzen. Letzteres folgt daraus, dass der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 400 StPO die Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers eingeschränkt und seiner Verfahrensstellung und Interessenlage angepasst hat (vgl. dazu BT-Dr. 10/5305, S. 15). Diesem Anliegen des Gesetzgebers würde nicht hinreichend Rechnung getragen werden, wenn der Nebenkläger eine Prüfung in der Sache allein dadurch erreichen könnte, dass er die Nichtaburteilung eines möglicherweise völlig fernliegenden Nebenklagedelikts rügt.
Den dargestellten Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Vorliegend macht der Nebenkläger zwar geltend, dass das Amtsgericht den Angeklagten rechtsfehlerhaft nicht (auch) wegen Körperverletzung mit Todesfolge gemäss § 227 StGB verurteilt habe. Dies allein führt jedoch - wie dargelegt - nicht zur Annahme der Beschwer des Nebenklägers. Vielmehr führt die vom Senat insoweit vorzunehmende Prüfung der Frage, ob eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB nach der Schilderung der tatsächlichen Vorgänge in der Anklageschrift und den Ausführungen des Nebenklägers deren Richtigkeit unterstellt materiell-rechtlich zumindest möglich erscheint, dazu, dass eine solche Verurteilung fern liegt.
Nach Auffassung des Senate scheidet schon eine Verwirklichung des Grunddelikts der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB durch den Angeklagten aus. Sowohl nach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bochum als auch nach den darauf beruhenden, im Hinblick auf § 267 Abs. 4 StPO zutreffend knappen Feststellungen des Amtsgerichts scheidet eine vorsätzliche Tatbegehung aus. Insoweit wäre - wenn überhaupt - allenfalls an das Vorliegen von Eventualvorsatz zu denken. Dieser ist nach ständiger Rechtsprechung dann gegeben, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und billigt (vgl. dazu u.a. BGHSt 36, 1, 9, BGH NStZ 1999, 507, 508; NStZ-RR 1997, 233). Die Annahme von Billigung liegt dabei nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz äußerster Gefährlichkeit durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und wenn er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht.
Davon kann vorliegend auf keinen Fall ausgegangen werden. Ausweislich der Konkretisierung des Anklagesatzes nahm der Angeklagte die Getötete erst wahr, als diese bereits die Straßenmitte erreicht hatte. Es gelang ihm dann aufgrund seiner überhöhten Geschwindigkeit nicht mehr, sein Fahrzeug rechtzeitig zum Stillstand zu bringen. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte beim Befahren der Ruhrstraße davon ausging, dass Fußgänger die Straße passieren könnten, enthält die Anklageschrift nicht. Auch die Ausführungen der Revision verhalten sich hierzu nicht. Alleine die von der Revision angeführte Ortskundigkeit des Angeklagten genügt nicht für die Annahme, dieser habe mit der Möglichkeit des Erfolgseintritts gerechnet, zumal die Revisionsrechtfertigung keine Aussage darüber trifft, ob die Unfallstelle üblicherweise von Fußgängern zum Überqueren der Straße benutzt wird und damit einem Ortskundigen als besonders gefährlich bekannt ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Revision auf die Sonnenblendung. Nach Auffassung des Senats liegt die Annahme, der Angeklagte habe die Gefährlichkeit einer Fahrt unter diesen Bedingungen erkannt, seine Fahrt aber dennoch mit überhöhter Geschwindigkeit fortgesetzt, fern.
Nach allem scheidet damit eine Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge gem. § 227 StGB aus. Damit ist der Nebenkläger durch die (nur) erfolgte Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung nicht beschwert.
2. Zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des angefochtenen Urteils war die Sache an die insoweit zuständige Strafkammer des Landgerichts Bochum abzugeben. Für eine Entscheidung über dieses Rechtsmittel ist der Senat nicht (mehr) zuständig.
Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich insbesondere nicht aus § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO. Diese Vorschrift trifft eine Sonderregelung über die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beschwerde für den Fall, dass gleichzeitig die Kosten- und Auslagenentscheidung eines Urteils mit der sofortigen Beschwerde und die Entscheidung zur Hauptsache mit Berufung oder Revision angefochten wird. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die selbständige Kostenbeschwerde sich bei erfolgreicher Anfechtung der Hauptentscheidung von selbst erledigt und es bei Nichterfolg von Berufung oder Revision nicht verfahrenswirtschaftlich wäre, wenn die Sache allein wegen des Kostenangriffs an ein anderes Gericht weitergeleitet werden müsste (BayObLG VRS 50, 443, 444; Hilger, a.a.O., § 464 Rn. 66).
Die besondere Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts besteht aber nur, wenn und solange es mit dem Rechtsmittel der Hauptsache befasst ist. Dabei ist der Begriff des Befassens im Sinne einer sachlichen Prüfung des Hauptrechtsmittels auszulegen. § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO ist unanwendbar und das Beschwerdegericht muss über die Kosten- und Auslagenentscheidung entscheiden, wenn dem Rechtsmittelgericht eine Sachentscheidung auf die Berufung oder Revision verwehrt ist, weil es z.B. nur eine Formalentscheidung nach §§ 319 Abs. 2, 346 Abs. 2, 322 Abs. 1 Satz 1, 349 Abs. 1 StPO zu treffen hatte (BGH; Beschluss vom 31. August 1998 in 5 StR 420/98 zur Verwerfung mangels Beschwer und Beschluss vom 4. April 1985 in 5 StR 224/85 zur unzulässigen Nebenklägerrevision, beide zitiert bei Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 464 Rn. 25; OLG Düsseldorf MDR 1985, 785; BayObLG MDR 1976, 951). Das ist vorliegend der Fall. Damit ist der Senat mit der Revision nicht (mehr) im Sinne des § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO befasst und war die Sache insoweit an die zuständige Beschwerdekammer beim Landgericht Bochum abzugeben.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO
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