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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1038/02 OLG Hamm

Leitsatz: Für die Ausfüllung des Begriffs „Schrittgeschwindigkeit“ besteht eine gewisse Bandbreite, die im Rahmen des richterlichen Ermessens ausgefüllt werden kann.

Senat: 1

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Schrittgeschwindigkeit, Begriffsinhalt, tatrichterliches Ermessen

Normen: StPO 261

Beschluss: Bußgeldsache
gegen A.K.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 06.08.2002 gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 06.08.2002 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 01. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen :

Die Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.

Gründe:
Das Amtsgericht Dortmund hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 150,00 Euro verurteilt sowie gemäß § 25 StVG gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Der Verurteilung hat es zum Tatgeschehen folgende Feststellungen zugrundegelegt:

Am Sonntag, dem 17. März 2002, befuhr der Betroffene gegen 13:40 Uhr mit seinem PKW der Marke Opel-Kombi mit dem polizeilichen Kennzeichen: xxxxxxxxx die Donnerstraße in Dortmund-Asseln in Richtung Norden.

An der dortigen S-Bahn-Unterführung missachtete er das Rotlicht der dort befindlichen Lichtzeichenanlage. Etwa in der Mitte der Unterführung kam es daraufhin zu einem Zusammenstoß mit dem von dem Zeugen K. gesteuerten PKW der Marke Opel Kadett-Kombi mit dem polizeilichen Kennzeichen: xxxxxxxxx, der die Donnerstraße in südlicher Richtung mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 35 km/h befuhr und die für ihn maßgebliche Lichtzeichenanlage vor der S-Bahn-Unterführung bei Grünlicht passiert hatte, nachdem diese Ampel auf „Grün“ umgesprungen war, als der Zeuge K., der noch versucht hatte, nach rechts auszuweichen, wurden der Kotflügel, die Stoßstange und das Blinkerglas vorne links beschädigt sowie die Fahrertür eingedrückt. Sein Gesamtschaden belief sich auf ca. 400 bis 450 EUR, und er ist von der Haftpflichtversicherung des Betroffenen in voller Höhe ausgeglichen worden.

Diese Feststellungen beruhen im Wesentlichen auf folgender Beweiswürdigung des Amtsgerichts:

Der Betroffene hat sich in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen, dass er lediglich 300 m von der Unfallstelle entfernt wohne, sodass ihm die Örtlichkeit bestens vertraut sei. Wegen der von rechts einmündenden und vorfahrtberechtigten Straße “Webershohl“ habe er sich der Lichtzeichenanlage bei Grünlicht sehr langsam genähert, und er sei mit Schrittgeschwindigkeit in die Unterführung hineingefahren, wobei er die für ihn maßgebliche Lichtzeichenanlage bei Grünlicht passiert habe. Etwa in der Mitte des Tunnels sei es sodann zum Unfall gekommen, wobei der Unfallgegner mit einer recht hohen Geschwindigkeit in die Unterführung gekommen sei.

Diese Einlassung des Betroffenen ist durch die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung vom 6. August 2002 im Sinne der eingangs getroffenen Feststellungen widerlegt worden.

Der Zeuge K. hat bekundet, dass er am Tattag die Donnerstraße in Richtung Süden mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 35 km/h befahren habe. Die Donnerstraße befinde sich in einer 30 km/h-Zone, die ihm bekannt sei. Als er - der Zeuge K. - noch etwa 50 m von der Lichtzeichenanlage vor der S-Bahn-Unterführung entfernt gewesen sei, sei die Ampel auf “Grün“ umgesprungen. Etwa in der Mitte des Tunnels sei es zur Kollision gekommen, obwohl er - der Zeuge K. - noch gebremst habe und nach rechts ausgewichen sei. An seinem Fahrzeug seien die Stoßstange, der Kotflügel und das Blinkerglas vorne links beschädigt und die Fahrertür eingedrückt worden. Die Reparaturkosten hätten bei insgesamt 400 bis 450 EUR gelegen und seien von der Haftpflichtversicherung des Betroffenen voll ersetzt worden. Zur Geschwindigkeit des Betroffenen könne er keine Angaben machen, weil der Tunnel infolge eines kleinen Bogens schlecht einsehbar sei und es im Übrigen von der Wahrnehmung des anderen Verkehrsteilnehmers bis zu Kollision sehr schnell gegangen sei.

Das Gericht hält den Zeugen K. auf Grund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks für glaubwürdig. Dieser war im Gegensatz zu dem Betroffenen zur Wahrheit verpflichtet. Der Zeuge K. hat eine in sich schlüssige und nachvollziehbare Darstellung des Unfallgeschehens abgegeben, die eine überschießende Belastungstendenz zu Lasten des Betroffenen nicht erkennen ließ. Seine Angaben waren - anders als dies bei dem Betroffenen der Fall war - nicht davon getragen, seinen eigenen Tatbeitrag in irgendeiner Form zu rechtfertigen. So hat er seine Angaben zu der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit, zu seiner Kenntnis von der 30 km/h-Zone und zu seiner Entfernung von der für ihn maßgeblichen Lichtzeichenanlage, als diese auf Grünlicht umsprang, erst auf entsprechende Nachfrage des Gerichts konkretisiert und nicht von vornherein eine Darstellung abgegeben, die ein Fehlverhalten auf seiner Seite praktisch ausschließen sollte.

Außerdem hat der Zeuge K. die infolge eines kleinen Bogens schlechte Einsehbarkeit des Tunnels zur Begründung angegeben, warum er zu der Geschwindigkeit des Unfallgegners nichts Konkretes sagen könne. Diese Schilderung der Örtlichkeit deckt sich mit den Bekundungen des Polizeibeamten Kurth und weckt deshalb berechtigte Zweifel an der Einlassung des Betroffenen, wonach der Zeuge K. mit einer recht hohen Geschwindigkeit in den Tunnel gefahren sei.

Der Zeuge B. hat bekundet, dass die von ihm am 17. März 2002 gefertigte Unfallskizze nicht maßstabsgerecht sei und dass er zu dem genauen Ort des Splitterfeldes keine Angaben mehr machen könne. Die Entfernung der auf beiden Seiten der Unterführung befindlichen Ampelmasten sei nicht allzu groß, und die Lichtzeichenanlage habe seinerzeit - wie eine Überprüfung ergeben habe - ordnungsgemäß funktioniert.

Der Zeuge Ku. hat bekundet, dass der Abstand zwischen den Ampelmasten auf beiden Seiten der Unterführung bei allenfalls 6 bis 7 m liege, weil nur 2 Fahrzeuge in den Tunnel hinein passen würden. Dieser mache im Übrigen einen Knick, sodass der jenseits der Unterführung befindliche Teil der Donnerstraße nicht einsehbar sei. Die Ampelanlage sei seinerzeit überprüft worden, wobei sie einwandfrei funktioniert habe.

Das Gericht hält die Zeugen B. und Ku. ebenfalls für glaubwürdig. Diese sind als unbeteiligte Dritte anzusehen, die in Ausübung ihres Polizeidienstes am Unfallort erschienen sind und keine Veranlassung hatten, einen der Unfallbeteiligten zu bevorzugen. Im Übrigen sind die Angaben zur nicht allzu großen Entfernung zwischen den Ampelmasten an beiden Seiten der Unterführung durch den Ampelphasenplan bestätigt worden.

Dieser zeigt die Örtlichkeit in einem Maßstab von 1 : 500, sodass die laut Plan ca. 1,75 cm breite Unterführung eine reale Breite von maximal 9 m (1,75 cm x 500 = 875 cm = 8,75 m) aufweist.

Der Zeuge B. hat bekundet, dass er, als er den Unfallknall gehört habe, sofort aus dem Fenster seiner im Hause D.straße 20 gelegenen Wohnung geschaut habe. Dabei habe die für den Betroffenen maßgebliche Lichtzeichenanlage, die von seinem Standort ca. 20 m entfernt und gut einsehbar gewesen sei, eindeutig auf “Rot“ gestanden.

Das Gericht hält den Zeugen B. auf Grund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks ebenfalls für glaubwürdig. Auch dieser Zeuge war als unbeteiligter Dritter anzusehen, der keinen der Unfallbeteiligten kannte und im Übrigen keine Veranlassung hatte, den Betroffenen zu Unrecht zu belasten. Er hatte sich schon am Unfalltag bei der vor Ort erschienenen Polizei als Zeuge gemeldet und damals dieselben Angaben wie in der Hauptverhandlung gemacht. Hätte der Zeuge den Betroffenen fälschlicherweise belasten wollen, hätte er ohne weiteres angeben können, dass der Betroffene bei Rotlicht in den Tunnel hineingefahren sei. Gerade dies hat er aber damals und auch heute nicht von sich gegeben, was für sein Bemühen um eine wahrheitsgemäß Aussage spricht.

Die Einlassung des Betroffenen, die ersichtlich von dem Bemühen getragen war, seine Ursächlichkeit für den Verkehrsunfall als etwas Unmögliches erscheinen zu lassen, war unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen und nach einer Auswertung der Ampelschaltung als unrichtig anzusehen. Der letztmögliche Zeitpunkt zum Passieren der für den Betroffenen maßgeblichen Lichtzeichenanlage bei Grünlicht wäre die Sekunde 47 gewesen.

Danach schließt sich eine Gelbphase von 3 Sekunden an, bevor die Ampel bei der Sekunde 1 Rotlicht anzeigt. Bei der von dem Betroffenen angegebenen Schrittgeschwindigkeit legte dieser bei 15 km/h in einer Sekunde 4,17 m zurück. Das bedeutet, dass er die Hälfte des maximal 9 m breiten Tunnels bereits bei einer Fahr von 1,5 Sekunden überschritten hatte. Rechnet man für die Reaktion des Zeugen B. von dem Hören des Unfalls bis zu seinem Hinschauen zur Ampel eine Zeitspanne von maximal einer Sekunde, dann waren von dem Passieren der Lichtzeichenanlage bis zu dem Hinschauen des Zeugen B. auf die für den Betroffenen maßgebliche Lichtzeichenanlage schon auf “Gelb“ gestanden hat, folgt das Gericht dem Zeugen K., der die für ihn maßgebliche Lichtzeichenanlage eindeutig bei Grünlicht passiert haben will. Da dessen Grünphase von der Sekunde 4 bis zu der Sekunde 23 gedauert hat, hat der Betroffene das für ihn maßgebliche Rotlicht, das von der Sekunde 1 bis zu der Sekunde 25 gedauert hat, missachtet.

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene noch am Tage der Verkündung - eingegangen beim Amtsgericht am folgenden Tage - Rechtsbeschwerde eingelegt und diese rechtzeitig nach Zustellung des Urteils begründet. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts. Im Wesentlichen wird geltend gemacht, das Amtsgericht habe unter Zugrundelegung der Einlassung des Betroffenen seine nach Passieren der Lichtzeichenanlage zurückgelegte Strecke falsch berechnet. Insoweit sei das Urteil widersprüchlich. Einerseits gehe es von „Schrittgeschwindigkeit“ aus, andererseits lege es eine Geschwindigkeit von 15 km/h zugrunde. Mit „Schrittgeschwindigkeit“ werde eine Geschwindigkeit von unter 4 km/h bezeichnet.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt aus gleichen Gründen Aufhebung des Urteils.

Die statthafte und in zulässiger Weise erhobene und begründete Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Mit der Rüge der Verletzung des materiellen Rechts wendet sich der Betroffene allein gegen die Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Die Beweiswürdigung des Tatrichters darf das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht nur auf rechtliche Fehler prüfen, nicht aber durch seine eigene ersetzen (vgl. BGH StV 81, 114; 83, 267) die falsche Würdigung der Beweise kann mit der Revision daher nicht gerügt werden (vgl. BGH VRS 35, 264) nur dann wenn die Würdigung der Beweise in ich widersprüchlich, lückenhaft und unklar ist oder gegen Denkgesetz und Erfahrenssätze verstößt unterliegen sie der Überprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts (ständige Rechtsprechung BGH DAR 81, 201; 83, 205; NStZ 83, 277; weitere Nachweise bei Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 337 Rn. 27).

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers und der Generalstaatsanwaltschaft bestehen solche Widersprüche hier nicht. Dass der Amtsrichter bei der Einlassung des Betroffenen, er habe „Schrittgeschwindigkeit“ gefahren von einer gefahrenen Geschwindigkeit von 15 km/h ausgegangen ist, liegt noch im Rahmen des tatrichterlichen Ermessens. Zwar ist, wenn man den genauen Wortlaut zugrundelegt, unter „Schrittgeschwindigkeit“ die durchschnittliche Fußgängergeschwindigkeit verstehen, die etwa bei 4 bis 7 km/h liegt (so OLG Köln VRS 68, 382; OLG Stuttgart VRS 70, 49). Doch wird der Begriff bereits in der Rechtsprechung als nicht eindeutig gesehen (so OLG Hamm VRS 6, 222, welche die Grenze bei 10 km/h zieht). Ob jedoch an diesem Wortlaut so festgehalten werden muss, wenn es um die Wertung der Einlassung eines Betroffenen geht, ist zweifelhaft. Zu berücksichtigen ist nämlich, das solche Geschwindigkeiten mittels Tachometer nicht zuverlässig messbar sind daher wird auch vertreten, dass unter „Schrittgeschwindigkeit“ eine Geschwindigkeit zu verstehen ist, die deutlich unter 20 km/h liegt, zumal solche Geschwindigkeiten vom Kraftfahrzeugführer als „Schrittgeschwindigkeit“ empfunden werden (so LG Aachen ZSF 93, 114; OLG Hamm NZV 92, 484).

Danach besteht auch nach der Rechtsprechung eine gewisse Bandbreite für die Ausfüllung des Begriffs „Schrittgeschwindigkeit“. In diesem Zusammenhang durfte der Amtsrichter sicherlich auch die vom Betroffenen gegebene Begründung für die gefahrene „Schrittgeschwindigkeit“ berücksichtigen. Danach hatte der Betroffene diese Geschwindigkeit gewählt, weil vor der Ampelanlage eine vorfahrtsberechtigte Straße einmünde. Um jedoch die Vorfahrt beachten zu können, war keinesfalls eine Geschwindigkeit unter 15 km/h notwendig. Zumal war mit Passieren der vorfahrtsberechtigten Straße ein Grund für diese geringe Geschwindigkeit weggefallen. Dass der Amtsrichter somit eine Geschwindigkeit von 15 km/h seinen Berechnungen zugrunde gelegt hat, erscheint nicht widersprüchlich und verstößt auch nicht gegen Denkgesetze.

Im Übrigen würde das Urteil bei einem angenommenen Verstoß nicht darauf beruhen. Der Amtsrichter hatte aufgrund anderer Überlegungen bereits die Überzeugung gewonnen, dass die Darstellung des Unfallgegners, welche zwingend zu einem Rotlichtverstoß des Betroffenen führte, in sich schlüssig und glaubhaft war. Die Auseinandersetzung mit der Einlassung des Betroffenen und dem sich daraus ergebenden Widerspruch zur Aussage des Zeugen B. stellte lediglich eine Hilfsüberlegung dar.

Da auch die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs, welcher im Übrigen noch nicht ausdrücklich gerügt worden ist, keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben haben, war seine Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.


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