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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 74/03 OLG Hamm

Leitsatz: Wird ein Fahrverbot verhängt, muss sich dem tatrichterlichen Urteil entnehmen lassen, dass der Tatrichter sich der Möglichkeit, dass der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch durch eine Erhöhung der Geldbuße erreicht werden kann, bewusst gewesen ist. Bei der erforderlichen Abwägung Vielmehr kann dem Umstand, dass der Betroffene irrtümlich ein Sonderrecht nach § 35 Abs. 1 StVO angenommen hat, Bedeutung zukommen.

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrverbot, Absehen, Wechselwirkung, Möglichkeit bewusst, Sonderrecht

Normen: BKatV 2, StVO 35

Beschluss: Bußgeldsache
gegen M.S.
wegen Zuwiderhandlung gegen § 41 (Zeichen 274) StVO.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 5. November 2002 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 02- 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 OWiG beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Soest zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Soest hat gegen den Betroffenen wegen einer am 26. Mai 2002 auf der K 8 in Möhnesee-Völlinghausen außerhalb geschlossener Ortschaft begangenen fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung um 48 km/h eine Geldbuße in Höhe von 100,- € festgesetzt und ihm für die Dauer eines Monats verboten, im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug zu führen. Es hat weiter angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Zum Rechtsfolgenausspruch ist in dem angefochtenen Urteil u.a. ausgeführt:

„Der Bußgeldkatalog sieht hierfür einen Regelsatz in Höhe von 100,00 € vor. Mangels außergewöhnlicher Umstände hat das Gericht zur Einwirkung auf den Betroffenen eine Geldbuße in dieser Höhe verhängt. Weiter war gemäß der Bußgeldkatalogverordnung ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat zu verhängen. Das Gericht ist sich dabei bewusst, dass trotz Vorliegens eines sogenannten Regelfalles von der Anordnung eines Fahrverbots nicht nur bei Verkehrsgegebenheit mit denkbar geringer Gefährlichkeit und minimalem Handlungsunwert im Verhalten des Betroffenen, sondern auch dann abgesehen werden kann, wenn eine Vielzahl von für sich genommen gewöhnlicher oder erhebliche Härten eine solche Ausnahme begründen. Derartige Umstände sind indes im vorliegenden Fall nicht gegeben. Dass der Betroffene - die Richtigkeit seiner Einlassung unterstellt - vorliegend keine Sonderrechte in Anspruch nehmen konnte, war eindeutig und hätte dem Betroffenen, der bereits seit langen Jahren Polizeibeamter ist, jedenfalls bekannt sein müssen. Dem Betroffenen, der nach seinen Angaben im Wach- und Wechseldienst tätig ist und nur ab und an „rausfährt“ und ansonsten für die Erstellung der Dienstpläne verantwortlich ist, droht aufgrund des Fahrverbotes kein Verlust des Arbeitsplatzes. Etwaige mit dem Fahrverbot verbundene Nachteile werden dadurch abgemildert, dass das Fahrverbot gem. § 25 Abs. 2 a StVG nach Willen des Betroffenen erst binnen einer Frist von 4 Monaten ab Rechtskraft des Urteils wirksam wird. Der Betroffene hat danach beispielsweise die Möglichkeit, das Fahrverbot während seines 30-tägigen Jahresurlaubs zu legen.“

Hiergegen richtet sich die zulässige, auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches - zumindest vorläufigen - Erfolg, denn der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Begründung des Amtsgerichts zur Anordnung des Fahrverbots ist unvollständig. Zwar ist das Gericht - wie hier - bei Vorliegen eines Regelfalles von der Verpflichtung enthoben, die grundsätzliche Angemessenheit der Verhängung eines Fahrverbots besonders zu begründen, wenn keine durchgreifenden Anhaltspunkte für ein Abweichen erkennbar sind. Desgleichen sind keine näheren Feststellungen dazu erforderlich, ob - unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes - der durch das Fahrverbot angestrebte Erfolg auch durch eine Erhöhung der Geldbuße erreicht werden kann. Der Tatrichter muss sich aber dieser Möglichkeit bewusst gewesen sein und dies in den Entscheidungsgründen grundsätzlich auch erkennen lassen (vgl. BGH, NZV 1992, 286 = BGHSt 38, 125 ff.; BGHSt 38, 231 ff.; Senatsbeschluss vom 8. August 1995 in 4 Ss OWi 339/95). Daran fehlt es hier jedoch. Die Ausführungen erschöpfen sich in allgemeinen Erwägungen, weshalb im vorliegenden Fall ein Fahrverbot verhängt werden musste. Zwar geht es insoweit auch noch zureichend auf die Auswirkungen des Fahrverbots auf das berufliche Schicksal des Betroffenen ein, jedoch lässt sich daraus nicht entnehmen, dass sich das Amtsgericht der genannten Wechselwirkung bewusst gewesen ist. Anhaltspunkte dafür, dass ausnahmsweise eine dahingehende Abwägung nach den Gesamtumständen abwegig wäre, liegen nicht vor. Vielmehr könnte dem Umstand, dass der Betroffene irrtümlich ein Sonderrecht nach § 35 Abs. 1 StVO angenommen hat, im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung Bedeutung zukommen (vgl. zur Rechtfertigung der Geschwindigkeitsüberschreitung eines Polizeibeamten im privaten PKW zur Verfolgung eines Straftäters OLG Stuttgart, NZV 1992, 123; OLG Thüringen, VRS 94, 459; OLG Hamm, VRS 20, 378).

Die aufgezeigten Begründungsmängel im Rechtsfolgenausspruch nötigen zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Diese Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.

Der Senat sieht sich gehindert, gemäß § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst zu entscheiden, da in Bezug auf die Rechtsfolgenbestimmung weitere Feststellungen zu treffen sind etwa dahin, ob das Amtsgericht die Einlassung des Betroffenen als Schutzbehauptung ansieht oder aber von der Unwiderlegbarkeit der Einlassung ausgeht. Eine dahingehende Feststellung ist den Urteilsgründen nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Deshalb war die Sache im Umfang der Aufhebung des angefochtenen Urteils an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 354 Abs. 2 StPO), die auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden hat, weil der Erfolg des Rechtsmittels im Sinne der §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 StPO bisher noch nicht feststeht.


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