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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ws 20/03 OLG Hamm

Leitsatz: Es ist anerkannt, dass auch außerhalb des Verfahrens nach den §§ 121, 122 StPO bei der gemäß § 120 Abs. 1 StPO jederzeit zu prüfenden Frage, ob die weitere Untersuchungshaft noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, auch auf das in Haftsachen im besonderen Maße geltende Beschleunigungsprinzip des § 6 EMRK abzustellen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils das Rechtsmittelverfahren ungebührlich verzögert.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Haftbeschwerde, Verzögerung im Berufungsverfahren, Ladung eines ausländischen Zeugen, Verhältnismäßigkeit

Normen: StPO 120

Beschluss: Strafsache
gegen M.V.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, (hier: Haftbeschwerde des Angeklagten).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 17. Dezember 2002 gegen den Beschluß der 11. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld vom 22. November 2002 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 01. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 13. September 2001 - 5 Gs 551/01 - in der Fassung durch den Haftfortdauerbeschluss des Schöffengerichts Herford vom 12. Februar 2002 - 3 Ls 36 Js 2165/01 (73/01) - sowie der angefochtene Beschluß werden aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist in vorliegender Sache am 12. September 2001 festgenommen worden und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 13. September 2001 - 5 Gs 551/01 - bis heute ununterbrochen in Untersuchungshaft. Das Amtsgericht - Schöffengericht - Herford hat ihn am 12. Februar 2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln jeweils in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt und Haftfortdauer angeordnet. Aufgrund von Erkenntnissen, die auf einer Überwachung der Telekommunikation zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig verfolgten J.M. und einer akustischen Innenraumüberwachung von dessen Pkw beruhen, hat das Schöffengericht den Angeklagten als überführt angesehen, am 10. September 2001 dem J.M. gegen Zahlung von 14.000,00 DM in bar 200 Gramm Kokain ausgehändigt zu haben. Wie das Schöffengericht weiter festgestellt hat, wollte J.M. von dem Angeklagten tatsächlich insgesamt 500 Gramm Kokain erwerben. Der Angeklagte hatte aber die verschlüsselte telefonische Bestellung des J.M. „ich komme mit zwei Mann zum Training“ mißverstanden und angenommen, J.M. wolle nur 200 Gramm erwerben. Nach den Feststellungen des Schöffengerichts verabredeten der Angeklagte und J.M. deshalb bei der Übergabe der 200 Gramm Kokain, daß der Angeklagte die weiteren 300 Gramm alsbald nachliefern solle, und vereinbarten deswegen ein erneutes Treffen für den 12. September 2001. Der Angeklagte und J.M. wurden daraufhin am 12. September 2001 polizeilich observiert. Der Angeklagte wurde an diesem Tage im Besitz von 300 Gramm Kokain festgenommen. Auch J.M. erschien an dem vereinbarten Treffpunkt, konnte den Angeklagten aufgrund dessen Festnahme aber nicht mehr antreffen. In der Folgezeit angestellte Versuche, den Angeklagten telefonisch zu erreichen, blieben erfolglos. J.M. wurde am 31. Oktober 2001 festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom selben Tage - 5 Gs 650/01 - ebenfalls bis zum heutigen Tage in der Untersuchungshaft. Das Amtsgericht - Schöffengericht - Herford hat ihn am 05. April 2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr - nicht rechtskräftig - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 9 Monaten verurteilt und Haftfortdauer angeordnet.

Der Angeklagte hat gegen das Urteil des Schöffengerichts Herford vom 12. Februar 2002 Berufung eingelegt. Die Akten sind daraufhin dem Landgericht Bielefeld am 16. April 2002 gemäß § 321 StPO vorgelegt worden. Auf entsprechende Anfrage des Berufungsstrafkammervorsitzenden vom 19. April 2002 teilte der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 29. April 2002, der am 02. Mai 2002 bei dem Landgericht Bielefeld eingegangen ist, mit, das Urteil werde in vollem Umfange angefochten, wegen der für erforderlich gehaltenen Beweismittel werde auf das erstinstanzliche Verfahren verwiesen.

Mit Verfügung vom 05. August beraumte der Vorsitzende der Berufungsstrafkammer Hauptverhandlungstermin auf den 22. Oktober 2002 mit Fortsetzung am 24. Oktober 2002 an. Mit Schreiben vom selben Tage an das Polizeipräsidium Bielefeld bat er um Ermittlungen zu dem derzeitigen Aufenthaltsort der erstinstanzlich von der Verteidigung als Zeugen benannten A.S. und P.V., die am 12. September 2001 gemeinsam mit dem Angeklagten festgenommen, am selben Tage aber wieder auf freien Fuß gesetzt worden waren. In das Wissen dieser Zeugen war von der Verteidigung mit Beweisantrag vom 12. September 2001 gegenüber dem Schöffengericht Herford gestellt worden, der Angeklagte habe lediglich das Betäubungsmittelgeschäft zwischen S. und V. vermittelt und in diesem Zusammenhang als Chauffeur fungiert. Nachdem das Polizeipräsidium Bielefeld ihm mit Schreiben vom 22. August 2002 mitgeteilt hatte, die Möglichkeiten von Ermittlungen in Serbien bestünden nur auf ein offizielles Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft hin, wandte sich der Vorsitzende der Berufungsstrafkammer mit Schreiben vom 02. September 2002 an das Landeskriminalamt in Düsseldorf und bat darum, zur Vorbereitung eines Rechtshilfeersuchens betreffend die Ladung des P.V. als Zeugen - über den Aufenthalt von A.S. lagen keine Erkenntnisse vor - kurzfristig über Interpol feststellen zu lassen, ob dieser in 11420 SM.P. in Serbien wohnhaft sei. Die bestätigende Antwort des Landeskriminalamtes ging am 01. Oktober 2002 bei dem Landgericht Bielefeld ein. Schon vorher, nämlich mit Verfügung vom 17. September 2002, hatte der Vorsitzende der Berufungsstrafkammer die Hauptverhandlungstermine vom 22. und 24. Oktober 2002 „wegen der Verhinderung der Zeugen KHK K., KHK P. und KHK W.“ auf den 21. Januar 2003 mit Folgeterminen am 23. und 24. Januar 2003 verlegt.

Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2002 beantragte der Verteidiger des Angeklagten Haftprüfung und Aufhebung des Haftbefehls. Dabei stützte er sich mit näheren Ausführungen, wegen deren Einzelheiten auf den Verteidigerschriftsatz vom 16. Oktober 2002 (Bl. 369 - 412 Bd. II der dem Senat vorliegenden Drittakten) Bezug genommen wird, in erster Linie darauf, daß eine Verwertung der Ergebnisse der Überwachung der Telekommunikation zwischen dem Angeklagten und dem anderweitig verfolgten Mason sowie der Innenraumüberwachung von dessen Pkw unzulässig sei. Mit dem angefochtenen Beschluß vom 22. November 2002 hat die Strafkammer den Haftbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 13. September 2001 in der Fassung der Haftfortdaueranordnung des Schöffengerichts Herford vom 12. Februar 2002 mit näheren Ausführungen, wegen deren Einzelheiten auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen wird, aufrechterhalten. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde des Angeklagten mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. Dezember 2002, die am selben Tage bei dem Landgericht Bielefeld eingegangen ist und mit der im Wesentlichen das Vorbringen aus dem Haftprüfungsantrag wiederholt wird.

Ebenfalls am 17. Dezember 2002 hat der Vorsitzende der Berufungsstrafkammer den Hauptverhandlungstermin erneut verlegt und zwar auf den 09. Oktober 2003 mit Fortsetzungstermin am 10. Oktober 2003. Dies erfolgte, weil der Zeuge P.V. im Wege eines Rechtshilfeersuchens zur Berufungshauptverhandlung geladen werden sollte und der Vorsitzende der Berufungsstrafkammer davon ausging, daß dies längere Zeit dauern werde. In einem von ihm unter dem 20. Dezember 2002 zu den Akten gebrachten Vermerk heißt es hierzu u. a.:

„Mit der zuständigen Rechtspflegerin war Kontakt aufgenommen worden, um die notwendige Vorlaufzeit annähernd abschätzen zu können. Die Rechtspflegerin ihrerseits hat nach mehreren Telefonaten mit den Ministerien in Düsseldorf und Berlin schließlich in Erfahrung bringen können, daß von wenigstens 6 Monaten Laufzeit auszugehen sein würde, gerechnet ab Eingang der Ladungsunterlagen im Ministerium. Die Rechtspflegerin war im November davon ausgegangen, daß frühestens Mitte Januar der Eingang im Ministerium würde erfolgen können. Dies war RA B. in einem Telefonat erläutert worden. Unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags wäre dann ein neuer Termin frühestens etwa ab Mitte/Ende August 2003 denkbar gewesen. In den Sommerferien sind die Zeugen ohnehin weitestgehend nicht zu erreichen, so daß neuer Termin auf Anfang Oktober 2003 schon im November telefonisch mit RA B. abgestimmt worden war. Nach derzeitigem Stand wird die Ladung des Zeugen V. auch frühestens erst Ende Januar/Anfang Februar 2003 im Ministerium eingehen können, so daß die Terminierung auf Anfang Oktober 2003 schon knapp kalkuliert ist.“

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Haftbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die statthafte Haftbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der im vorliegenden Verfahren gegen den Angeklagten ergangenen Haftentscheidungen.

1. Der Haftbefehl war allerdings nicht bereits deshalb aufzuheben, weil die Ergebnisse der Fahrzeuginnenraumüberwachung gemäß § 100 c Abs. 1 Nr. 2 StPO oder der Überwachung der Telekommunikation gemäß § 100 a StPO oder der längerfristigen Observation gemäß § 163 f StPO einem strafprozessualen Verwertungsverbot unterliegen mit der Folge, daß gegen den Angeklagten kein dringender Tatverdacht bestünde. Denn die Ergebnisse dieser Überwachungsmaßnahmen sind jeweils verwertbar. Insoweit wird auf die Gründe des in der Anlage beigefügten Senatsbeschlusses vom heutigen Tage (3 Ws 10/03) gegen J.M. S. 6 - 11 Bezug genommen. Dringender Tatverdacht im Sinne der von dem Schöffengericht Herford mit Urteil vom 12. Februar 2002 getroffenen Feststellungen ist somit zu bejahen, wobei allerdings das Gesamtgeschehen - abweichend von dem Tenor des schöffengerichtlichen Urteils - rechtlich als eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu würdigen sein dürfte, da der (beabsichtigten) Lieferung von zwei Teilmengen nach den Urteilsausführungen, die sich die Strafkammer in dem angefochtenen Beschluß zu eigen gemacht hat, eine einheitliche Lieferzusage des Angeklagten zugrunde lag. In einem solchen Fall der sukzessiven Lieferung von BtM-Teilmengen innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs ist entsprechend den von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen zur sogenannten Bewertungseinheit von einer Tat im materiell-rechtlichen Sinne auszugehen (vgl. Körner, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rdnr. 633 mit weiteren Nachweisen).
2. Bei dem Angeklagten besteht auch nach wie vor der Haftgrund der Fluchtgefahr
gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Er hat auch in der Berufungsinstanz mit der Verhängung einer mehrjährigen vollstreckbaren Freiheitsstrafe sowie in zwei weiteren Verfahren mit dem Widerruf von Bewährungsaussetzungen hinsichtlich (Rest-)Strafen von ebenfalls mehreren Jahren zu rechnen. Dies begründet für ihn einen ganz erheblichen Anreiz, sich der weiteren Strafverfolgung durch Untertauchen bzw. Flucht in sein Heimatland zu entziehen. Hierzu dürfte er, der gute Kontakte zum Betäubungsmittelmilieu und ausweislich der Feststellungen des Urteils des Landgerichts Hannover vom 08. Dezember 1993, durch welches er wegen Totschlags zu 9 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, auch zum Rotlichtmilieu besitzt, jederzeit in der Lage sein. Der Zweck der Untersuchungshaft läßt sich deshalb auch nicht mit weniger einschneidenden Maßnahmen nach § 116 StPO erreichen.

3. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 13. September 2001 in der Fassung der Haftfortdauerentscheidung des Schöffengerichts Herford vom 12. Februar 2002 sowie der angefochtene Beschluß der Strafkammer vom 22. November 2002 waren jedoch aufzuheben, weil der weitere Vollzug der Untersuchungshaft gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.

Es ist anerkannt, daß auch außerhalb des Verfahrens nach den §§ 121, 122 StPO (Haftprüfung durch das Oberlandesgericht) bei der gemäß § 120 Abs. 1 StPO jederzeit zu prüfenden Frage, ob die weitere Untersuchungshaft noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, auch auf das in Haftsachen im besonderen Maße geltende Beschleunigungsprinzip des § 6 EMRK abzustellen ist (vgl. Löwe/Rosenberg-Hilger, StPO, 25. Aufl., § 120 Rdnr. 16). Dies gilt insbesondere dann, wenn sich nach Erlaß des erstinstanzlichen Urteils das Rechtsmittelverfahren ungebührlich verzögert (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 120 Rdnr. 7 und § 121 Rdnr. 8 mit weiteren Nachweisen).

Ein solcher Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist hier gegeben. Der Angeklagte befindet sich mittlerweile seit mehr als einem Jahr und vier Monaten in Untersuchungshaft zum Zeitpunkt der auf den 07./08. Oktober 2003 anberaumten Berufungshauptverhandlung wird er sich nahezu zwei Jahre und einen Monat in Untersuchungshaft befinden. Hierin liegt eine nicht mehr hinzunehmende Verzögerung des Verfahrens durch den Vorsitzenden der Berufungsstrafkammer, die den Senat zur Aufhebung des Haftbefehls nötigt.

Zwar beruht die übermäßige Dauer des Berufungsverfahrens, wie sie sich bis zur Hauptverhandlung am 07. Oktober 2003 ergeben haben wird, nicht ausschließlich auf der Behandlung der Sache durch den Strafkammervorsitzenden. Die Verzögerung, die sich daraus ergibt, dass der von der Verteidigung benannte Zeuge V. im Wege eines Rechtshilfeersuchens in Serbien zu laden ist, kann der Justiz nicht angelastet werden, denn sie ist ausschließliche Folge des Verteidigungsverhaltens des Angeklagten. Soweit hierdurch das Berufungsverfahren in die Länge gezogen wird, hat der Angeklagte dies hinzunehmen.

Jedoch hätte die Ladung des Zeugen V. bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt, als tatsächlich erfolgt, in die Wege geleitet werden können und müssen. Schon mit der Vorlage der Akten gemäß § 321 StPO am 16. April 2002 ist zur Kenntnis der Strafkammer gelangt, daß vor dem Schöffengericht Herford unter anderem der Zeuge V. zur Stützung der Version der Verteidigung benannt worden war, der Angeklagte habe an dem Betäubungsmittelgeschäft lediglich als Vermittler und Fahrer, mit andern Worten nur als Gehilfe, mitgewirkt. Zur Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung, die wegen der seit dem 13. September 2001 gegen den Angeklagten vollzogenen Untersuchungshaft besonders zeitnah stattfinden mußte, hätte das für die Ladung des Zeugen V. Erforderliche deshalb sofort veranlaßt werden müssen. Dies durfte auch nicht deshalb zunächst unterbleiben, weil zwischen der Verteidigung und dem Vorsitzenden der Berufungsstrafkammer anfänglich Gespräche über eine etwaige Beschränkung der Berufung, das heißt eine Hauptverhandlung ohne Beweisaufnahme zum angefochtenen Schuldspruch, geführt worden sind. Denn wie aus dem Vermerk des Vorsitzenden der Berufungsstrafkammer vom 20. Dezember 2002 auch hervorgeht, zeichnete sich sehr deutlich ab, daß der Verteidiger eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe anstrebte, während der Strafkammervorsitzende deutlich gemacht hatte, daß die zu erwartende Freiheitsstrafe „sich aber immer noch im Bereich von ca. 2 1/2 Jahren bewegen dürfte“. Damit stand zu einem sehr frühen Stadium des Berufungsverfahrens fest, daß es zu einer Beschränkung der Berufung nicht kommen würde mit der Folge, daß der Zeuge V., von dem bekannt war, daß er sich in Serbien aufhielt, zu der Berufungshauptverhandlung zu laden war. Daß erste vorbereitende Schritte zur Bewirkung dieser Ladung erstmals am 05. August 2002 unternommen worden sind, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Schon die auf dieser fehlerhaften Sachbehandlung beruhende Verzögerung des Berufungsverfahrens um mehrere Monate hat die Unverhältnismäßigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft zur Folge, ohne daß es darauf ankommt, ob im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens noch weitere nicht gerechtfertigte Verzögerungen eingetreten sind. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 13. September 2001 sowie die weiteren im vorliegenden Verfahren gegen den Angeklagten ergangenen Haftanordnungen waren daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer analogen Anwendung von § 473 Abs. 3 StPO.


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