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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss OWi 97/03 (19) OLG Hamm

Leitsatz: 1. Ist der Bußgeldsenate des Oberlandesgerichts nach § 80 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG mit nur einem Richter besetzt, gilt das auch für die ggf. zu treffende Entscheidung über die Frage der Ablehnung des Amtsrichters wegen der Besorgnis der Befangenheit.
2. Die Eigenschaft als erkennender Richter ist nicht nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem das Ablehnungsgesuch eingeht, sondern nach demjenigen, in dem über es entschieden wird. Sie endet mit der Urteilsfällung.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Bußgeldsenat, Einzelrichter, Entscheidungskompetenz, Annexentscheidung, erkennender Richter

Normen: OWiG 80 a, StPO 28


Beschluss: Bußgeldsache
gegen J.F.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit (hier: sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs wegen Besorgnis der Befangenheit)

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 20. Januar 2003 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 14. Januar 2003 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 03. 2003 durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst.

Gründe:
I.
Gegen den Betroffenen ist durch Bußgeldbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Hagen vom 26. Juni 2002, zugestellt am 02. Juli 2002, wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß den §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG i.V.m. Nr. 11.3.5 BKat eine Geldbuße in Höhe von 50,00 € festgesetzt worden. Auf den am 02. Juli 2002 eingegangenen Einspruch des Betroffenen gleichen Datums gegen diesen Bescheid ist das Verfahren an das Amtsgericht Hagen abgegeben worden. Mit Verfügung vom 15. November 2002 hat der zuständige Amtsrichter Hauptverhandlungstermin auf den 12. Dezember 2002 anberaumt. Nach Ablehnung seiner mit beruflicher Verhinderung wegen der in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt erforderlichen Wahrnehmung eines Gerichtstermins in Frankfurt/Oder begründeten Verlegungsanträge vom 27. November 2002 und 04. Dezember 2002 hat der Betroffene am Tag vor dem Termin per Telefax unter Vorlage der Kopie einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mitgeteilt, dass er krankheitsbedingt an der Teilnahme an der Hauptverhandlung gehindert sei. Der Amtsrichter hat ihm hierauf ebenfalls per Telefax mitgeteilt, dass der Termin bestehen bleibe, weil das ärztliche Attest inhaltlich ungeeignet sei, ein Ausbleiben im Termin zu entschuldigen. Daraufhin hat der Betroffene mit Schriftsatz vom selben Tage, per Telefax eingegangen in der Post- und Telefaxannahmestelle der Wachtmeisterei um 17.17 Uhr und nochmals um 17.19 Uhr, den Amtsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Nachdem der Betroffene zu dem Verhandlungstermin vom 12. Dezember 2002 zur festgesetzten Zeit um 12.00 Uhr nicht erschienen war, hat der Amtsrichter um 12.20 Uhr in Unkenntnis des Ablehnungsgesuchs seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid kostenpflichtig gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Mit Beschluss vom 14. Januar 2003 hat der Direktor des Amtsgerichts Hagen nach Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Amtsrichters den Ablehnungsantrag des Betroffenen als unzulässig verworfen. Gegen diesen ihm am 20. Januar 2003 zugestellten Beschluss richtet sich die am selben Tag beim Amtsgericht Hagen eingegangene sofortige Beschwerde des Betroffenen gleichen Datums, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 11. Februar 2003, auf die verwiesen wird, die Auffassung vertreten, eine Entscheidung des Senats sei nicht veranlasst.

II.
1. Der Senat hat in der Besetzung mit nur einem Richter darüber zu befinden, ob er in dem vorliegenden Verfahren zur Entscheidung berufen ist.
Gegen das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts Hagen vom 12. Dezember 2002 nach § 74 Abs. 2 OWiG als Hauptsache ist neben dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 74 Abs. 3 OWiG die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 bis 3, S. 2 OWiG statthaft (vgl. BGHSt 38, 251 = NJW 1992, 2494; OLG Hamm NJW 1972, 1063). Gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG ist diese u.a. zulässig, wenn sie nach § 80 OWiG zugelassen wird. In Verfahren über die Zulassung von Rechtsbeschwerden sind die Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte nach § 80 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 OWiG mit nur einem Richter besetzt. Diese Zuständigkeitsregelung gilt nicht nur für die Hauptsache Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Verwerfungsurteil , sondern auch für alle mit ihr zusammenhängenden Nebenentscheidungen (vgl. Senatsbeschluss vom 03. November 1999 in 2 Ss OWi 1070/99 = NJW 2000, 451, 452). Zum einen ergibt sich dies aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift, wonach der Einzelrichter „in Verfahren über die Zulassung...“ zur Entscheidung berufen ist. Denn die Formulierung „in Verfahren“ umfasst alle Entscheidungen, die während des Zulassungsverfahrens zu treffen sind. Zum anderen würde jede andere Kompetenzzuweisung dem Sinn und Zweck der Neuregelung der Besetzung der Bußgeldsenate durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und anderer Gesetze vom 26. Januar 1998 (BGBl I, 156, 340), die Bußgeldsenate der Oberlandesgerichte zu entlasten (vgl. BGHSt 44,
145 ff. m.w.N.), zuwiderlaufen. Hätte über die wichtigere Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde der Einzelrichter zu befinden, während die unbedeutenderen Annexentscheidungen wie vorliegend die Frage der Ablehnung des Amtsrichters wegen der Besorgnis der Befangenheit dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern oblägen, stünde dies dem angestrebten Entlastungseffekt diametral entgegen.

2. Eine Entscheidung des Senats über die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 14. Januar 2003 ist nicht veranlasst.
Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, ist nach § 28 Abs. 2 S. 1 StPO die sofortige Beschwerde zulässig, sofern die Entscheidung nicht einen erkennenden Richter i.S.d. S. 2 der bezeichneten Norm betrifft; dann kann sie nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden.
Die Eigenschaft als erkennender Richter ist nicht nach dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem das Ablehnungsgesuch eingeht, sondern nach demjenigen, in dem über es entschieden wird (OLG Hamburg NStZ 1999, 50; OLG Köln MDR 1993, 256 und NJW 1993, 608; OLG Karlsruhe NJW 1975, 458, 459; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 28 Rdnr. 6; Karlsruher Kommentar-Pfeiffer, StPO, 4. Aufl., § 28 Rdnr. 3; Löwe/Rosenberg-Wendisch, StPO, 24. Aufl., § 28 Rdnr. 16). Sie endet mit der Urteilsfällung (OLG Hamburg a.a.O.; OLG Celle NJW 1960, 210; LG Düsseldorf StV 1991, 410; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O.; Karlsruher Kommentar-Pfeiffer, a.a.O.; Löwe/Rosenberg-Wendisch, a.a.O., Rdnr. 15). § 28 Abs. 2 S. 2 StPO soll vor Verzögerungen des Beginns und des Verlaufs der Hauptverhandlung schützen. Diese Gefahr droht dagegen bei sofortigen Beschwerden gegen Beschlüsse, durch die Ablehnungsgesuche gegen überhaupt nicht mehr mit der Sache befasste Richter zurückgewiesen werden, nicht. Über den Ablehnungsantrag des Betroffenen ist mit Beschluss vom 14. Januar 2003 erst nach Verkündung des Verwerfungsurteils vom 12. Dezember 2002 entschieden worden, so dass der abgelehnte Amtsrichter zu diesem Zeitpunkt kein erkennender Richter mehr war und die sofortige Beschwerde nicht nach § 28 Abs. 2 S. 2 StPO ausgeschlossen ist.
Über die demnach gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 StPO zulässige sofortige Beschwerde entscheidet nach § 73 GVG nicht der Senat, sondern die zuständige Beschwerdekammer des Landgerichts Hagen.


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