Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. VII 252/02 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Zuerkennung einer Pauschvergütung in
einem Wirtschaftsstrafverfahren etwa in Höhe der
Wahlverteidigerhöchtsgebühr
Senat: 2
Gegenstand:
Pauschvergütung
Stichworte: Pauschvergütung,
Wirtschaftsstrafverfahren, Wahlverteidigerhöchstgebühr,
Geldwäscheentscheidung
Normen: BRAGO 99
Beschluss: Strafsache
gegen J.I.
wegen Betruges u.a. (hier: Antrag
auf Bewilligung einer Pauschvergütung für den bestellten
Verteidiger).
Auf den Antrag des Rechtsanwalts M. aus D. vom 13. April 2000 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Rechtsanwalt M. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 13.120,-- DM eine Pauschvergütung von 14.000 EURO (in Worten: vierzehntausend EURO) bewilligt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Bei dem vorliegenden Verfahren
handelt es sich um ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren, das seit dem
Jahr 1999 beim Landgericht Dortmund anhängig gewesen ist. Das gegen den
ehemaligen Angeklagten wegen Betruges ergangene Urteil des Landgerichts vom 4.
Februar 2000 ist durch Beschluss des BGH vom 12. Juni 2001 aufgehoben worden.
Inzwischen ist das Verfahren gegen den ehemaligen Angeklagten nach § 154
StPO eingestellt worden.
Der Antragsteller ist dem ehemaligen Angeklagten als Pflichtverteidiger am 24. Juni 1999 beigeordnet worden. In seiner Eigenschaft als Pflichtverteidiger hat der Antragsteller, dessen Kanzlei ihren Sitz in D. hat, teilweise sehr umfangreiche Schreiben, Stellungnahmen und Anträge verfasst. Er hat außerdem im Haftverfahren umfangreich Stellung genommen und Rechtsmittel gegen Haftentscheidungen begründet.l Der Antragsteller hat seinen Mandanten außerdem neunmal in der Justizvollzugsanstalt Dortmund besucht; jeder der Besuche hat mehr als 4 Stunden gedauert. Der Antragsteller hat außerdem an zwei Terminen zur Haftbefehlsverkündung teilgenommen.
Die Hauptverhandlung hat an insgesamt 32 Tagen beim Landgericht Dortmund stattgefunden, der Antragsteller hat an 31 Terminen teilgenommen. Die durchschnittliche Hauptverhandlungsdauer hat 3 Stunden und 37 Minuten betragen. Von den Hauptverhandlungsterminen haben einer mehr als 7 Stunden, zwei mehr als 6 Stunden, zwei mehr als 5 Stunden, einer mehr als 4 Stunden und die übrigen zwischen 2 und 4 Stunden gedauert.
Gegen das Urteil der Strafkammer hat der Antragsteller Revision eingelegt, die er nach Einsicht in die Akten mit einem 23-seitigen Schriftsatz begründet hat.
Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers betragen 13.120 DM (= 6.708,15 EURO). Der Antragsteller hat beantragt, ihm eine Pauschvergütung von 30.000 DM (= 15.338,76 EURO) zu bewilligen. Der Vertreter der Staatskasse hat sich dahin geäußert, dass er die Bewilligung einer Pauschvergütung für gerechtfertigt hält, der vom Antragsteller geltend gemachte Betrag jedoch übersetzt sei.
II.
Dem Antragsteller war nach § 99 Abs. 1 BRAGO eine
Pauschvergütung zu bewilligen, da er in einem sowohl "besonders
schwierigen" als auch in einem "besonders umfangreichen" Strafverfahren
tätig geworden ist.
1.
Die "besondere Schwierigkeit" hat der Vorsitzende der
Strafkammer in seiner Stellungnahme bejaht. Dem schließt sich der Senat
ebenso wie der Vertreter der Staatskasse an.
2.
Das Verfahren war auch
besonders umfangreich im Sinne von § 99 Abs. 1 BRAGO. Die
durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine ist mit rund 3 Stunden 37
Minuten für ein Wirtschaftstrafverfahren allerdings leicht
unterdurchschnittlich. Andererseits hat der Antragsteller die
Hauptverhandlungstermine mit dem ehemaligen Angeklagten vor- und nachbereiten
müssen. Auch sind die übrigen vom Antragsteller erbrachten
Tätigkeiten, die nicht unerheblichen Zeitaufwand erfordert haben, zu
berücksichtigen. So musste der Antragsteller Einsicht in die umfangreichen
Akten nehmen und hat neben den Hauptverhandlungsterminen zahlreiche weitere
Termine für den ehemaligen Angeklagten wahrgenommen. Insbesondere die
Besuche des ehemaligen Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt haben - vor
allem auch unter Berücksichtigung der Anfahrt von und der Rückfahrt
nach Düsseldorf - erhebliche Zeit erfordert. Zudem hat der Antragsteller
noch an zwei Terminen zur Verkündung eines Haftbefehls teilgenommen. Der
Fahrtaufwand des Antragstellers ist insgesamt zu berücksichtigen (Senat in
StV 2000, 441).
Bei der nach allem somit zu bewilligenden Pauschvergütung hat der Senat bei deren Bemessung auf alle Umstände des Einzelfalls abgestellt. Dabei war einerseits zu berücksichtigen, dass die Hauptverhandlungstermine für den Antragsteller für ein Verfahren vor der Strafkammer leicht unterdurchschnittlich lang gedauert haben und die Termine zum Teil auch verhältnismäßig locker terminiert waren. Andererseits hat der Senat nicht verkannt, dass in der Regel jeder dieser Termine für den Antragsteller erhebliche Vor- und Nachbereitungszeiten erfordert hat, die der Senat entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung berücksichtigt hat (vgl. dazu u. a. grundlegend den Beschluss vom 10. Juni 1998 (2 (s) 5-Sbd. 64-70/98 = AGS 1998, 142 = Rpfleger 1998, 487 = StV 1998, 616 = AnwBl. 1998, 613; zuletzt Senat im Beschluss vom 2. Dezember 2002, 2 (s) Sbd. VII-242/02 ). Auch die Teilnahme an den übrigen Terminen sowie die Besuche des ehemaligen Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt sind berücksichtigt worden. Der Senat hat außerdem nicht übersehen, dass das Verfahren auch "besonders schwierig" gewesen ist und das Pauschvergütungsverfahren lange gedauert hat, was nicht vom Antragsteller zu vertreten war (vgl. dazu Beschluss des Senats in ZAP EN-Nr. 222/2001 = AGS 2001, 154 = StV 2002, 90).
Insgesamt erschien dem Senat zum angemessenen Ausgleich der vom Antragsteller erbrachten Tätigkeiten eine im Bereich der Wahlverteidigerhöchstgebühr, die rund 14.150 EURO beträgt, liegende Pauschvergütung erforderlich. Deshalb ist die Pauschvergütung in der festgesetzten Höhe von 14.000 EURO bewilligt worden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats, an der er festhält, kommt eine Pauschvergütung in Höhe, etwa in Höhe oder sogar über die Wahlverteidigerhöchstgebühr hinaus grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn das Verfahren den Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum ganz oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (vgl. insbesondere Beschluss des Senats vom in 2 (s) Sbd. 6-48/2000 = ZAP EN-Nr. 461/2000 = StV 2000, 443 (Ls.) = StraFo 2000, 285 = NStZ 2000, 555 = wistra 2000, 398 = AGS 2001, 13 sowie Senat in StraFo 1998, 215 = AGS 1998, 87 = JurBüro 1998, 413; Senat in 1998, 431 = JurBüro 1999, 134 = AGS 1999, 104; Senat in StraFo 1999, 431; ). Das ist hier zumindest teilweise der Fall.
Auch sprach - erneut - das Gesamtgefüge der gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers dafür, in diesem Verfahren Pauschvergütungen etwa in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr zu bewilligen. Der Senat hat bereits in der Vergangenheit (vgl. dazu den o.a. Beschluss in 2 (s) Sbd. 6-48/2000) darauf hingewiesen, dass gerade in Wirtschaftsstrafverfahren, die in der Regel eine schwierige Materie zum Gegenstand haben, die Tätigkeit des Pflichtverteidigers häufig nicht angemessen entlohnt wird, wobei dahinstehen könne, ob und wenn ja in welchem Umfang dem Pflichtverteidiger von Verfassungs wegen ein Sonderopfer auferlegt worden ist (vgl. dazu Senat im Beschluss vom 4. April 2000 - 2 (s) Sbd. 6-46/2000 = wistra 2000, 319 = BRAGO-professionell. 2000, 129 = ZAP EN-Nr. 686/2000 = JurBüro 2000, 586). Nach Auffassung des Senats darf der Pflichtverteidiger in einem Wirtschaftsstrafverfahren nicht gegenüber dem in Schwurgerichtsverfahren unzumutbar benachteiligt werden, was aber bei einem Vergleich mit den dort anfallenden gesetzlichen Gebühren in der Regel der Fall ist. Diese Ungleichbehandlung, für die nicht immer ein rechtfertigender Grund besteht, lässt sich - so schon die bisherige Rechtsprechung des Senats - in umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren nur durch ein großzügigeres Annähern an die "Grenze" der Wahlverteidigerhöchstgebühr korrigierend ausgleichen, jedenfalls ist dieser Umstand bei der Frage, ob die festzusetzende Pauschvergütung "angemessen" ist, mit zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere nach der so genannten Geldwäscheentscheidung des BGH (vgl. dazu BGHSt 47, 68). Wenn danach als Ausweg zur Vermeidung des Vorwurfs der Geldwäsche dem Strafverteidiger ggf. nur die Möglichkeit der Beiordnung als Pflichtverteidiger bleibt, muss dem durch eine angemessene Pauschvergütung Rechnung getragen werden. Anderenfalls wäre das Recht des Angeklagten auf eine ausreichende Verteidigung in zumutbarer Weise eingeschränkt. Darauf hat der Senat bereits in seinem o.a. Beschluss vom 2. Dezember 2002 hingewiesen.
Der weitergehende Antrag des Antragstellers, mit dem eine
Pauschvergütung in Höhe von rund 15.300 EURO beantragt worden ist,
war hingegen abzulehnen. Der Antragsteller ist durch vorliegende Verfahren
nicht derart zeitlich in Anspruch genommen worden, dass die Bewilligung einer
die Wahlverteidigerhöchstgebühr noch übersteigenden
Pauschvergütung gerechtfertigt wäre. Dagegen spricht allein schon die
leicht unterdurchschnittliche Hauptverhandlungsdauer.
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