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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ws 24/03 OLG Hamm

Leitsatz: Zwar ist es in der Regel geboten, sich im Widerrufsverfahren hinsichtlich der Sozialprognose wegen der besseren Erkenntnismöglichkeiten der Beurteilung des die neue Straftat aburteilenden Gerichts anzuschließen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Entscheidung des neuen Urteils nicht nachvollziehbar, nicht überzeugend oder nur formelhaft bzw. schematisch begründet ist

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Widerruf von Strafaussetzung, Bewährung, günstige Sozialprognose, neue Straftat, nicht nachvollziebare Begründung

Normen: StGB 56 f

Beschluss: Strafsache

gegen I.H.
wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln u.a., (hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung bezüglich eines Strafrestes).

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 12. Dezember 2002 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 5. Dezember 2002 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 03. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Verurteilten beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 24. Juni 1998 in Verbindung mit dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 16. April 1999 wird widerrufen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

Gründe:
Der Verurteilte ist im vorliegenden Verfahren wegen unerlaubten Erwerbs in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden. Nach Verbüßung von 2/3 dieser Strafe wurde durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 16. April 1999, rechtskräftig seit dem 30. April 1999, die Vollstreckung des Strafrestes von noch 43 Tagen für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt.

Durch weiteren Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 24. November 1999 wurde die Bewährungszeit um ein Jahr (bis zum 29. April 2003) verlängert, weil der Verurteilte zwischenzeitlich durch Strafbefehl des Amtsgerichts Duisburg vom 13. August 1999 wegen Diebstahls (Tatzeit am 30. Juni 1999) zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden war.

Sodann wurde der Verurteilte durch Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 28. Juni 2000, rechtskräftig seit demselben Tag, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln (Tatzeit Anfang Oktober 1999 und am 26. November 1999) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.

Daraufhin hat die Strafvollstreckungskammer durch Beschluss vom 28. September 2000 die Bewährungszeit erneut um ein weiteres Jahr (bis zum 29. April 2004) verlängert.

Sodann wurde der Verurteilte am 26. Januar 2002 bei einem Diebstahlsversuch aus einem PKW auf frischer Tat betroffen, festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Wegen dieser Tat und eines am 3. Dezember 2001 begangenen Diebstahls aus einem PKW wurde er durch Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 10. April 2002, rechtskräftig seit dem 18. April 2002, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten unter abermaliger Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verurteilt. In dem abgekürzten Urteil ist die Strafaussetzung lediglich wie folgt begründet worden:

„Wegen einer inzwischen günstigen Sozialprognose konnte die Strafe noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 56 StGB).“

Durch den nunmehr angefochtenen Beschluss vom 5. Dezember 2002 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 2. Juli 2002 auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung im vorliegenden Verfahren abgelehnt und stattdessen die Bewährungszeit nochmals um ein weiteres Jahr verlängert. Insoweit hat die Strafvollstreckungskammer sich auf die erneute Strafaussetzung zur Bewährung im Urteil vom 10. April 2002 berufen und sich der dort gestellten günstigen Prognose angeschlossen.

Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft (vgl. hierzu OLG Hamm, NStZ 1988, 291) ist zulässig und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zum Widerruf der Strafaussetzung.

Dabei kann dahinstehen, ob angesichts der bereits zwei Mal erfolgten Verlängerung der Bewährungszeit bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren eine weitere Verlängerung überhaupt noch in Betracht gekommen wäre (vgl. zu der insoweit auch von den hiesigen Strafsenaten zum Teil kontrovers diskutierten Frage Senatsbeschluss vom 14. Juni 2000 in 2 Ws 145 -149/00).

Angesichts der Gesamtumstände war die Strafaussetzung zur Bewährung nämlich nunmehr zu widerrufen. Der Verurteilte hat durch die erneuten Straftaten vom 3. Dezember 2001 und 26. Januar 2002 nicht nur gezeigt, dass die der Strafaussetzung zugrunde liegende Erwartung sich nicht erfüllt hat, wovon allerdings auch die Strafvollstreckungskammer ausgegangen ist, sondern es kommen angesichts einer ungünstigen Sozialprognose mildere Maßnahmen als der Widerruf gemäß § 56 f Abs. 2 StGB nun nicht mehr in Betracht.

Ein anderes Ergebnis wird insbesondere nicht dadurch begründet, dass dem Verurteilten durch das vorbezeichnete Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 10. April 2002 erneut Strafaussetzung zur Bewährung gewährt worden ist. Zwar ist es in der Regel geboten, sich hinsichtlich der Sozialprognose wegen der besseren Erkenntnismöglichkeiten der Beurteilung des die neue Straftat aburteilenden Gerichts anzuschließen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn die Entscheidung des neuen Urteils nicht nachvollziehbar, nicht überzeugend oder nur formelhaft bzw. schematisch begründet ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 56 f Rdnr. 8 a m.w.N.).

Dies ist hier der Fall, weil das Amtsgericht ohne jegliche Begründung lediglich formelhaft ausgeführt hat, „wegen einer inzwischen günstigen Sozialprognose“ könne die Strafe noch einmal zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem hat sich die Strafvollstreckungskammer zu Unrecht ohne weiteres mit dem Bemerken angeschlossen, ein Widerruf würde dem mit der erneuten Aussetzung verfolgten Zweck „diametral“ entgegenstehen.

Insbesondere hat die Strafvollstreckungskammer den letzten Bericht der Bewährungshelferin vom 28. Oktober 2002 unberücksichtigt gelassen, in welchem u.a. folgendes ausgeführt ist:

„Der Lebensunterhalt wird durch die finanzielle Unterstützung der Eltern sichergestellt. Herr H. ist nicht bereit, die Voraussetzungen für den Sozialhilfebezug, z. B. Arbeit statt Sozialhilfe, zu erbringen.
Nach seiner Aussage bemüht er sich immer mal wieder um eine Arbeitsaufnahme. Mir erscheinen diese Bemühungen nicht sehr ernsthaft. Zum einen hat er im Jahre 2000 die Umschulung nur vier Monate durchgehalten, zum anderen hat er seitdem nur für einen Monat bei einer Zeitarbeitsfirma gearbeitet.

Herr H. wird inzwischen über zwei Jahre substituiert. Die notwendige psychosoziale Begleitung nimmt er nur sporadisch in Anspruch.
Der Auflage, sich einer psychosozialen Betreuung bei der Drogenberatungsstelle zu unterziehen, ist er nicht genügend nachgekommen. Zunächst war die Kontaktaufnahme, später die Wahrnehmung der Termine schleppend. Die geforderten Nachweise hat er im genügenden Umfang nie vorgelegt.

Nach der Ermahnung von seiten des Gerichts und der Entlassung aus der
U-Haft hat der Proband den Kontakt zu mir wieder aufgenommen. Allerdings spricht er nicht zuverlässig vor. In der Regel muss er ein- bis zweimal eingeladen werden.

Herrn H. ist keine günstige Sozialprognose zu stellen. Seine Einstellung und seine Verhaltensweise zeigen keinen Ansatz einer positiven Entwicklung. Der Proband ist meines Erachtens nicht bereit, die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Er sieht nicht die Notwendigkeit, für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen. Er nimmt gegenüber den Eltern eine Versorgungshaltung ein, die diese natürlich durch ihre Unterstützung aufrechterhalten.
Auch hinsichtlich der strafrechtlichen Auffälligkeiten neigt Herr H. zur Verharmlosung. Meines Erachtens wird er sich wiederholt in gefährdeten Situationen befinden, ohne die Konsequenzen seines Handelns zu bedenken.“

Bei dieser Sachlage kann es letztlich dahinstehen, ob der Verurteilte, der seit 1986 mehr als 15 mal bestraft werden musste, am 27. Juli 2002 erneut in drei Fällen sich an Diebstählen aus PKWs beteiligt hat, weswegen er in dem Verfahren 331 Js 1387/02 von der Staatsanwaltschaft Duisburg unter dem 26. November 2002 vor dem Amtsgericht Duisburg angeklagt worden ist. Allerdings bestätigt das Verhalten des Verurteilten in jenem Verfahren die oben geschilderte Darlegung und Einschätzung der Bewährungshilfe. Er ist nämlich zu dem Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Duisburg am 7. März 2003 (Verfahren 83 Ds 57/03 - zuvor 39 Ds 845/02) nicht erschienen, so dass gegen ihn ein Haftbefehl ergangen ist.

Nach alledem war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich des Strafrestes im vorliegenden Verfahren zu widerrufen.

Dieser Entscheidung steht letztlich auch nicht entgegen, dass gegen die in dem Parallelverfahren StVK H 494/99 LG Bochum (= 36 VRs 1039/97 StA Duisburg) durch Beschluss vom 15. November 2002 angeordnete Verlängerung der Bewährungszeit seitens der Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht angefochten worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung der §§ 465 und 473 StPO.


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