Aktenzeichen: 3 Ss OWi 1126/02 OLG Hamm
Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei Festsetzung eines Fahrverbotes wegen einer beharrlicher Pflichtverletzung
Senat: 3
Gegenstand: Rechtsbeschwerde
Stichworte: Beharrliche Pflichtverletzung; erforderliche Feststellungen, Fahrverbot
Normen: StPO 267; BKatVO 4
Beschluss: Bußgeldsache
gegen H:C.
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lübbecke vom 06.09.2002 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 14. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lübbecke zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Lübbecke hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße in Höhe von 100,- sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt.
Gegen den seinem Verteidiger am 13.09.2002 zugestellten Beschluss vom 06.09.2002 hat der Betroffene mit Schriftsatz des Verteidigers vom 19.09.2002, am Folgetag beim Amtsgericht Lübbecke eingegangen, Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit dem Antrag, den Beschluss des Amtsgerichts vom 06.09.2002 aufzuheben und von der Verhängung eines Fahrverbots gegenüber dem Betroffenen Abstand zu nehmen, begründet. Die Rechtsbeschwerde führt aus, dass das erst junge Unternehmen des Betroffenen für den Fall der rechtskräftigen Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes quasi vor dem Aus stehe. Deshalb solle ausnahmsweise gegen angemessene Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, wie sich aus ihrer Begründung ergibt. Der Betroffene wendet sich nämlich allein gegen den Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Beschlusses, während er den Schuldspruch in keiner Weise angreift.
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde hat auch einen zumindest vorläufigen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Verhängung des Fahrverbots gegen den Betroffenen unter Berufung auf die Regelanordnung gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 BKatV mit den Vorbelastungen des Betroffenen begründet. Zu diesen Vorbelastungen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
Durch Bußgeldbescheid vom 04.04.2000 wurde dem Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 23 km/h eine Geldbuße von 120,- DM auferlegt. Am 31.07.2000 wurde ihm wegen eines Fehlers beim Rückwärtsfahren mit Unfallfolge eine Geldbuße von 220,- DM auferlegt. Durch Bußgeldbescheide vom 03.09.2001 und vom 25.07.2001 wurde dem Betroffenen wegen je einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 29 km/h bzw. 30 km/h eine Geldbuße von 100,- und 180,- DM auferlegt.
Feststellungen zur Rechtskraft der vorgenannten Bußgeldbescheide enthält der angefochtene Beschluss nicht.
Bei dieser Sachlage reichen die Feststellungen nicht aus, um die Anordnung des Regelfahrverbots gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 BKatV i.V.m. § 25 StVG zu tragen. Es fehlen nämlich Feststellungen dazu, dass der Betroffene die neuerliche Geschwindigkeitsüberschreitung vom 31.10.2001 nach der Rechtskraft der früheren einschlägigen Bußgeldentscheidungen vom 03.09.2001 und vom 25.07.2001 begangen hat. Denn § 2 Abs. 2 S. 2 BKatV setzt voraus, dass gegen den Führer eines Kraftfahrzeuges wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht. Nur dann ist nach der vorgenannten Bestimmung vom Regelfall einer beharrlichen Pflichtverletzung i.S.v. § 25 StVG auszugehen. Damit sind Feststellungen zur Rechtskraft der zur Begründung des Regelfahrverbotes gemäß § 2 Abs. 2 S. 2 BKatV herangezogenen früheren Bußgeldentscheidungen unverzichtbar.
Der Beschluss erweist sich im Rechtsfolgenausspruch auch nicht aus anderen Gründen als richtig, so dass die Rechtsbeschwerde deshalb keinen Erfolg hätte.
Zwar kommt grundsätzlich die Anordnung des Fahrverbotes wegen beharrlicher Verletzung von Pflichten eines Kraftfahrzeugführers auch dann in Betracht, wenn bei Begehung der neuerlichen Tat noch keine rechtskräftige Vorbelastung i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 2 BKatV vorgelegen hat wohl aber eine entsprechende Ordnungswidrigkeit begangen und ihretwegen ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden war. Voraussetzung ist dann jedoch, dass dem Betroffenen vor Begehung der neuerlichen Geschwindigkeitsüberschreitung die frühere Tat auf andere Weise als durch rechtskräftige Ahndung voll bewusst geworden ist (OLG Hamm, Beschluss vom 05.08.1999 - 4 Ss OWi 794/99 -). Dies kann beispielsweise schon durch die Zustellung des Bußgeldbescheides geschehen, jedoch bedarf es in einem solchen Fall ausreichender tatrichterlicher Feststellungen hierzu, die den Schluss zulassen, der Betroffene habe sich über den vorausgegangenen Warnappell hinweggesetzt (OLG Hamm, a.a.O.; vgl. auch BverfG DAR 1996, 196, 198; BayObLG NZV 1996, 370, 371).
Der angefochtene Beschluss enthält jedoch auch keinerlei Feststellungen dazu, zu welchen Zeitpunkten der Betroffene tatsächliche Kenntnis von den unter dem 03.09.2001 und 25.07.2001 gegen ihn ergangenen Bußgeldbescheiden erlangt hatte.
Das Amtsgericht wird daher in der neuerlichen Hauptverhandlung das Datum der Rechtskraft der Bußgeldbescheide vom 03.09.2001 und vom 25.07.2001 feststellen und für den Fall, dass dieses Datum nach der Tat vom 31.10.2001 liegt, ergänzende Feststellungen zur tatsächlichen Kenntnisnahme des Betroffenen vom Inhalt dieser - dann noch nicht rechtskräftigen - Bußgeldbescheide treffen müssen.
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