Aktenzeichen: 1 Ss 743/02 OLG Hamm
Leitsatz: Dadurch, dass ein Vertreter die Urkunde mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnet, wird diese nicht unecht. Abzustellen ist allein darauf, ob die Erklärung inhaltlich von der als Aussteller erscheinenden Person herrührt.
Senat: 1
Gegenstand: Revision
Stichworte: Urkundenfälschung, unechte Urkunde, Unterzeichnung durch den Vertreter, Geistigkeitstheorie
Normen: StGB 267, StGB 263, StPO 267
Beschluss: Strafsache
gegen A.C.
wegen Betruges und Urkundenfälschung
Auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 13. Mai 2002 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24. 09. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und der Angeklagten bzw. ihres Verteidigers einstimmig beschlossen:
Das Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte wegen Urkundenfälschung in drei Fällen verurteilt worden ist, sowie im Gesamtstrafenausspruch.
Im Rahmen der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Siegen, welche auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben wird, zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen.
Gründe:
Die Angeklagte wurde durch das Landgericht Siegen am 13. Mai 2002 wegen Urkundenfälschung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Diesem Urteil liegen folgende tatsächliche Feststellungen zugrunde:
Der Arbeitskollege J.K. des Ehemannes der Angeklagten hatte im September 2000 Probleme wegen der zahlreichen Versicherungsverträge, die er abgeschlossen hatte. Seine Ehefrau hatte ihn verlassen und er ging davon aus, dass er zu viele Versicherungen habe und einige kündigen könne. Von finanziellen Problemen konnte keine Rede sein. K. wollte lediglich die überflüssigen Versicherungen kündigen. Er kannte die Angeklagte, die mit ihrem Ehemann in einem Haus neben dem Werksgelände des Betriebes wohnte, in dem K. und der Ehemann der Angeklagten arbeiteten. Da K. der deutschen Sprache nur insoweit mächtig ist, dass er sich im Alltag verständigen kann, bat er die Angeklagte, ihm bei den Versicherungen behilflich zu sein. Ob er sie selbst fragte oder ihren Ehemann, konnte nicht mehr hinreichend sicher festgestellt werden. Er kam jedenfalls mit seinen Unterlagen eines Tages zu den Eheleuten C.. Die Angeklagte sah den Ordner durch und sagte K. dann, welche Versicherungen er ihrer Ansicht nach nicht brauchte. Man kam überein, dass die Angeklagte für K. einen Bauspar- und einen Lebensversicherungsvertrag kündigen sollte. Darüber hinaus war noch die Rede von einer Unfallversicherung, die zum Ruhen gebracht werden sollte.
Die Angeklagte setzte noch an diesem Tag, dem 11. September 2000, drei Vollmachten auf, die K. unterzeichnete. Sie haben folgenden Wortlaut:
1. Hiermit bevollmächtigte ich Frau A. C. meine Angelegenheiten mit der Provinzialversicherung zu regeln, kündigen und in Empfang zu nehmen. Die Post bitte an die Adresse von Frau A. C. schicken. Tel....
2. Hiermit bevollmächtige ich Frau A. C. meine Angelegenheiten mit der Allianz Versicherung zu regeln, kündigen bzw. in Empfang zu nehmen + einzulösen.
3. Hiermit bevollmächtige ich Frau A. C. meine Angelegenheiten mit der Wüstenrot Bausparkasse zu regeln, kündigen und in Empfang zunehmen. Die Post bitte an die Adresse von Frau A. C. schicken.
Die Angeklagte setzte am folgenden Tag Kündigungsschreiben an die Westfälische Provinzial bzgl. der Lebensversicherung und an die Bausparkasse Wüstenrot bzgl. des Bausparvertrages auf, wobei sie diesen nach dem Wortlaut des Schreibens zunächst nur teilweise kündigen wollte. Ob dies mit K. so abgesprochen war, konnte nicht festgestellt werden. In beiden Kündigungsschreiben findet sich der Satz, dass K. das Geld dringend benötigte, weshalb um sofortige Erledigung gebeten werde und dass das Geld per Scheck ausgezahlt werden solle, der an die Angeklagte zu senden sei. Unter beiden Kündigungsschreiben befindet sich der Namenszug K.. Diese Unterschriften stammen nicht von K., sondern von der Angeklagten, die die Unterschriften nachmachte. Sie sandte die Schreiben an die Versicherung bzw. die Bausparkasse.
Die Angeklagte wurde sodann von der Bausparkasse informiert, dass eine Teilkündigung des Vertrages nicht möglich sei. Sie verfasste daraufhin unter dem 19. September 2000 ein weiteres Schreiben, durch das sie mitteilte, dass der Bausparvertrag nun ganz gekündigt und das Guthaben auf ein Konto bei der Postbank Dortmund überwiesen werden sollte. Auch unter dieses Schreiben setzte die Angeklagte die nachgeahmte Unterschrift K..
Zur Abwicklung der Lebensversicherung benötigte die Versicherungsgesellschaft den Versicherungsschein. Die Angeklagte teilte auf Nachfrage mit, dass dieser nicht aufzufinden sei. Die Versicherung sandte ihr daraufhin eine vorbereitete Erklärung zu, in der der Versicherungsnehmer versichert, den Versicherungsschein nicht in seinem Besitz und ihn an keine andere Person ausgehändigt zu haben. Unter diese Erklärung setzte die Angeklagte das Datum 13. September 2000 und die nachgemachte Unterschrift K.. Die Erklärung entsprach nicht den Tatsachen. K. befand sich im Besitz des Versicherungsscheins; die Angeklagte hatte ihn nicht darauf angesprochen.
Kurze Zeit nach dem 11. September 2000 suchte die Angeklagte K. zusammen mit ihrem Ehemann auf. Während ihr Mann in seinem Pkw sitzen blieb, stieg sie aus. Sie sagte K., dass die Gelder Ende des Jahres ausgezahlt würden. Sie legte ihm ein Schreiben vor und erklärte dazu, dass er es unterschreiben solle, damit das ihm zustehende Geld in zwei Raten ausgezahlt werden könne, da er so keine Steuern darauf zahlen müsse. Sollte er alles auf einmal bekommen, würden Steuern anfallen. K. unterschrieb daraufhin mindestens ein vielleicht auch zwei von der Angeklagten vorbereitete Schreiben auf der Scheibe der Beifahrertür des Pkw des Ehemannes der Angeklagten. Er überprüfte den Inhalt dieser Schreiben nicht.
Die aus den Kündigungen entstehenden Guthaben in Höhe von 10.885,-- DM bzgl. der Lebensversicherung und 4.172,98 DM aus dem Bausparvertrag wurden in Form von Barschecks an die Angeklagte gesandt, die das Geld nicht an K. auszahlte, sondern für sich verbrauchte.
Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt setzte die Angeklagte ein Schreiben folgenden Inhalts auf: Vollmacht Hiermit bevollmächtige ich Frau A C. die Schecks (Lebensvers. + Bausparvertrag) entgegenzunehmen und einzulösen, da ich dieses aus persönlichen Gründen nicht auf meinem Konto möchte. Des weiteren stelle ich ihr das Geld zur Regelung ihrer Angelegenheiten zur Verfügung. Ich weiß, daß sie eine größere Summe bekommen wird und sie mir davon das Geld zurück zahlt. Zur Kenntnis genommen: Unterschrift K.. Siegen, 14.10.00 Die Unterschrift K. ahmte die Angeklagte nach. Dieses Schreiben legte sie später zur Abwehr der Rückforderungsansprüche des K. vor.
Nachdem K. Mitte April 2001 aus einer Rehabilitationsmaßnahme zurückkam, die er aufgrund einer im Januar 2001 aufgetretenen Erkrankung mitmachen musste, fragte er die Angeklagte nach dem Geld. Sie erklärte ihm zunächst, dass sie das Geld an die Versicherung bzw. die Bausparkasse zurück geschickt habe. K. erkundigte sich und erfuhr, dass die Barschecks, die die Versicherung bzw. die Bausparkasse an die Angeklagte gesandt hatte, eingelöst worden waren. Zu diesem Zeitpunkt schaltete er einen Rechtsanwalt ein. Die Angeklagte kündigte mehrfach an, sie werde das Geld zurückzahlen, verfüge zur Zeit aber nicht über genügend Mittel, sondern warte auf ein Darlehen von ihrer Schwägerin, das aber erst nach der Durchführung deren Scheidung ausgezahlt werde. Bis jetzt hat sie noch nichts an K. gezahlt.
Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeklagte aufgrund der vorliegenden Persönlichkeitsauffälligkeiten in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war.
Dieses Verhalten hat die Strafkammer als Urkundenfälschung in fünf Fällen gewürdigt. Den noch vom Amtsgericht tateinheitlich angenommenen Betrug in zwei Fällen hat es demgegenüber nicht für gegeben erachtet, da es nicht ausschließen konnte, dass der Geschädigte damit einverstanden war, dass das Geld zunächst an die Angeklagte gesandt wurde.
Gegen diese in ihrer Anwesenheit verkündete Entscheidung hat die Angeklagte unter dem 14.05.2002 Revision eingelegt, welche beim Landgericht am 15. Mai 2002 eingegangen ist. Nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger unter dem 24.06.2002 hat dieser die Revision mit Schriftsatz vom 24.07.2002, beim Landgericht am gleichen Tage eingegangen, begründet. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der Verfahrensrüge macht er geltend, das Landgericht sei verpflichtet gewesen, zur Frage der Echtheit der Urkunden ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.
Die auf die materielle Rüge hin erfolgte Überprüfung des Urteils führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Urkundenfälschung in drei Fällen und der hierfür verhängten drei Einzelstrafen, sowie der Gesamtstrafe.
Soweit das Landgericht in der Fertigung der Kündigungsschreiben gegenüber der Westfälischen Provinzial Lebensversicherung und der zwei Schreiben an die Bausparkasse Wüstenrot bezüglich des Bausparvertrages eine Urkundenfälschung gesehen hat, tragen die - bisherigen - Feststellungen eine Verurteilung nicht. Trotz des von der Angeklagten nachgeahmten Namenszuges des Geschädigten unter diesen drei Erklärungen liegt nach den zugrunde zu legenden Feststellungen im Urteil eine falsche Urkunde nicht vor. Denn das Landgericht hat festgestellt, dass die Beklagte vom Geschädigten mit der Kündigung der Versicherungen beauftragt und ausdrücklich hierzu bevollmächtigt war. Die Erklärungen in den Kündigungs-
schreiben waren daher rechtsgeschäftlich dem Geschädigten zuzurechnen. Der rechtsgeschäftliche Inhalt der Erklärungen stammte daher auch tatsächlich von dem als Aussteller erscheinenden K. her. Diese Erklärungen wurden gerade mit seinem Willen abgegeben. Dadurch, dass ein Vertreter die Urkunde mit dem Namen des Vertretenen unterzeichnet, wird diese nicht unecht (vgl. OLG Düsseldorf NJW 93, 1872; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 267 RN 18; Schönke/Schröder-Cramer, StGB, 26. Aufl., § 267 RN 58 m.w.N.). Abzustellen ist allein darauf, ob die Erklärung inhaltlich von der als Aussteller erscheinenden Person herrührt (Geistigkeitstheorie).
Der Senat hat davon abgesehen, die Verurteilte aufgrund der zugrunde liegenden Feststellungen bereits jetzt wegen der Urkundsdelikte freizusprechen. Denn die Feststellungen zu der Frage, ob die Angeklagte tatsächlich die Erklärungen in dem Umfange abgeben durfte, wie dies gegenüber den Versicherungen geschehen ist, sind unvollständig und teilweise in sich widersprüchlich. So führt die Kammer im Rahmen der Beweiswürdigung aus, die Vollmachten seien hinsichtlich der Frage, an wen die Gelder auszuzahlen seien, nicht eindeutig. So sei ihnen nicht klar zu entnehmen gewesen, an wen die Gelder hätten ausgezahlt werden sollen. Andererseits hat sie die Verurteilung wegen Betruges in zwei Fällen nicht aufrecht erhalten, weil sie nicht ausschließen konnte, dass tatsächlich die Angeklagte die Auszahlung des Geldes an sich verlangen konnte. Bei der erneuten Verhandlung wird die Kammer diese Frage abzuklären haben. Bleibt das Ergebnis weiter offen, ist nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu verfahren.
Darüber hinaus konnte ein Freispruch deshalb nicht erfolgen, da sich die Kammer nicht hinreichend mit den mit der Urkundenfälschung tateinheitlich mitangeklagten Vermögensdelikten auseinander gesetzt hat.
Selbst wenn die Angeklagte vom Geschädigten vollumfänglich mit der Abwicklung beauftragt war und Urkundsdelikte insoweit ausscheiden, ist zu prüfen, ob die Angeklagte nicht von Anfang an die Absicht hatte, die bei Abwicklung des Auftrages an sie übersandten Schecks für sich zu verwenden. Die im Urteil mitgeteilten Vorstrafen, welche auf ähnlichem Gebiet liegen, und der tatsächliche Geschehensablauf können für eine solche Feststellung sprechen. In einem solchen Fall kann in dem Erschleichen der Vollmacht bereits ein Betrug gesehen werden. Denn durch die Erteilung der Vollmachten verfügte der Geschädigte bereits unmittelbar über sein Vermögen.
Lässt sich ein entsprechender Wille der Angeklagten jedoch nicht feststellen, wird das Landgericht zu prüfen haben, ob in der Einlösung der ihr übersandten Schecks eine Unterschlagung oder aber in der Nichtauszahlung des Geldes eine Untreue zu sehen ist. Eine Unterschlagung wird dann anzunehmen sein, wenn die jeweilige Versicherung die Schecks an die Angeklagte als Vertreterin des Geschädigten übersandt hat. Dann sollte nach dem erkennbaren Willen der Versicherung die Übereignung hinsichtlich der Scheckurkunde gemäß § 929 BGB zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer erfolgen. Ein entsprechender entgegenstehender innerer Wille der Angeklagten wäre dann ohne Belang. Der Scheck wäre dann eine fremde bewegliche Sache für sie gewesen.
Erfolgte die Übereignung jedoch unmittelbar an die Angeklagte - z.B. als Treuhänderin -, entsprechende Feststellungen ließen sich durch die Anforderung der Übersendungsschreiben bei der Versicherung treffen, war sie nach dem zugrunde liegenden Auftrag mit dem Geschädigten zur Weiterreichung der Schecks oder zur Auszahlung der bei der Einlösung erlangten Beträge verpflichtet. Die Verletzung dieser Pflicht kann den Tatbestand des § 266 StGB erfüllen.
Die Kammer ist auch nicht durch § 331 StPO an einer entsprechenden Änderung des Schuldspruches gehindert. Sie darf lediglich die bislang verhängten Einzelstrafen und die Gesamtstrafe nicht überschreiten. Auch § 264 StPO hindert eine ent-
sprechende Urteilsfindung nicht, da die möglicherweise verwirklichten Eigentums- und Vermögensdelikte von der Anklage mit umfasst sind. Es handelt sich insoweit prozessrechtlich um eine Tat.
Der Senat hat die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen, soweit die Angeklagte wegen Urkundenfälschung durch Fertigung der Vollmacht vom 14.09.2000 und der Erklärung vom 13.09.2000 über den Verlust des Versicherungsscheins gegenüber der Provinzial Versicherung verurteilt worden ist. Die für diese beiden Delikte verhängten Einzelstrafen von je drei Monaten konnten bestehen bleiben. Es ist nicht ersichtlich, dass die anderen Delikte Auswirkungen auf diese Einzelstrafen hatten.
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