Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. 275/02 (8/03) OLG Hamm
Leitsatz: Zur Kosten- und Auslagenerstattung im
Auslieferungsverfahren.
Senat: 2
Gegenstand:
Auslieferungsverfahren
Stichworte: Kosten, Auslagen,
Erstattung, Auslieferungsverfahren
Normen: IRG 75, IRG 29
Beschluss: Auslieferungssache
betreffend den
rumänischen Staatsangehörigen A.L.
wegen Auslieferung des
Verfolgten aus Deutschland in die Schweiz zur Strafverfolgung wegen
Diebstahls
(hier: Antrag des Verfolgten, die Kosten des Verfahrens der
Staatskasse aufzuerlegen)
Auf den Antrag des Verfolgten vom 19. Dezember 2002, die Kosten
des Verfahrens der Staatskasse aufzuerlegen, hat der 2. Strafsenat des
Oberlandesgerichts Hamm am 22. 01. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am
Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und
die Richterin am
Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst.
Gründe:
Der Verfolgte, der rumänischer Staatsangehöriger ist,
hat vom 30. August 2001 bis zum 12. Dezember 2002 für das Verfahren 8850
Js 16121.4/96 StA Kassel Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Kassel
verbüßt. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2002 hat das Bundesamt
für Justiz der Schweizerischen Eidgenossenschaft förmlich um die
Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht.
Das
Ersuchen war auf den Haftbefehl des Untersuchungsrichteramtes II
Emmertal/Oberaargau - U 02 12909/CJ - gestützt, in dem dem Verfolgten zur
Last gelegt wurde, in der Zeit von August 2000 bis Oktober 2001 zusammen mit
mehreren Mittätern in jeweils wechselnder Tatbeteiligung im Kanton Bern 21
Einbrüche begangen zu haben. Dabei seien insgesamt Gegenstände im
Werte von etwa 80.000,00 SFr. erlangt und Sachschäden in Höhe von
etwa 50.000,00 SFr. verursacht worden.
Mit Beschluss vom 29. Oktober 2002,
auf den Bezug genommen wird, hat der Senat auf den Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft vom
24. Oktober 2002 die förmliche
Auslieferungshaft gemäß § 15 IRG angeordnet. Mit Schreiben vom
14. November 2002 hat sich für den Verfolgten Rechtsanwalt H. aus K. als
Wahlbeistand gemeldet.
Nachdem das Bundesamt für Justiz der Schweizerischen
Eidgenossenschaft mit Schreiben vom 13. November 2002 sein
Auslieferungsersuchen zurückgenommen hatte, hat der Senat auf Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft vom 18. bzw. 20. November 2002 mit Beschluss vom 21.
November 2002 den förmlichen Auslieferungshaftbefehl aufgehoben.
Der
Verfolgte hat nunmehr mit Schreiben seines Wahlbeistands vom 19. Dezember 2002
beantragt, die Kosten des Verfahrens der Staatskasse aufzuerlegen.
Eine
Entscheidung über die Kosten des Rechtshilfeverfahrens ist nicht
veranlasst (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2001 in (2) 4 Ausl.
141/2000 (95/01), NStZ-RR 2002, 159 = BRAGOreport 2002, 91 ).
Nach § 75 des Gesetzes über die internationale
Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) i.V.m. den Richtlinien für den Verkehr
mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) obliegt die
Begleichung der den deutschen Behörden entstehenden Kosten des
Rechtshilfeverfahrens grundsätzlich dem Bund. Eine Erstattung dieser
Kosten durch den ersuchenden Staat erfordert nach Nr. 15 Abs. 1 RiVASt eine
entsprechende völkerrechtliche Vereinbarung. Eine gesetzliche
Kostentragungspflicht des Verfolgten besteht dagegen nicht.
Sofern der
Antrag des Verfolgten das Begehren implizieren sollte, auch seine notwendigen
Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, ist insoweit ebenfalls keine
Entscheidung zu treffen.
Dem Wahlbeistand stehen gegenüber dem Verfolgten Ansprüche auf Gebühren nach § 106 BRAGO sowie auf Auslagenerstattung nach den §§ 25 ff BRAGO zu. Nach welchen Bestimmungen der unberechtigt Verfolgte diese notwendigen Auslagen von der Staatskasse erstattet verlangen kann, ist für die Fälle umstritten, in denen - wie vorliegend - noch kein Antrag nach § 29 IRG auf Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung gestellt worden ist. In Kenntnis des hierzu in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Meinungsstands ist der Senat der Auffassung, dass in Ermangelung gesetzlicher Regelungen sowohl im IRG als auch im Europäischen Auslieferungsübereinkommen (EuAlÜbk) insoweit gemäß § 77 IRG die Vorschriften der Strafprozessordnung sinngemäß gelten(vgl. hierzu Senatsbeschluss a.a.O.). Denn bereits der amtlichen Begründung zum IRG lässt sich entnehmen, dass der Verfolgte nach § 77 IRG i.V.m. den §§ 467 ff. StPO Erstattung der Gebühren und Auslagen eines Wahlverteidigers beanspruchen kann (vgl. BT-Dr. 911338, S. 34, 60, 98).
Dagegen kommt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGHSt 30, 152,
157 ff; 32, 221, 228) eine Erstattung nach den §§ 467, 467 a StPO in
diesen Fällen nicht in Betracht, sondern nur nach Stellung eines Antrags
nach § 29 IRG. Eine Erledigung des Auslieferungsverfahrens gegen den
Verfolgten noch vor Stellung eines solchen Antrags stehe einer Erledigung eines
Strafverfahrens gegen einen Beschuldigten vor Erhebung der öffentlichen
Klage gleich. Die §§ 467, 467 a StPO seien jedoch im Strafverfahren
lediglich nach Anklageerhebung anwendbar. Im Auslieferungsverfahren sei erst
der Antrag auf Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung
mit der Erhebung einer Anklage vergleichbar, weil nur jener zur Folge habe,
dass eine gerichtliche Entscheidung zu ergehen habe. Fehle ein solcher, sei
eine Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfolgten wie bei einer
Einstellung eines Strafverfahrens vor Erhebung der öffentlichen Klage
ausschließlich nach dem Gesetz über die Entschädigung für
Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) möglich, sofern die unberechtigte
Verfolgung von den Behörden der Bundesrepublik Deutschland zu vertreten
sei.
Zum einen erscheint bereits fraglich, ob der Bundesgerichtshof seine
noch zum DAG getroffene Entscheidung nach Inkrafttreten des IRG in der selben
Weise gefällt hätte. Denn das IRG verweist in § 77
ausdrücklich auf die sinngemäße Geltung der StPO, dagegen
gerade nicht auch auf das StrEG (vgl. hierzu Schätzler in NStZ 1981, 442
f).
Zum anderen erscheint die vom Bundesgerichtshof vorgenommene
Differenzierung problematisch, weil die Zulässigkeitsentscheidung im
Auslieferungsverfahren keine Verurteilung bedeutet (vgl. Schätzier a.a.O.)
und der Antragstellung nach § 29 IRG eine völlig andere Funktion
zukommt als der Anklageerhebung. Die Notwendigkeit verfassungskonformer
Korrektur der Analogie zu den §§ 467, 467 a StPO folgt zudem
aus
Art. 3 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. Uhlig/Schomburg/ Lagodny, IRG, 3. Aufl.,
§ 40 Rdnr. 36, 37; zur Gesamtproblematik des weiteren Vogler in NStZ 1989,
254 f; OLG Stuttgart MDR 1978, 779; OLG Düsseldorf MDR 1987, 1049; NJW
1992, 1467 ff; kritisch noch OLG Hamm NStZ 1984, 366; vgl. auch OLG Koblenz MDR
1983, 691). Der Auffassung des Bundesgerichtshofs ist daher nicht zu folgen.
Nach allem war eine Kosten- und Auslagenentscheidung nicht veranlasst.
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