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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ss OWi 693/02 OLG Hamm

Leitsatz: Der Tatrichter muss, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung zu ermöglichen, neben dem angewandten Messverfahren und dem festgestellten Messwert auch den berücksichtigten Toleranzwert mitteilen.

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Aufhebung, Geschwindigkeitsüberschreitung, Messverfahren, Mitteilung des Toleranzwertes, Erhöhung der Geldbuße, Fahrverbot

Normen: StVO 3

Beschluss: Bußgeldsache gegen A.P.
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 6. Juni 2002 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 08. 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.

Gründen: Das Amtsgericht Paderborn hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 500,00 Euro und einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt, wobei es die Anordnung über die Wirksamkeit des Fahrverbots gemäß § 25 Abs. 2 a StVG getroffen hat. Nach den getroffenen Feststellungen soll der Betroffene am 8. November 2001 auf der Bundesautobahn A 44 in Büren die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 78 km/h überschritten haben.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene unter Erhebung der allgemeinen Sachrüge mit der Rechtsbeschwerde.
Das zulässige Rechtsmittel hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung sind lückenhaft; sie ermöglichen dem Rechtsbeschwerdegericht, dem ein Rückgriff auf die Akten verwehrt ist, nicht die Überprüfung einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung und einer fehlerfreien Anwendung des Rechts.
Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, welches Messverfahren angewandt wurde und in welchem Umfang Ungenauigkeiten bei der Geschwindigkeitsmessung Berücksichtigung gefunden haben. Da die Zuverlässigkeit der verschiedenen Meßmethoden und ihr vom Tatrichter zu beurteilender Beweiswert naturgemäß voneinander abweichen, kann es hier grundsätzlich nicht mit der Wiedergabe der als erwiesen erachteten Geschwindigkeit sein Bewenden haben. Vielmehr muss der Tatrichter, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Kontrolle der Beweiswürdigung zu ermöglichen, neben dem angewandten Messverfahren und dem festgestellten Messwert auch den berücksichtigten Toleranzwert mitteilen. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Es fehlt die Mitteilung des Messverfahrens, des dabei festgestellten Messwertes und des in Abzug gebrachten Toleranzwertes.
Soweit den Urteilsgründen zu entnehmen ist, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung auf "der geständigen Einlassung des Betroffenen" beruht, ist anzumerken, dass ein solches Geständnis nur dann zum Nachweis einer Geschwindigkeitsüberschreitung geeignet ist (vgl. BGH, NZV 1993, 485, 487), wenn der Betroffene uneingeschränkt und glaubhaft gesteht, die vorgeworfene Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein. In einem solchen Fall bedarf es der Angabe des Messverfahrens und der Toleranzwerte nicht (vgl. auch OLG Celle, NdsRpfl 1993, 167). Der Tatrichter darf die Verurteilung jedoch nur dann auf eine Einlassung des Betroffenen stützen, wenn er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. BGH, StV 1987, 378). Vor der Frage nach den rechtlichen Konsequenzen eines Geständnisses muss er sich Klarheit darüber verschaffen, wie die Äußerung des Betroffenen im Zusammenhang mit dem übrigen Verfahrensstoff und im Hinblick auf den konkreten Rechtsverstoß zu verstehen ist.
Auch bei fahrlässig begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen kann der Betroffene den zugestandenen Wert etwa durch einen Blick auf den Tachometer selbst gemessen haben. So liegt es nicht fern, dass ein Kraftfahrer seine Geschwindigkeit überprüft, wenn er auf eine polizeiliche Überwachungsmaßnahme aufmerksam geworden ist. Denkbar ist ferner, dass er infolge Unaufmerksamkeit eine Geschwindigkeitsbegrenzung übersehen unbewusst eine unzulässig hohe Geschwindigkeit eingehalten hat. In derartigen Fällen bestimmt sich der Grad der Überzeugungskraft des Geständnisses nach der Zuverlässigkeit der jeweiligen Eigenmessung. Darüber hinaus kann das Eingeständnis eines Kfz-Führers, die im angefochtenen Bußgeldbescheid genannte Geschwindigkeit - mindestens - gefahren zu sein, auch auf eigenen Erfahrungswerten beruhen: So ist es einem geübten Kraftfahrer ohne weiteres möglich, seine Geschwindigkeit schon an Hand der Motorgeräusche des ihm vertrauten Fahrzeuges, der sonstigen Fahrgeräusche und an Hand der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändert, zuverlässig zu schätzen und dadurch zu erkennen, dass er die erlaubte Geschwindigkeit wesentlich überschreitet (OLG Schleswig, VerkMitt 1964, 54; OLG Hamm, DAR 1972, 251; OLG Celle, DAR 1978, 169; OLG Düsseldorf, NZV 1992, 454; vgl. auch BGHSt 31, 86 (90)). Das Amtsgericht hätte die Verurteilung aber nur dann auf diese Einlassung stützen dürfen, wenn es erkennbar von deren Richtigkeit überzeugt gewesen wäre. Das ist jedoch hier ausweislich der Urteilsgründe nicht der Fall. Nach der wiedergegebenen Einlassung des Betroffenen hat dieser überhaupt keine Angaben zu der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit gemacht sondern lediglich seine Fahrereigenschaft zugestanden. Der Umstand, dass der Verteidiger die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung nicht in Frage gestellt hat, stellt ebenfalls keine tragfähige Erwägung dar, so dass das angefochtene Urteil insgesamt der Aufhebung unterliegt.
Im übrigen weist der Senat zu den Erwägungen des Amtsgerichts im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung darauf hin, dass für eine Erhöhung der (Regel-)Geldbuße dann kein Raum ist, wenn das Amtsgericht - auch ohne Erhöhung der Geldbuße und insoweit abweichend vom Bußgeldkatalog - die Verhängung eines Fahrverbotes von zwei Monaten zur Einwirkung auf den Betroffenen für ausreichend hält.
Die Sache war an das Amtsgericht Paderborn zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, das auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden hat, da der Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht.


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