Aktenzeichen: 1 Ws 276/02 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Begründung der Zuständigkeit beim Übergang von Untersuchungshaft in Strafhaft
Senat: 1
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Strafvollstreckungskammer, Zuständigkeit, Übergang von Untersuchungshaft in Strafhaft
Normen: StPO 462
Beschluss: Strafvollstreckungssache
gegen W.G.
wegen Diebstahls (hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung).
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 7. Oktober 2002 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 10. September 2002 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 12. 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe:
Das Amtsgericht Ahlfeld hat den Verurteilten am 21. Mai 2001 wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Am 18. Februar 2002 wurde der Verurteilte sodann in Untersuchungshaft genommen und der Justizvollzugsanstalt Mannheim zugeführt, weil er sich innerhalb der Bewährungszeit erneut wegen eines (versuchten) Diebstahls in einem besonders schweren Fall schuldig gemacht haben soll. Am 2. April 2002 beantragte die Staatsanwaltschaft Hildesheim wegen dieser Tat bei dem die Bewährungsaufsicht führenden Amtsgericht Dortmund den Widerruf der Strafaussetzung für den Fall, dass der Verurteilte wegen der ihm vorgeworfenen Straftat erneut verurteilt werden sollte. Am 22. Mai 2002 wurde der Verurteilte, der sich nach wie vor in der Justizvollzugsanstalt Mannheim in Untersuchungshaft befand, vom Amtsgericht Moosbach wegen vorsätzlichem Fahrens ohne Fahrerlaubnis und versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Das Urteil wurde am Tag der Verkündung rechtskräftig, der Verurteilte verblieb zunächst weiterhin in der JVA Mannheim. In der Folgezeit wurde der Verurteilte in die JVA Dortmund und am 17. Juli 2002 in die JVA Werl verlegt. Seit dem 12.08.2002 befindet er sich nunmehr in der Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel.
Am 17. Juli 2002, eingegangen beim Landgericht Dortmund am 29. Juli 2002, beantragte die Staatsanwaltschaft Hildesheim wegen der Nachverurteilung erneut, die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen. Da sich der Verurteilte zu diesem Zeitpunkt bereits in der Justizvollzugsanstalt Werl befand, hat die 3. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund die Sache an die nach ihrer Auffassung zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg abgegeben, weil sich der Verurteilte, als das Landgericht Dortmund erstmals mit der Sache befasst worden sei, bereits in der Justizvollzugsanstalt Werl befunden habe. Mit Beschluss vom 10. September 2002 hat die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Arnsberg sodann die durch das Urteil des Amtsgerichts Ahlfeld vom 21. Mai 2002 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise erhobene sofortige Beschwerde des Verurteilten. Er ist der Auffassung, dass es an der Zuständigkeit des Landgerichts Arnsberg fehle.
Das Rechtsmittel hat zumindest vorläufigen Erfolg, denn das Landgericht Arnsberg war zur Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung nicht berufen.
Mit dem von der Staatsanwaltschaft Hildesheim vom 02.04.2002 an das Amtsgericht Dortmund gerichteten Antrag auf Widerruf der Strafaussetzung war das zu diesem Zeitpunkt noch zuständige Gericht des 1. Rechtszuges davon in Kenntnis gesetzt worden, dass Gründe für eine Widerrufsentscheidung vorliegen konnten und damit mit dem Widerrufsantrag befaßt.
Mit dem Eintritt der an diesem Tage eingetretenen Rechtskraft der Nachverurteilung vom 22.05.2002 ging die bis dahin vollzogene Untersuchungshaft ohne weiteres in den Vollzug von Strafhaft über (BGHSt 27, 302 und BGH NStZ 94, 638) mit der Folge, dass nunmehr allein eine Strafvollstreckungskammer gemäß § 462 a StPO zur Entscheidung über sämtliche noch vollstreckungsfähigen Freiheitsstrafen berufen war. Da sich der Verurteilte aber weiterhin in der JVA Mannheim befand, ergibt sich daraus zwingend die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer bei dem Landgericht Mannheim für diese zu diesem Zeitpunkt beantragte Nachtragsentscheidungen, mit denen ein nicht offensichtlich unzuständiges zu diesem Zeitpunkt bereits befaßt war. Der Strafvollstreckungskammer obliegen die nachträglichen Entscheidungen insgesamt sobald gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Dabei ist es unerheblich, dass die Justizvollzugsanstalt Mannheim für den Vollzug der Freiheitsstrafe nach dem Vollstreckungsplan auf Dauer nicht zuständig war und es zu einer späteren Verlegung in die danach zuständige Anstalt kam.
Das Gebot des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG erfordert eine möglichst eindeutige Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit. Es kann deshalb nicht darauf ankommen, wann ein Verurteilter in der für ihn jeweils nach dem Vollstreckungsplan zuständigen Justizvollzugsanstalt verlegt wird. Vielfach lässt sich die später endgültig zuständige Vollzugsanstalt von vornherein allein anhand des Vollstreckungsplanes noch nicht eindeutig bestimmen. Es ist deshalb nicht hinnehmbar, dass nach dem Beginn der Strafvollstreckung - zumindest vorläufig - möglicherweise Unklarheiten bleiben, wer für die erforderlichen Nachtragsentscheidungen - hier: Widerruf der Strafaussetzung in einem anderen Verfahren - als gesetzlicher Richter zuständig ist.
Daraus folgt, dass das Landgericht Arnsberg zu Unrecht eine Sachentscheidung getroffen hat und der angefochtene Beschluss deshalb aufzuheben war. Die Staatsanwaltschaft hat nunmehr die Akte der zuständigen Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung über den Widerrufsantrag vorzulegen.
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