Aktenzeichen: 2 Ss OWi 221/03 OLG Hamm
Leitsatz: Fehler und Ungenauigkeiten bei der Bezeichnung
der Tat im Bußgeldbescheid stellen die Identität der Tat und damit
die sachliche Abgrenzungsfunktion des Bußgeldbescheides nicht in Frage,
sofern die Tat durch andere Umstände so genügend konkretisiert
bleibt, dass ihre Individualität und Unterscheidbarkeit von anderen Taten
gewahrt ist.
Senat: 2
Gegenstand:
Rechtsbeschwerde
Stichworte: Bußgeldbescheid;
Abgrenzungsfunktion; Informationsfunktuion; Unterscheidbarkeit der Tat
Normen: OWiG 66
Beschluss:
Bußgeldsache
gegen D.K.
wegen fahrlässiger
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 6. Januar 2003 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 05. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers gemäß den §§ 79 Abs. 5 S. 1, Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Recklinghausen hat
den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der
zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 2,
Zeichen 274, 49 StVO i.V.m. den §§ 24, 25 StVG zu einer
Geldbuße von 100,- verurteilt und zudem ein Fahrverbot von einem
Monat verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Betroffene am
10. April 2002 um 13.22 Uhr auf der Kölner Straße in Recklinghausen
die an der Vorfallsstelle auf 30 km/h begrenzte zulässige
Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h überschritten. Dem Verfahren lag der
Bußgeldbescheid des Kreises Recklinghausen vom 1. Juli 2002 zugrunde, in
dem u.a. ausgeführt wird:
Sie überschritten die zulässige
Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Die gemessene Geschwindigkeit betrug
abzüglich der Toleranz 51 km/h. Dies ergibt eine
Geschwindigkeitsüberschreitung von 31 km/h. Fahrverbot. § 41 Abs. 2,
§ 49 StVO, Nr. 5.3 BKat. Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb
geschlossener Ortschaft.
Gegen das bezeichnete Urteil wendet der Betroffene sich mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Dem Urteil liege wegen der widersprüchlichen Angaben zur gemessenen Geschwindigkeit sowie der Geschwindigkeitsüberschreitung kein wirksamer Bußgeldbescheid zugrunde.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat
keinen Erfolg. Das Rechtsmittel war gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu
verwerfen, da die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der
Rechtsbeschwerderechtfertigung Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht
ergeben hat.
Insbesondere besteht kein Verfahrenshindernis in Form eines
unwirksamen Bußgeldbescheides.
Gegenstand der Urteilsfindung im
Ordnungswidrigkeitsverfahren ist gemäß §§ 264 Abs. 1,
155 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG die im Bußgeldbescheid
bezeichnete Tat im prozessualen Sinne. Aufgabe des Bußgeldbescheids als
Prozessvoraussetzung ist es, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher
und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen
(vgl. BGHSt 23, 346, 350). Nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG muss er die
Bezeichnung der Tat, die dem Betroffenen zur Last gelegt wird, Zeit und Ort
ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit und die
angewendeten Bußgeldvorschriften enthalten. Der von der
Verwaltungsbehörde als Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gewertete
Sachverhalt muss unter Anführung der die einzelnen Tatbestandsmerkmale
ausfüllenden Tatsachen als geschichtlicher Vorgang so konkret geschildert
werden, dass dem Betroffenen offenbar wird, welches Geschehen Gegenstand der
Ahndung sein soll und gegen welchen Vorwurf er sich verteidigen muss (BGH VRS
39, 442; OLG Hamm VRS 49, 128, 129; OLG Karlsruhe VRS 78, 296, 297). Fehler bei
der inhaltlichen Abfassung des Bußgeldbescheids führen nur zu dessen
Unwirksamkeit in dem Sinne, dass im Falle des Einspruchs die tragfähige
Grundlage für eine gerichtliche Sachentscheidung fehlt, wenn besonders
schwerwiegende Mängel gegeben sind. Diese liegen vor, wenn der
Bußgeldbescheid seiner Abgrenzungs- und Informationsfunktion nicht mehr
gerecht werden kann, weil die Tatidentität nicht mehr feststeht und
deshalb eine Verwechselungsgefahr mit anderen zur angegebenen Zeit am
bezeichneten Ort verübten Ordnungswidrigkeiten besteht (BGHSt 23, 336; OLG
Karlsruhe a.a.O.). Dagegen beeinträchtigen Mängel, die lediglich die
Vorbereitung der Verteidigung erschweren, die Wirksamkeit des
Bußgeldbescheides nicht (BGH a.a.O.). Fehler und Ungenauigkeiten bei der
Bezeichnung der Tat stellen die Identität der Tat und damit die sachliche
Abgrenzungsfunktion nicht in Frage, sofern die Tat durch andere Umstände
so genügend konkretisiert bleibt, dass ihre Individualität und
Unterscheidbarkeit von anderen Taten gewahrt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 15.
Juli 1998 in 2 Ss OWi 812/98). Der Bußgeldbescheid des Kreises
Recklinghausen vom 1. Juli 2002 enthält konkrete und zutreffende Angaben
über die Person des Betroffenen, Tag, Uhrzeit und Ort des Vorfalls,
Fabrikat und Kennzeichen des festgestellten PKW sowie die verletzten
Vorschriften und die zu verhängenden Rechtsfolgen, insbesondere das
Fahrverbot. Widersprüchlich ist lediglich die Bezeichnung der gemessenen
Geschwindigkeit abzüglich der Toleranz sowie der
Geschwindigkeitsüberschreitung. Aufgrund der zahlreichen
individualisierenden Angaben im Bußgeldbescheid war für den
Betroffenen klar erkennbar, welcher konkrete Vorfall mit der im
Bußgeldbescheid genannten Tat gemeint war. Eine Verwechselungsgefahr mit
anderen Ordnungswidrigkeiten war auch deshalb auszuschließen, weil der
Betroffene nach den Feststellungen des Amtsgerichts Recklinghausen unmittelbar
nach dem Vorfall durch den in der Hauptverhandlung als Zeugen gehörten
Polizeibeamten Arentz unter Vorhalt des Messergebnisses auf sein Fehlverhalten
und das zu erwartende Fahrverbot hingewiesen worden war. Wenn der Betroffene
unmittelbar am Tatort von einem Polizeibeamten auf sein Fehlverhalten
aufmerksam gemacht worden ist, wird sich bei sonst zutreffender und
vollständiger Sachdarstellung ein Mangel wie der vorliegende für ihn
als offensichtlicher Irrtum erkennen lassen (vgl. OLG Hamm VRS 49, 128, 129).
Dass die im Bußgeldbescheid angegebene gemessene Geschwindigkeit
abzüglich Toleranz von 51 km/h auf einem offensichtlichen Versehen beruhte
und 61 km/h lauten musste, war für den Betroffenen damit erkennbar. Die
falsche Geschwindigkeitsbezeichnung im Bußgeldbescheid ist somit
unschädlich und begründet kein Verfahrenshindernis.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 46 Abs. 1 OWiG,
473 Abs. 1 StPO.
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