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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss OWi 201/03 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen bei durch Nachfahren zur Nachtzeit gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Nachfahren, Nachzeit, tatsächliche Feststellungen, Anforderungen

Normen: StVO 3, StPO 267]
Beschluss: Bußgeldsache

gegen V.Z.,
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 18. Dezember 2002 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 13. 03. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Schwerte zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht Schwerte hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274), 49 StVO i. V. m. § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 350,00 EURO festgesetzt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt (§ 25 StVG).

Dazu hat das Amtsgericht folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

„Der Betroffene ist Vertriebsleiter im Außendienst. Verkehrsrechtlich ist er bisher nicht in Erscheinung getreten.

Der Betroffene befuhr am 07.04.2002 gegen 24:00 Uhr mit seinem Pkw BMW die A 45 in Schwerte in Fahrtrichtung Frankfurt. Zwischen km 24,0 und 25,5 hielt er eine Geschwindigkeit von mindestens 161 km/h ein, obwohl die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit dort 100 km/h betrug.

Diese Geschwindigkeitsüberschreitung wurde durch Nachfahren mit einem Pkw mit geeichtem Tachometer festgestellt.“

Im Rahmen der Beweiswürdigung heißt es u. a. dann weiter:

„Der Betroffene hat in Abrede gestellt, 161 km/h gefahren zu sein. Dies sei aufgrund der Verkehrsverhältnisse überhaupt nicht möglich gewesen. Allenfalls sei er 140 km/h gefahren.

Dem stehen die glaubhaften Bekundungen der Zeugen L. und B. entgegen. Der Zeuge L. war Fahrer, der Zeuge B. Beifahrer des Polizeifahrzeugs. Die Beamten wurden auf den Betroffenen aufmerksam, als sie die Parallelspur zur Autobahn an der Anschlussstelle Dortmund-Süd in Fahrtrichtung Frankfurt befuhren. Dies ist bei km 21,0. Sie nahmen dann die Verfolgung auf und hielten von km 24,0 einen gleichbleibenden Abstand zum Fahrzeug des Betroffenen von ca. 150 m ein. Nach Angaben der Zeugen war im Übrigen das Verkehrsaufkommen gering, der Betroffene befuhr die mittlere Fahrspur. Die Beamten, die ein eingespieltes Team sind, haben die Geschwindigkeitsmessung in der Weise vorgenommen, dass der Fahrer die abgelesene Geschwindigkeit laut vor sich hinsprach, während Fahrer und Beifahrer gleichzeitig darauf achteten, dass der Abstand in etwa gleich blieb. Dabei wurden die Leitpfosten zu Hilfe genommen. Die Zeugen haben glaubhaft versichert, dass im Messbereich von 1500 m die gemessene Geschwindigkeit von 190 km/h in keinem Fall unterschritten wurde. Das Gericht hat insofern keinerlei vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der vorgenommenen Messung.

Nach anerkannter Rechtsprechung ist bei Nachfahren mit einem Fahrzeug mit geeichtem Tacho eine Toleranz von 15 % abzuziehen, dass sind hier 29 km/h, so dass eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 161 km/h verbleibt.“

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und - unter näherer Begründung - materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil wegen nicht ausreichender tatsächlicher Feststellungen aufzuheben.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Die tatsächlichen amtsgerichtlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung bislang nicht.
Das Amtsgericht hat die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften der Senat geht vorliegend im Hinblick auf die Lichtverhältnisse von einer Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaft aus - entwickelten Grundsätze, denen sich die Bußgeldsenate des Oberlandesgerichts Hamm angeschlossen haben, nicht ausreichend berücksichtigt. Das angefochtene Urteil stellt insoweit allein die Länge der Messstrecke, den ungefähren Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug, die Justierung des Tachometers und die Höhe des Sicherheitsabschlages fest. Diese Ausführungen beinhalten zwar eine ausreichende Begründung für eine Geschwindigkeitsüberschreitung mittels justiertem Tachometer bei Tage. Den weitergehenden Anforderungen für eine Messung zur Nachtzeit genügen diese Feststellungen aber nicht. Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur Nachtzeit bedarf es nämlich grundsätzlich näherer Angaben dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte und ob für die Schätzung des gleichbleibenden Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren. Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren (vgl. dazu OLG Hamm VM 1993, 67 sowie u.a. die ständige Rechtsprechung des Senats in den Beschlüssen vom 31. Januar 1997
2 Ss OWi 1565/96, VRS 93, 380; vom 18. Februar 1997 - 2 Ss OWi 37/97, DAR 1997, 285 = VRS 93, 372; vom 22. Oktober 1997 - 2 SS OWi 1216/97, DAR 1998, 75 = MDR 1998, 155 und vom 30. Oktober 1998 - 2 Ss 1295/97, MDR 1998, 156 = zfs 1998, 193 = VRS 94, 467, vom 14. Januar 1999 2 Ss OWi 1377/98, VRS 96, 458 = NZV 1999, 391; vom 21. Dezember 2001 - 2 Ss OWi 1062/01 und vom 09. September 2002 - 2 Ss OWi 643/02 ).
Auf diese Feststellungen kann grundsätzlich auch nicht verzichtet werden. Dies gilt namentlich dann, wenn der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug wie vorliegend 150 Meter beträgt. Bei einem solch großen Abstand genügt die alleinige Mitteilung, die Polizeibeamten hätten sich bei der Abstandsfeststellung bzw. Abstandsschätzung an den Leitpfosten orientiert, nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 1997 in 2 Ss OWi 1216/97). Zwar können in diesem Zusammenhang auch die in § 50 StVZO aufgestellten Anforderungen an die Beleuchtung der Fahrbahn durch Pkw Scheinwerfer von Bedeutung sein; bei einer Entfernung von ca. 150 Metern vermag aber das Scheinwerferlicht (Abblendlicht) ein vorausfahrendes Fahrzeug in der Regel nicht mehr zu erreichen, so dass in einem solchen Fall ein nicht beleuchteter Abschnitt, in dem möglicherweise auch Begrenzungspfähle nicht sichtbar sind, verbleibt. Im Übrigen ist ein Ausnahmefall, wie vom Senat bei Messungen innerorts über eine Messstrecke von 900 bzw. 1000 Metern bei einem Abstand von 60 Metern angenommen, hier nicht ersichtlich ( vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 9. Juni 1995 - 2 Ss OWi 317/95 - und vom 25. September 1995 - 2 Ss OWi 868/95 -).

Vorstehende Grundsätze hat der Tatrichter vorliegend nicht beachtet, so dass das angefochtene Urteil nach alledem an einem Begründungsmangel leidet, der grundsätzlich zu dessen Aufhebung zwingt.
Dieser Rechtsfehler führt nur dann ausnahmsweise nicht zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn die vom Amtsgericht festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung auf das Geständnis des Betroffenen gestützt werden könnte (vgl. dazu Beschluss des erkennenden Senats vom 14. Januar 1999 in 2 Ss OWi 1377/98, VRS 96, 458 = NZV 1999, 391). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH NJW 1997, 3081 mit weiteren Nachweisen) kann eine Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nämlich grundsätzlich auf einem uneingeschränkten und glaubhaften Geständnis des Betroffenen beruhen. Ein solches liegt hier aber nicht vor; vielmehr hat der Betroffene in Abrede gestellt, mit seinem Pkw eine Geschwindigkeit in Höhe von 161 km/h gefahren zu sein; die Geschwindigkeit habe allenfalls 140 km/h betragen.

Entgegen der Rechtsauffassung des Verteidigers ist der Toleranzabzug in Höhe von 15 % jedoch ausreichend. Der dem Beschluss des erkennenden Senats vom 09. September 2002 in dem Verfahren 2 Ss OWi 643/02 zugrunde liegende Sachverhalt, auf den der Verteidiger sich in der Beschwerdebegründung beruft, betraf einen anders gelagerten Sachverhalt. Der erkennende Senat sah sich dort zu einem großzügigen Sicherheitsabschlag in Höhe von 30 % veranlasst, da auch nach Zurückverweisung und erneuter Verhandlung vor dem Amtsgericht weiterhin Unsicherheiten bezüglich der exakten Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit bestanden. Um diese Unsicherheiten auszugleichen, wurde ein großzügiger Sicherheitsabschlag von 30 % vorgenommen.

Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens an das Amtsgericht Schwerte zurückzuverweisen.




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