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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 1056/02 OLG Hamm

Leitsatz: Im Berufungsurteil kann nicht auf die Strafzumessungserwägungen und die dazu getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts Bezug genommen werden.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsurteil, Bezugnahme, Strafzumessungserwägungen, eigene Feststellungen des Berufungsgerichts

Normen: StPO 267

Beschluss: Strafsache
gegen J.F.
wegen Betruges

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der erweiterten XIX. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 20. Juni 2002 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 01. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere - mit zwei Richtern besetzte (§ 76 Abs. 3 S. 1 GVG) - kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das - erweiterte - Schöffengericht Bottrop hat den Angeklagten am 07. August 2001 unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Bottrop vom 30. November 2000 (28 Ls 51/00) verhängten (Einzel-)Freiheitsstrafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 4 Monaten sowie wegen Betruges in drei Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt und die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft Essen Berufung eingelegt und diese wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Der Angeklagte hat das amtsgerichtliche Urteil nicht angefochten. Mit dem angefochtenen Urteil hat die Strafkammer das Urteil des erweiterten Schöffengerichts Bottrop vom 07. August 2001 dahin abgeändert, das hinsichtlich beider verhängten Gesamtfreiheitsstrafen die Strafaussetzung zur Bewährung entfällt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Nach den somit bindenden Feststellungen des erweiterten Schöffengerichts Bottrop, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, bestellte der Angeklagte im Februar und im Juni 2000 Waren im Werte von insgesamt über 18.000,00 DM und ließ sich diese liefern, obwohl er bereits zum Zeitpunkt der Bestellung wusste, dass er den Kaufpreis, den er auch tatsächlich schuldig blieb, nicht würde zahlen können. Ferner ließ er sich in der Zeit von Oktober 2000 bis Februar 2001 von verschiedenen Taxiunternehmern chauffieren und täuschte dabei vor, dass er willens und in der Lage sei, die für die Fahrten anfallenden Entgelte zu zahlen. Auf diese Weise verursachte er einen Schaden von mindestens 7.300,00 DM.

II.
Das zulässige Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachrüge - die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) - Erfolg. Das angefochtene Urteil, das infolge der Rechtskraft des Schuldspruches nur noch den Strafausspruch betrifft, war wegen materiell rechtlicher Unvollständigkeit aufzuheben, denn die Strafkammer hat entgegen § 267 Abs. 3 S. 1 StPO in den Urteilsgründen nicht die Umstände angeführt, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind, sondern lediglich ausgeführt, sie übernehme für die Festsetzung der Einzelstrafen und die Bildung der zwei Gesamtstrafen, auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des festgestellten Nachtatverhaltens des Angeklagten, die Strafzumessungserwägungen der angefochtenen Entscheidung. Diese Verweisung auf das erstinstanzliche Urteil reicht nicht aus. Zwar kann es ausnahmsweise zulässig sein, das in einem Berufungsurteil auf tatsächliche und rechtliche Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen wird, wenn dadurch keine Unklarheiten entstehen. Dies gilt aber grundsätzlich nicht für die Strafzumessungserwägungen, weil das Berufungsgericht insoweit eine eigenständige Begründung vornehmen muss und nicht einfach auf die Erwägungen in einem Urteil verweisen darf (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 267 Rdnr. 2 a; OLG Köln MDR 79, 865). Schon wegen dieses Mangels kann die Strafzumessung sowohl hinsichtlich der Einzelstrafen als auch der Gesamtstrafen keinen Bestand haben. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

Für die erneute Verhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass das angefochtene Urteil auch im Übrigen nicht frei von Rechtsfehlern ist.

1. Die Urteilsgründe enthalten keine eigenen Feststellungen der Strafkammer zur Person des Angeklagten. Soweit die pauschale Bezugnahme auf die Gründe des amtsgerichtlichen Urteils (vgl. S. 4 UA: „Damit sind die Feststellungen des angefochtenen Urteils bindend. Insoweit wird auf die Gründe des angefochtenen Urteils, Bl. 356 - 361 d. A. Bezug genommen.“) dahin zu verstehen sein sollte, dass die Strafkammer - auch - auf die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils zur Person des Angeklagten verweisen wollte, wäre dies ebenfalls rechtsfehlerhaft. Denn eine solche Bezugnahme ließe besorgen, dass die Strafkammer sich nicht ihrer Verpflichtung bewusst gewesen ist, auch im Falle der zulässigen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch eigene Feststellungen zur Person des Angeklagten und zu den für die Strafzumessung bedeutsamen Tatmodalitäten zu treffen. Das Berufungsgericht ist zweite Tatsacheninstanz. Es entscheidet in eigener Verantwortung aufgrund der von ihm durchgeführten Hauptverhandlung, als ob es selbst erstinstanzliches Gericht wäre. Dies bedeutet, dass es die Feststellungen, die zu treffen ihm obliegt, nicht von der Vorinstanz „übernehmen“ darf. Die wirksame Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch hat lediglich zur Folge, dass der Schuldspruch rechtskräftig feststeht, und bindet das Berufungsgericht nur hinsichtlich der insoweit von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen. Die oben zitierte pauschale Inbezugnahme lässt besorgen, dass die Strafkammer das rechtsfehlerhaft unterlassen hat.

2. Die Urteilsgründe enthalten Feststellungen zum Nachtatverhalten des Angeklagten, teilen jedoch nicht mit, aufgrund welcher Tatsachen und Beweismittel diese getroffen worden sind. Dies stellt einen Verstoß gegen § 261 StPO dar, der den Tatrichter zur umfassenden und erschöpfenden Würdigung der Beweise zwingt und von ihm verlangt, dem Revisionsgericht durch entsprechende Darlegungen in den Urteilsgründen die Nachprüfung der getroffenen Entscheidung auf ihre Richtigkeit zu ermöglichen. Auch insoweit sind die Urteilsgründe demnach lückenhaft.

3. Die Strafkammer hat für die Betrugstat vom 18. Juni 2000 eine Einzelfreiheitsstrafe von 5 Monaten und für die Betrugsstraftat aus Februar 2000 eine solche von 2 Monaten verhängt. Gemäß § 47 Abs. 1 StGB verhängt das Gericht aber Freiheitsstrafen unter 6 Monaten nur, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Ob dies der Fall ist, muss im Urteil erörtert werden. Hierzu verhalten sich die Urteilsgründe jedoch mit keinem Wort.

4. Zu der Frage einer etwaigen verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB hat die Strafkammer ausgeführt:

„Bei der Bemessung sämtlicher Strafen ist die Kammer - wie schon das Schöffengericht - der erstinstanzlich eingeführten psychiatrischen Begutachtung des Angeklagten folgend, davon ausgegangen, dass weder die Steuerungs- noch die Schuldeinsichtsfähigkeit des Angeklagten bei der Begehung der Taten aufgrund bestehender Persönlichkeitskonflikte eingeschränkt im Sinne von § 21 StGB gewesen ist.“

Diese Ausführungen sind aus sich heraus nicht verständlich und erlauben dem Senat nicht die gebotene Nachprüfung, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB mit Recht verneint worden sind. Soweit die zitierte Formulierung der Urteilsgründe dahin zu verstehen sein sollte, dass die Strafkammer sich auch hinsichtlich der Frage einer etwaigen verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne von § 21 StGB „anschließen“ wolle, wäre dieses ebenfalls rechtsfehlerhaft, weil es sich hier auch um soweit um eine unzulässige Bezugnahme (vgl. oben) auf die erstinstanzlichen Strafzumessungserwägungen handeln würde.


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