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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss 1114/02 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Fehlen des Eröffnungsbeschlusses und zum „Nachholen“ durch anderweitige Entscheidungen

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Eröffnungsbeschluss; fehlen, Ladungsverfügung, Terminsladung, Verzicht

Normen: StPO 203, StPO 206 a

Beschluss: Strafsache
gegen O.S.
wegen Diebstahls

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Gladbeck vom 11. April 2002 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. 02. 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird, soweit der Angeklagte in den Verfahren 53 Js 1732/01 StA Essen und 53 Js 324/02 StA Essen wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls schuldig gesprochen worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Verfahren 53 Js 1732/01 und 53 Js 324/02 StA Essen werden eingestellt.

Die Kosten dieser Verfahren und die dem Angeklagten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Essen hat gegen den Angeklagten drei Anklagen erhoben, nämlich unter dem 18. Oktober 2001 (53 Js 1732/01) betreffend einen Vorfall vom 3. September 2001 in Gladbeck vor dem Jugendrichter des Amtsgerichts Gladbeck, unter dem 11. Januar 2002 (53 Js 1953/01) betreffend einen Vorfall vom 4. Oktober 2001 in Gladbeck vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Gladbeck und unter dem 27. Februar 2002 (53 Js 324/02) betreffend einen Vorfall vom 19. Januar 2002 in Gladbeck vor dem Jugendrichter des Amtsgerichts Gladbeck. Die Verfahren 53 Js 1953/01 und 53 Js 1732/01 sind durch Beschluss des Jugendschöffengerichts des Amtsgerichts Gladbeck vom 18. März 2002 miteinander verbunden worden. In der Hauptverhandlung des Jugendschöffengerichts des Amtsgerichts Gladbeck
vom 11. April 2002 ist desweiteren ein Beschluss über die Verbindung der Verfahren 53 Js 1732/01 und 53 Js 324/02 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ergangen. Anschließend verzichteten der Angeklagte und der Verteidiger ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls „auf die Einhaltung sämtlicher Fristen und stimmten der gemeinsamen heutigen Verhandlung zu“.

Mit Urteil vom 11. April 2002 hat das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Gladbeck den Angeklagten von dem in dem Verfahren 13 Js 1953/01 erhobenen Vorwurf (der Erpressung) freigesprochen. In den Verfahren 53 Js 1732/01 und 53 Js 324/02 hat es ihn wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls schuldig gesprochen und gegen ihn deswegen zwei Freizeitarreste verhängt.

Gegen die Verurteilung in den beiden letztgenannten Verfahren richtet sich die Revision des Angeklagten mit dem Antrag, diese Verfahren gemäß § 206 a StPO einzustellen. Die Revision rügt, dass ein Urteil ergangen sei, obwohl es in beiden Verfahren an einer Entscheidung über die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens fehle.

II.
Das Rechtsmittel hat in vollem Umfang Erfolg. Es führt unter entsprechender Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Verfahrenseinstellung gemäß § 206 a StPO in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang. Die vom Revisionsgericht von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob der Verurteilung des Angeklagten ein Prozesshindernis entgegensteht, hat ergeben, dass sowohl in dem Verfahren 53 Js 1732/01 wie auch in dem dem Verfahren 53 Js 324/02 die Hauptverhandlung durchgeführt worden ist, obwohl eine Verfahrensvoraussetzung - nämlich der Eröffnungsbeschluss - gefehlt hat und auch nicht in zulässiger Weise nachgeholt worden ist.

Der prozessordnungsgemäße Fortgang eines Strafverfahrens setzt nach Erhebung der Anklage voraus, dass das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung des Hauptverfahrens entscheidet. Es befindet darüber, ob aufgrund des Ergebnisses der Ermittlungen bei vorläufiger Tatbewertung eine Verurteilung des Angeschuldigten möglich erscheint (BGHSt 23, 304, 306). Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens gibt das zuständige Gericht zu erkennen, dass es nach Durchsicht der Akten die Verurteilung für hinreichend wahrscheinlich hält. Durch diese Kontrollkompetenz soll verhindert werden, dass das Gericht gezwungen ist, eine Hauptverhandlung mit allen Nachteilen und Konsequenzen für den Betroffenen durchzuführen, wenn es abweichend von der Staatsanwaltschaft die Anklage nicht für schlüssig oder den Tatverdacht nicht für ausreichend hält (BGHSt 29, 224, 229).

Angesichts der Bedeutung dieser richterlichen Entscheidung für das weitere Verfahren ist der Eröffnungsbeschluss in schriftlicher Form abzufassen (BGH DRiZ 1981, 343; NJW 1987, 2751; OLG Hamm MDR 1993, 893; BayObLG StV 1990, 395, 396; OLG Zweibrücken, NStZ-RR 1998, 74 m.w.N.).

Bei den Akten befindet sich, was das Verfahren 53 Js 1732/01 angeht, ein nicht unterzeichneter Beschluss, für den der amtliche Vordruck StP 18 „Eröffnungsbeschluss und Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung (§§ 203, 207, 213 StPO) - Amtsgericht gen. 01.2000 - ADV“ verwandt worden ist. Die Beschlussfassung ist unter Verwendung eines Stempels auf den „20.Nov.2001“ datiert, die Unterschrift des Richters enthält sie nicht (vgl. Bl. 34 d.A.). Zwar umfasst der Begriff der Schriftlichkeit nicht das Erfordernis einer Unterzeichnung durch den Urheber der Erklärung. Allerdings muss aus der schriftlichen Erklärung bedenkenfrei die Person des Urhebers hervorgehen und festgestellt werden können, dass die Entscheidung mit dessen Willen in den Rechtsverkehr gelangt ist, es sich also nicht um einen bloßen Entwurf handelt. Soweit ein Eröffnungsbeschluss nicht ausdrücklich ergangen ist, wenn etwa die richterliche Unterschrift unter dem Text fehlt, kann ein solcher in einer schriftlichen Entscheidung dann gesehen werden, wenn sich aus ihr zweifelsfrei ergibt, dass das Gericht nach Prüfung der Voraussetzungen die Anklage zulassen wollte. Daran fehlt es hier jedoch. Zwar hat der für die Eröffnungsentscheidung zuständige Richter unter dem 8. November 2001 die Zustellung der Anklage an den Angeschuldigten angeordnet und desweiteren die Wiedervorlage der Akten „nach 10 Tagen mit Entwurf des Eröffnungsbeschlusses“ verfügt (vgl. Bl. 32 d.A.). Hieraus kann jedoch, worin der Revision Recht zu geben ist, nicht mit der notwendigen Sicherheit darauf geschlossen werden, dass der Amtsrichter das Verfahren tatsächlich nach pflichtgemäßer und eigenständiger Prüfung des Akteninhalts eröffnet hat. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei diesem Verfahrensgang lediglich der (von der Schreibkanzlei) vorgefertigte Beschluss über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu den Akten gelangt ist, ohne dass eine richterliche Prüfung der Anklage stattgefunden hat.

Die fehlende Eröffnungsentscheidung ist auch durch die auf einem gesonderten Blatt der Akten erfolgte Termins- und Ladungsverfügung vom 20. November 2001 (vgl. Bl. 35 d.A.) nicht wirksam ersetzt worden, auch wenn sie von dem für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Richter unterschrieben worden ist (OLG Zweibrücken, a.a.O.; OLG Frankfurt NJW 1991, 2849). Die Termins- und Ladungsverfügung setzt vielmehr einen wirksam gefassten Eröffnungsbeschluss voraus. Erforderlich bleibt aus Gründen der Rechtssicherheit, dass der fragliche Beschluss aus sich heraus oder in Verbindung mit sonstigen Urkunden mit Sicherheit erkennen lässt, dass der zuständige Richter die Eröffnung der Hauptverhandlung beschlossen hat. Der ausschließlich die Hauptverhandlung vorbereitenden Termins- und Ladungsverfügung kann jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen weder eindeutig noch schlüssig entnommen werden, dass das Gericht damit inhaltlich (auch) einen Eröffnungsbeschluss fassen wollte und auch gefasst hat.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift des Jugendschöffengerichts vom 11. April 2002 ist in dem Verfahren der Anklage vom 18. Oktober 2001 (53 Js 1732/01) der Eröffnungsbeschluss auch nicht nachgeholt worden (vgl. Bl. 144 ff d.A.). Die Protokollierung der Erklärungen des Angeklagten und seines Verteidigers in der Hauptverhandlung, dass sie auf die Einhaltung sämtlicher Fristen verzichteten und der gemeinsamen heutigen Verhandlung zustimmten, lässt ebenfalls nicht erkennen, dass das Schöffengericht den hinreichenden Tatverdacht bezüglich der unter dem 18. Oktober 2001 angeklagten Taten geprüft hat. Vielmehr sprechen die Umstände eher dafür, dass der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts irrig davon ausgegangen ist, dass dieses Verfahren bereits eröffnet sei.

Auch in dem Verfahren 53 Js 324/02 ist eine Eröffnungsentscheidung weder ausdrücklich noch schlüssig ergangen. Die Frage, ob ein bloßer Verbindungsbeschluss die Wirkung eines Eröffnungsbeschlusses haben kann, kann dahinstehen, da es bereits in dem Verfahren 53 Js 1732/01, mit dem das Verfahren 53 Js 324/02 verbunden worden ist, an einer Eröffnungsentscheidung fehlt.

Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils waren die Verfahren 53 Js 1732/01 und 53 Js 324/02 somit gemäß § 206 a StPO einzustellen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO.


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