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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 1123/02 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Verbreitung pornografischer Schriften im Sinn des § 184 Abs. 1 Nr. 3 a StGB in einer Automatenvideothek.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Ladengeschäft, Inverkehrbringen

Normen: StGB 184

Beschluss: Urteil
Strafsache
gegen O.P.
wegen Verbreitung pornografischer Schriften.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Urteil des Amtsgerichts Meschede vom 1. Juli 2002 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 21. 05. 2003, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht und
Richter am Oberlandesgericht
als beisitzende Richter,

Oberstaatsanwalt
als Beamter der Staatsanwaltschaft,

Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird - unter Aufrechterhaltung der Feststellungen - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Meschede zurückverwiesen.

Gründe:

I. Die Staatsanwaltschaft Arnsberg hat dem Angeklagten mit der Anklageschrift vom 27. März 2002 zur Last gelegt, in Meschede seit dem Jahre 2001 pornografische Schriften im Wege gewerblicher Vermietung anderen überlassen zu haben. Der Angeklagte betreibe in Meschede unter der Bezeichnung „V. 24“ in der Z-Str. eine sog. Automaten-Videothek. Der Zutritt zu dieser Automaten-Videothek sei Erwachsenen, die sich zuvor haben registrieren lassen, nur mittels einer Chipkarte möglich. Mit Hilfe eines Pincodes und eines Fingerprints könnten dann indizierte und pornografische Filme gegen Entgelt einem Automaten entnommen werden. Diese Art der gewerblichen Vermietung verstoße gegen § 184 Abs. 1 Nr. 3 a StGB; denn die gewerbliche Verbreitung sei nur in Ladengeschäften zulässig, in denen Personal die Prüfung übernehme, ob die Entleiher über 18 Jahre alt sind.

Das Amtsgericht Meschede hat den Angeklagten durch Urteil vom 01. Juli 2002 von diesem Vorwurf freigesprochen und dazu folgende Feststellungen getroffen:

„Der Angeklagte betreibt als selbständiger Kaufmann seit Ende 2000 unter der Firmierung „V.“ in der Zeughausstr. 11 in Meschede eine sog. Automaten-Videothek. Als Betreiber der Automaten-Videothek ist der Angeklagte zur Beachtung der damit verbundenen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere zur Einhaltung der dem Jugendschutz dienenden Bestimmungen verpflichtet. Zum Sortiment der von dem Angeklagten vermieteten Videofilme gehören auch solche, die eindeutig pornografische Darstellungen enthalten. Dabei werden nur solche Filme vertrieben, die über ein FSK-Prüfsiegel verfügen (einfache Pornografie).
Die Vermietung der Videofilme aus dem Automat ist vom Angeklagten wie folgt organisiert:
Der Neukunde muss schriftlich seine Mitgliedschaft in einem Mietvertrag und allgemeinen Mietbedingungen beantragen und durch Vorlage eines Ausweises auch nachweisen, dass er bereits volljährig ist. Nach Überprüfung durch einen Mitarbeiter des Angeklagten, der sich täglich, außer sonntags in der Zeit von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr in dem Geschäftslokal aufhält und dort einerseits die Bestückung des Automaten vornimmt und andererseits Neukunden die Aufnahme als Mitglied ermöglicht, erhält der Neukunde eine Magnetkarte ausgehändigt. Sodann wird seitens des Mitarbeiters des Angeklagten ein Finger des Kunden am sog. Fingerabdruck-Lesegerät des Videoautomaten eingescannt, so dass der Kunde nun mit Mitgliedskarte und seinem Fingerabdruck gespeichert ist. Der Neukunde erklärt in dem Mietvertrag und den allgemeinen Mietbedingungen unter Ziffer 1, dass er ausdrücklich in seiner Geschäftsfähigkeit nicht beschränkt sowie volljährig i. S. d. Gesetzgebers ist. Unter Ziffer 6 verpflichtet sich der Mieter, die Kundenkarte nicht an Dritte weiterzugeben. Unter Ziffer 10 verpflichtet sich der Mieter, die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes einzuhalten und Verleihgegenstände nur Kindern und Jugendlichen zugänglich zu machen, für die solche ausdrücklich geeignet sind (FSK-Freigabe).

Nunmehr kann der Neukunde täglich in der Zeit von 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr unter Verwendung der Magnetkarte in dem o. g. Geschäftsraum des Angeklagten Filme wie folgt mieten:
Der Kunde steckt seine Magnetkarte außerhalb des Geschäfts in den Kartenschlitz neben der Zugangstür, welche von der Straße aus zu erreichen ist. Hierdurch öffnet sich die Zugangstür und der Kunde kann den Videothekenraum, in welchem sich der Automat befindet und in welchem außer in der Zeit von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr montags bis samstags kein Personal des Angeklagten anwesend ist, betreten. Das Geschäftslokal ist 40 m² groß, von der Eingangstür bis zum gegenüberliegenden Automaten besteht eine Entfernung von 2,50 m bis 3,00 m. Außerhalb des Geschäftes befindet sich deutlich sichtbar der Hinweis, dass Personen unter 18 Jahren der Zutritt verboten ist.

Am Videothekenautomaten selbst führt der Kunde wiederum seine Mitgliedskarte durch einen Schlitz und muss nach Aufforderung auf einem Bildschirm den vorher eingescannten Finger auf das Fingerabdruck-Lesegerät halten bzw. drücken. Nach Feststellung der Übereinstimmung kann der Kunde den Automaten weiter bedienen und den gewünschten Film entnehmen. Eine zusätzliche PIN-Nummer ist nicht erforderlich.

Die fällige Entleihgebühr wird von einem Guthabenkonto des jeweiligen Kunden abgebucht. Der Automat bietet gleichzeitig die Möglichkeit durch Einführung von Banknoten das jeweilige Guthabenkonto anzulegen bzw. aufzufüllen.

Die bildschirmgesteuerte Menüführung gibt die Möglichkeit, oben links auf dem Monitor in der Größe einer Zigarettenschachtel das jeweilige Cover des auszuwählenden Films anzusehen. Bei pornografischen Filmen kann das Cover auch aus der Fotokopie einer pornografischen Darstellung bestehen. Von außen ist aufgrund der Größe der Abbildung, selbst wenn der Monitor nicht durch die davor stehende Person verdeckt würde, nur schemenhaft ohne Detailkenntnisse ein Bild zu erkennen.“

Bei dieser Sachlage sei der Angeklagte, so das Amtsgericht, aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
Grundsätzlich erfordere der Begriff des Ladengeschäfts i. S. d. § 184 Abs. 1 Nr. 3 a StGB zwar die Anwesenheit von Personal während der Öffnungszeiten. Das Sicherheitskonzept im vorliegenden Falle gewährleiste jedoch, dass lediglich Volljährige den Videoautomaten bedienen und pornografische Filme anmieten könnten. Die Gefahr des Missbrauchs, indem ein volljähriger Karteninhaber einen Minderjährigen den Zugang zu dem Automaten verschaffe, sei nicht größer als im Falle einer mit Personal besetzten Videothek.

Eine Strafbarkeit nach § 184 Abs. 2 Nr. 3 a StGB scheide daher aus. Auch eine Strafbarkeit nach § 184 Abs. 2 Nr. 5 StGB oder aber §§ 7 Abs. 4, 12 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 4 Nr. 2 JÖSchG komme nicht in Betracht, da der Angeklagte nicht ö f f e n t l i c h pornografische Schriften an einem Ort, der Personen unter 18 Jahren zugänglich sei, angeboten habe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Arnsberg mit dem Rechtsmittel der Sprungrevision, die, mit näherer Begründung, die Verletzung materiellen Rechts rügt und die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Meschede beantragt.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft mit ergänzender Begründung beigetreten.

II.
Die Revision ist zulässig und begründet.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen belegen, dass sich der Angeklagte nach § 184 Abs. 1 Nr. 3 a StGB und § 12 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 4 JÖSchG strafbar gemacht haben kann.

Nach § 184 Abs. 1 Nr. 3 a StGB ist das Anbieten und Überlassen pornografischer Schriften, wozu gem. § 11 Abs. 3 StGB auch Ton- und Bildträger und damit Videos gehören, im Wege gewerblicher Vermietung nur in Ladengeschäften, die Personen unter 18 Jahren nicht zugänglich sind und von ihnen nicht eingesehen werden können, erlaubt.

Die Videothek des Angeklagten erfüllt zwar die an ein Ladengeschäft i. S. d. Vorschrift in räumlicher Hinsicht zu stellenden Anforderungen (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 184 Rn. 14).
Zusätzlich setzt der Begriff des Ladengeschäfts jedoch die Anwesenheit von Personal während der Öffnungs- bzw. Zugangszeiten voraus. Zwar lässt sich dieses Erfordernis dem Gesetzeswortlaut nicht ausdrücklich entnehmen. Die Rechtsprechung ist bislang, allerdings ohne nähere Ausführungen, offenbar davon ausgegangen, dass in einem Ladengeschäft Personal vorhanden ist (vgl. BGH NJW 1988, 272; LG Verden, NStZ 1986, 118; LG Hamburg, NStZ 1989, 181; LG Essen, NStZ 1985, 510).
Bei der Auslegung des Begriffs Ladengeschäft ist vom Zweck der Norm des § 184 Abs. 2 Nr. 3 a StGB auszugehen, der den Schutz jugendlicher Personen vor Beeinträchtigungen in ihrer psychischen Entwicklung durch den Zugang zu pornografischen Materialien gewährleisten soll (vgl. Tröndle/Fischer, a a O, Rn. 2). Dem Ziel des Jugendschutzes trägt auch die Regelung des § 7 Abs. 4 JÖSchG Rechnung, wonach bespielte Bildträger nicht in Automaten angeboten werden dürfen. Aus diesem Verbot und der in § 184 Abs. 1 Nr. 3 a StGB normierten Regelung, wonach Bildträger pornografischen Inhalts nur in speziellen Ladengeschäften angeboten werden dürfen, folgt nach Auffassung des Senats der eindeutige gesetzgeberische Wille, dass Ladengeschäfte i. S. d. § 184 Abs. 1 Nr. 3 a StGB aus Gründen effektiven Jugendschutzes ein ausreichendes Maß an Aufsicht und Überwachung aufweisen müssen, das, in aller Regel, nur durch den Einsatz entsprechenden Personals sichergestellt werden kann (so auch BayObLG, Urteil vom 28. November 2002 4 St RR 95/02). Die vom Gesetzgeber nunmehr mit dem Jugendschutzgesetz vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2730) getroffene Neuregelung des Jugendschutzes hat daran im Wesentlichen nichts geändert.
Zwar verkennt der Senat nicht, dass der Angeklagte in seiner Videothek einen sehr hohen und durchaus nicht wirkungslosen technischen Aufwand betreibt, um den Zugang Minderjähriger zu pornografischen Filmen und Videos zu unterbinden. Das System kann jedoch nicht zuverlässig verhindern, dass außerhalb der Zeiten, in denen sich ein Mitarbeiter im Geschäft aufhält was im Übrigen nur während 12 Stunden von insgesamt 168 Wochenstunden der Fall ist Minderjährige von zugangsberechtigten Kunden mit in die Räumlichkeiten hinein genommen werden und auf diese Weise Zugang zu pornografischen Videos erlangen. Zwar mag auch die Anwesenheit von Personal, das möglicherweise in Einzelfällen aus Gleichgültigkeit oder Unaufmerksamkeit den Einlass Minderjähriger nicht unterbindet, keine absolute Kontrolle zu garantieren. Es steht jedoch nach Auffassung des Senats außer Frage, dass das notwendige und machbare Maß an Kontrolle durch ein anonymes technisches System, das während genau feststehender 156 Stunden in der Woche einen u n b e o b a c h t e t e n Zugang Minderjähriger in Begleitung (ggf. junger) Erwachsener ermöglicht, nicht zu gewährleisten ist. Der gesetzgeberischen Intention eines effektiven Jugendschutzes kann daher nur genüge getan werden, wenn der Begriff des Ladengeschäfts den Einsatz von Personal zu Aufsichts- und Überwachungszwecken beinhaltet.

Nach allem kann sich der Angeklagte nach § 184 Abs. 1 Nr. 3 a StGB schuldig gemacht haben. Eine abschließende Beurteilung ist dem Senat verwehrt, da das Amtsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig keine Feststellung zur inneren Tatseite getroffen hat.

Darüber hinaus kommt auch eine Strafbarkeit gem. § 12 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 4 JÖSchG in Betracht. Die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen insoweit liegen vor. Das Merkmal „öffentlich“ ist erfüllt, wenn entweder an einen gänzlich unbestimmten Personenkreis oder aber, wie hier, an einen bestimmten Personenkreis, der nicht durch persönliche Beziehungen untereinander verbunden ist, wozu die Mitgliedschaft im Kundenkreis des Angeklagten nicht ausreicht (vgl. Tröndle/Fischer, a a O, Rn. 18; BayObLG NJW 1976, 527), Bildträger angeboten werden.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmung des § 7 Abs. 4 JÖSchG bestehen im vorliegenden Fall nicht (vgl. BVerfG, Beschluß vom 20. Januar 1987
1 BvR 533/85).

III.
Das angefochtene Urteil unterliegt daher aufgrund der aufgezeigten Mängel der Aufhebung.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben, § 353 Abs. 2 StPO. Sie bedürfen jedoch im Hinblick auf die innere Tatseite der Ergänzung.

Die Sache wird daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Meschede zurückverwiesen.


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