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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 791/02 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der Begründung und der tatsächlichen Feststellungen bei Festsetzung einer erheblichen Geldbuße, mit der u.a. auch der wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft werden soll.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Festsetzung einer erheblichen Geldbuße, wirtschaftlicher Vorteil, Umfang der tatsächlichen Feststellungen, Abschöpfung

Normen: SGB III 284, SGB III 284, OWiG 17, StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache
gegen M.F.
wegen Verstoßes gegen §§ 284, 404 SGB III.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 27. Juni 2002 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 03. 10. 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter (§ 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Arbeitsamt Bochum erließ gegen den Betroffenen am 29. Januar 2001 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 404 Abs. 2 Nr. 2, 284 Abs. 1 Satz1 SGB einen Bußgeldbescheid in Höhe von 21.000 DM. Der Betroffene legte dagegen Einspruch ein. Das AG Bochum verurteilte ihn dann mit Urteil vom 4. Oktober 2001 wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 404 Abs. 2 Nr. 2, 284 Abs. 1 Satz1 SGB III zu einer Geldbuße von 5.000 DM. Dazu hat es folgende tatsächliche Feststellungen getroffen.

„Der Betroffene ist Geschäftsführer der Firma H.S. in Herne. In dieser Eigenschaft stellte er den ausländischen Staatsbürger S.B. zum 1. 3. 2000 ein und beschäftigte ihn bis zum 30.4.2000. Dabei übersah der Betroffene, dass der S.B. diesbezüglich nicht über eine gültige Arbeitserlaubnis verfügte. B. hatte zwar eine Arbeitserlaubnis bis zum 27. 7. 2000, doch galt diese nur für den Bereich der Stadt Dortmund und nur für die dortige Firma M. Bei entsprechend sorgfältiger Betrachtung der schriftlichen Arbeitserlaubnis hätte der Betroffene dies auch erkennen können. Immerhin hat der Betroffene den Arbeitnehmer sofort entlassen, nachdem er vom Arbeitsamt auf die Sach- und Rechtslage aufmerksam gemacht worden war.“

Auf die dagegen gerichtete, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat mit Beschluss vom 24. Januar 2002 (2 Ss OWi 1172/01 OLG Hamm) das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen. Dabei hat der Senat unter Anführung seiner ständigen Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die Begründung des Rechtsfolgenausspruchs in keiner Weise den insoweit von der Rechtsprechung des Senats aufgestellten Anforderungen entspricht.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen nun durch das angefochtene Urteil erneut wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 404 Abs. 2 Nr. 2, 284 Abs. 1 Satz1 SGB zu einer Geldbuße, dieses Mal in Höhe von 2.500 EURO, verurteilt. Dazu hat es Folgendes aus-geführt:

„Der Betroffene ist Geschäftsführer der Firma H.S. GmbH in Herne. In der Zeit vom 01.03.2000 bis zum 30.04.2000 beschäftigte er den jugoslawischen Staatsbürger S.B., obwohl dieser nicht in Besitz der hierfür gültigen Genehmigung war. Tatsächlich hatte dieser ausländische Arbeitnehmer dem Betroffenen lediglich eine Arbeitsgenehmigung des Arbeitsamtsbezirkes Dortmund vom 27. Januar 2000 für eine Beschäftigung bei der Firma M. in Dortmund vorgelegt. Dass es sich hierbei um keine gültige Arbeitserlaubnis für die Arbeitsaufnahme bei der Firma H.S. in Herne handelte, hätte der Betroffene bei gehöriger Sorgfalt erkennen können und erkennen müssen."

Zur Bemessung der Geldbuße hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Bei der Bemessung der Geldbuße war zu Gunsten des Betroffenen zunächst zu berücksichtigen, dass dieser den Ordnungsverstoß fahrlässig begangen hat. Allerdings konnte hierbei auch nicht unbeachtet bleiben, dass es sich um eine grobe Fahrlässigkeit handelte, da bereits ein einfacher Blick in die Arbeitserlaubnis genügt hätte, um zu erkennen, dass diese für die Beschäftigung des ausländischen Arbeitnehmers bei der Firma des Betroffenen nicht ausreicht. Zu Lasten des Betroffenen war daneben zu berücksichtigen, dass die Beschäftigung über einen nicht unerheblichen Zeitraum erfolgt ist. Demgegenüber war ein finanzieller Vorteil durch die Beschäftigung des ausländischen Staatsbürgers nicht erkennbar.

Unter Berücksichtigung sämtlicher für und gegen den Betroffenen sprechender Umstände erschien die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 2.500 EURO als schuldangemessen."

Dagegen wendet sich der Betroffene erneut mit der Rechtsbeschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat wiederum beantragt, die Rechtsbeschwerde im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und erneut begründet.

Vorab weist der Senat auf folgendes hin: Der Betroffene hatte bereits sein Rechtsmittel gegen die amtsgerichtliche Entscheidung vom 4. Oktober 2001 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Demgemäss hat der Senat, da die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen für den der Verurteilung zugrunde gelegten fahrlässigen Verstoß gegen § 404 Abs. 2 Nr. 2, 284 Abs. 1 Satz1 SGB III ausreichend waren, das angefochtene Urteil nur im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, so dass der Schuldspruch und die ihn tragenden tatsächlichen Feststellungen der amtsgerichtlichen Entscheidung vom 4. Oktober 2001 in Rechtskraft erwachsen sind.

Auf dieser Grundlage ist es dem Senat unverständlich, dass das Amtsgericht - wie die Ausführungen im angefochtenen Urteil zeigen - in der Hauptverhandlung vom 27. Juni 2002 erneut tatsächliche Feststellungen getroffen hat. Dabei bleibt allerdings offen, auf welche Beweismittel diese Feststellungen zurückgehen. Nach dem angefochtenen Urteil sollen die Feststellungen "auf der geständigen Einlassung des Betroffenen" beruhen. Dieser hat aber ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung erklärt: "Ich bin zur Äußerung nicht bereit".

Die damit zusammenhängenden Rechtsfragen können allerdings dahinstehen. Das Amtsgericht hat nämlich keine anderen tatsächlichen Feststellungen getroffen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt als in der Entscheidung vom 4. Oktober 2001 getroffen worden sind. Zum anderen war das angefochtene Urteil schon wegen eines anderen Rechtsfehlers aufzuheben.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Aufhebungsantrag wie folgt begründet:

"Zwar liegt die Bußgeldbemessung grundsätzlich im Ermessen des Tatrichters. Ihre Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht beschränkt sich daher darauf, ob der Tatrichter von zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (zu vgl. OLG Düsseldorf VM 91, Nr. 4 m.w.N.). Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind nach § 17 Abs. 3 OWiG die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit bemisst sich unter anderem nach dem mit ihr einhergehenden wirtschaftlichen Vorteil für den Betroffenen (zu vgl. Gewerbearchiv 98, 299). Der wirtschaftliche Vorteil ist vom Tatrichter konkret zu berechnen. Gegebenenfalls muss er sich hierbei der Hilfe eines Sachverständigen oder sachverständiger Zeugen bedienen. Trotz der erheblichen Darlegungslast ist im Urteil eine sorgfältige Saldierung vorzunehmen, in die die Aufwendungen des Betroffenen in Zusammenhang mit der Durchführung des Geschäfts wie Lohn-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Sozialversicherungsbeiträge einfließen (KK-OWiG Steindorf, § 17 Rdnr. 126, 128). Bereits aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das Gericht eine Sachaufklärung lediglich durch Anhörung des Betroffenen betrieben hat. Soweit sich die Begründung der Rechtsfolgenentscheidung darauf beschränkt, dass ein finanzieller Vorteil durch die Beschäftigung des ausländischen Staatsbürgers nicht erkennbar sei, entspricht diese nicht den aufgestellten Berechnungsanforderungen.

Auch die Ausführungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen sind lückenhaft, da auf eine Überprüfung der Gewinnbeteiligung des Betroffenen von seiner Firma verzichtet wurde und lediglich sein monatliches Grundgehalt abzüglich der Unterhaltsverpflichtung zu Grunde gelegt wurde.

Schließlich fehlen in der Urteilsbegründung Feststellungen und Ausführungen zur Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen bei der Bemessung der Geldbuße, wie bereits im Beschluss des Senats vom 24.01.2002 - 2 Ss OWi 1172/01 - in vorliegender Sache bemängelt worden ist
(Bl. 25 - 26 d.A.)."

Dem tritt der Senat nach eigener Prüfung erneut bei und weist zusätzlich noch auf Folgendes hin:

Die vermissten Feststellungen und Ausführungen sind insbesondere deshalb von Bedeutung, weil nur sie einen zuverlässigen Rückschluss auf die Bedeutung der dem Betroffenen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit zulassen. Auch lässt sich ohne die weiteren Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen nicht abschließend beurteilen, ob die festgesetzte, verhältnismäßig hohe Geldbuße dem Betroffenen angesichts seiner wirtschaftlichen Verhältnisse überhaupt zumutbar ist. In dem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass die dem Betroffenen zur Last gelegte Fahrlässigkeit auch keineswegs als so grob eingeordnet werden kann, wie es offenbar das Amtsgericht tut.

Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht bei der erneut erforderlichen Bemessung nun auch den langen Zeitablauf zu berücksichtigen haben wird, der zwischen der Tat im Frühjahr 2000 und der erneuten Entscheidung des Amtsgerichts liegt.

Es ist im Übrigen auch hinsichtlich der Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen unerfindlich, wie das Amtsgericht diese hat feststellen können. Es ist bereits darauf hingewiesen, dass der Betroffene ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung nicht zur Äußerung bereit gewesen ist.

Da nach allem neue tatsächliche Feststellungen zu treffen sind, war für eine eigene Entscheidung des Senats nach § 79 Abs. 6 OWiG kein Raum. Demgemäss ist die Sache an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen worden. Der Senat hat noch keinen Gebrauch gemacht von der ihm in § 79 Abs. 6 Halbsatz 2 OWiG eingeräumten Möglichkeit, die Sache an ein anderes Amtsgericht zurückverweisen zu können.


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