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Rechtsprechung

Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. 186/02 (9/03) OLG Hamm

Leitsatz: Der Status eines Verfolgten als jüdischer sogenannter Kontingentflüchtling steht seiner Auslieferung nicht grundsätzlich entgegen.

Senat: 2

Gegenstand: Auslieferungsverfahren

Stichworte: Auslieferung, Zulässigkeit der Auslieferung, Kontingentflüchtling

Normen: IRG 16, IRG 17

Beschluss: Auslieferungssache (vorläufiger Auslieferungshaftbefehl)
betreffend moldauischen Staatsangehörigen J.G.,
wegen Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland in die Republik Moldau zum Zweck der Strafverfolgung wegen Unterschlagung u.a.
(hier: Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft).

Auf den am 20. Januar 2003 eingegangenen Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 16. Januar 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 01. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht beschlossen:

Gegen den Verfolgten wird die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet.

Gründe:
I.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Antrag vom 16. Januar 2003 beantragt, gegen den Verfolgten, der sich derzeit noch in Freiheit befindet, die vorläufige Auslieferungshaft anzuordnen. Diesen Antrag hat sie wie folgt begründet:

„Interpol Chisinau, eine im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 IRG zuständige Behörde (zu vgl. Art. 16 Abs. 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens) hat mit Schreiben vom 17.05.2002 (BI. 1 d. A.) durch Vermittlung des Bundeskriminalamtes um die Festnahme des Verfolgten zum Zwecke der Auslieferung zur Strafverfolgung wegen Unterschlagung u. a. ersucht.

Das Ersuchen ist gestützt auf den Haftbefehl Nr. 1-102 vom 30.04.2002 des Gerichts des Sektors Centra, Chisinau/Republik Moldau; darin wird dem Verfolgten zur Last gelegt, am 02.10.1998 in der Absicht, Gegenstände/Waren/Güter durch Täuschung und Veruntreuung zum Nachteil des Eigentümers zu unterschlagen, sich in in Chisinau B. 68 von der Geschädigten N.A. einen Geldbetrag von 15.000,00 Dollar aushändigen lassen und dabei vorgegeben zu haben, den Pkw VW Passat Kennzeichen XXXX, dessen Eigentümer er zum damaligen Zeitpunkt war, als Pfand hinterlassen zu wollen. Dabei habe er fälschlicherweise angegeben habe, dass er einen Pfandvertrag mit dem Geschäft „R." abgeschlossen habe. Am 08.11.2000 habe er die Genehmigung zur Ausreise nach Deutschland erhalten und sei mit dem erhaltenen Geld nach Deutschland umgezogen und habe den Pkw VW Passat dort veräußert, ohne das geliehene Geld zurückzuerstatten.

Der Verfolgte ist nach Mitteilung des Polizeipräsidiums KK 41/42 Essen unter der Anschrift H.str. 1 in E. amtlich gemeldet und dort auch wohnhaft.

Von der Festnahme des Verfolgten ist zunächst im Hinblick auf seinen Status als sogenannter Kontingentflüchtling abgesehen worden.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft sind meines Erachtens gegeben. Die dem Verfolgten zur Last gelegte Straftat ist sowohl nach moldawischen als auch nach deutschem Recht als Unterschlagung bzw. Betrug strafbar und mit Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bedroht.

Eine Auslieferung des Verfolgten in die Republik Moldau erscheint auch nicht von vornherein unzulässig. Die Auslieferungsfähigkeit der ihm vorgeworfenen Straftat ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens in Verbindung mit §§ 246, 263 StGB und § 123-1 des Strafgesetzbuches der Republik Moldau.

Anhaltspunkte dafür, dass der Verfolgte deutscher Staatsangehöriger sein könnte, liegen nicht vor.

Auch sein Status als sogenannter Kontingentflüchtling (jüdischer Emigrant) steht der Auslieferung nach einer Mitteilung des Bundesministeriums der Justiz nicht entgegen (zu vgl. BI. 7 f d. A.). Insoweit wird auch auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 17.09.2002 (BI. 10 f d. A.) Bezug genommen.

Die Anordnung der vorläufigen Auslieferungshaft ist geboten, weil der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung mit der Verhängung einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen hat. Diese Erwartung stellt erfahrungsgemäß einen erheblichen Fluchtanreiz dar. Es ist daher zu erwarten, dass sich der Verfolgte, der offenbar über tragfähige wirtschaftliche und soziale Bindungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht verfügt, ohne die Anordnung und den Vollzug der vorläufigen Auslieferungshaft dem weiteren Verfahren durch Flucht entziehen wird.

Die vorläufige Auslieferungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der in der Republik Moldau zu erwartenden Strafe.„

Diesen Ausführungen tritt der Senat nach eigener Prüfung bei. Demgemäss war gem. §§ 16, 17 IRG die vorläufige Auslieferungshaft gegen den Verfolgten anzuordnen.

Dem stand insbesondere nicht der Status des Verfolgten als jüdischer sogenannter Kontingentflüchtling, der als solcher über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland verfügt, entgegen. Das OLG Celle hat in dem von der Generalstaatsanwaltschaft angeführten Beschluss vom 17. September 2002 (1 ARs 13/02 (Ausl) OLG Celle) zutreffend darauf hingewiesen, dass das Aufenthaltsrecht, das Flüchtlingen aus humanitären Gründen gewährt wird, einer Auslieferung grundsätzlich nur dann entgegensteht, wenn der Grund für das Aufenthaltsrecht die konkrete Gefahr einer Verfolgung ist (so auch bereits OLG Celle im Beschluss vom 2. August 2002 - 1 ARs 11/02[ Ausl]). Die den Kontingentflüchtlingen durch das „Gesetz über Maßnahmen für die im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommenen Flüchtlinge„ zugebilligte Rechtsstellung ist nach Sinn und Zweck dahin zu interpretieren, dass der dem Ausweisungsverbot aus Art. 32 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlingen vom 27. Juli 1951 (Genfer Flüchtlingskonvention) zugrunde liegende Schutzgedanke nicht zum Tragen kommt, wenn die Gefahr der Verfolgung oder Schlechterstellung im Heimatland nicht besteht. Dieses Gesetz gilt nur für Flüchtlinge, d.h. für Ausländer, die sich in einer Verfolgungssituation befinden, wobei die Verfolgung nicht notwendig politischer Art sein muss, oder deren Lage durch ein Flüchtlingsschicksal gekennzeichnet ist (OLG Celle, Beschluss vom 17. September 2002 mit weiteren Nachweisen; in dem Sinne auch Stellungnahme des Auswärtigen Amtes an das Bundesministerium der Justiz vom 17. Dezember 2002[ Bl. 8 f. d.A.]).

Es liegen, worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist, keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Personen jüdischen Glaubens allein aufgrund der Religionszugehörigkeit in der Republik Moldau mit politischer oder sonstiger Verfolgung zu rechnen hätten (so auch die bereits erwähnte Stellungnahme des Auswärtigen Amtes., a.a.O.). Damit ´greift weder der Schutzgedanke des § 1 HumHAG ein, noch liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 IRG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1, 2 EuAlÜbk vor.


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