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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss OWi 439/03 OLG Hamm

Leitsatz: Eine ordnungsbehördliche Vorschrift, die lautet: „Tiere dürfen nicht ohne Aufsicht gelassen werden.“ ist noch als hinreichend bestimmt anzusehen.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Bestimmtheitsgebot

Normen: OWiG 3

Beschluss: Bußgeldsache
gegen M.L.
wegen Zuwiderhandlung gegen § 7 Abs. 3 der ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet der Gemeinde Steinhagen.

Auf den Antrag der Betroffenen vom 27. Februar 2003 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Halle (Westfalen) vom 26. Februar 2003 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 07. 2003 bezüglich der Zulassungsentscheidung durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gem. § 80 a Abs. 2 Satz 1 Nr. OWiG
bezüglich der Rechtsbeschwerde durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht,die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das Rechtsmittel wird auf Kosten der Betroffenen verworfen.

G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht Halle (Westfalen) hat gegen die Betroffene wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 7 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 1 Nr. 6 der ordnungsbehördlichen Verordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gebiet der Gemeinde Steinhagen vom 28. Mai 1998 zu einer Geldbuße von 100,00 € verurteilt. Das Amtsgericht hat hierzu folgende tatsächlichen Feststellungen getroffen:

„Die Betroffene ist Eigentümerin und Halterin des Schäferhundrüden „Socco“. Am 23. September 2002 lief der Schäferhund der Betroffenen gegen 18.00 Uhr frei auf der Straße Im Busche sowie auf nicht umschlossenen Feldern im Bereich zwischen den Straßen Im Busche und Gleiwitzer Straße im Außenbereich von Steinhagen umher, ohne dass die Betroffene oder eine sonstige Aufsichtsperson dort anwesend war und ohne dass die Möglichkeit der Einwirkung auf den Schäferhund durch die Betroffene oder eine andere Aufsichtsperson gegeben war.

Auf denselben Flächen bewegte sich der Schäferhund der Betroffenen dann erneut frei und unangeleint umherlaufend am 24. September 2002 um 17.30 Uhr sowie am 30. September 2003 um 17.25 Uhr. Auch in diesen Fällen war jeweils keine Aufsichtsperson zu sehen. Eine Einwirkungsmöglichkeit durch die Betroffene oder eine andere Aufsichtsperson auf den Schäferhund bestand nicht.“

Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer rechtzeitig eingelegten und formgerecht begründeten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung sie beantragt. Sie erhebt die Sachrüge und macht mit näheren Ausführungen geltend, die Regelung in § 7 Ziff. 3 der ordnungsbehördlichen Verordnung sei zu unbestimmt und deshalb unwirksam.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zur Fortbildung des Rechtes geboten. Klärungsbedürftig ist die Frage der inhaltlichen Bestimmtheit nach § 29 Abs. 1 S. 1 OBG NW der fraglichen ordnungsbehördlichen Bestimmung in § 7 Abs. 3 der Verordnung.

III.
Der Rechtsbeschwerde bleibt jedoch in der Sache ein Erfolg versagt.
Die in materiell-rechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen den Schuld- und den Rechtsfolgenausspruch.
Entgegen der Auffassung der Betroffenen unterliegt die hier angewandte Vorschrift keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere ist sie hinreichend bestimmt. Dem Bestimmtheitsgebot der Tatbestandsumschreibung ist dann genüge getan, wenn die mit Geldbuße bedrohte Handlung ihrem Typus nach so genau gekennzeichnet ist, dass für den Bürger grundsätzlich vorausschauend erkennbar ist, ob sein Handeln mit Geldbuße geahndet werden könnte oder nicht (vgl. Göhler, Kommentar zum OWiG, 12. Aufl., Rdnr. 5 m. w. N.). Bei Bußgeldtatbeständen darf das Bestimmtheitsgebot jedoch wegen der weniger einschneidenden Unrechtsfolgen als im Strafrecht nicht überspannt werden. Eindeutige Klarheit, die keinen Auslegungszweifel entstehen lässt, kann dabei nicht verlangt werden; vielmehr ist wegen der Vielgestaltigkeit der denkbaren Lebensvorgänge eine zur praktischen Handhabung ausreichende Bestimmtheit, die auch durch Auslegung zu ermitteln sein kann, genügend (Rebmann/Roth/Hermann, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, Kommentar, 3. Aufl., Rndrn. 4 f. zu § 3).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die ordnungsbehördliche Vorschrift des § 7 Abs. 3, die lediglich lautet: „Tiere dürfen nicht ohne Aufsicht gelassen werden.“ noch als hinreichend bestimmt anzusehen. Ihr Regelungsgehalt ist dahin zu verstehen, dass Tiere im öffentlichen Bereich nicht ohne Aufsicht, d. h., Einwirkungsmöglichkeit des verantwortlichen Halters oder dessen Hilfsperson sein dürfen. Aufgrund der Verschiedenheit der in Betracht kommenden Tiere, vor allem jedoch der in Absatz 2 genannten Pferde und Hunde und ihrer Eigenarten, insbesondere ihrer individuellen Gefährlichkeit und ihres Gehorsams gegenüber dem Halter oder dessen Hilfsperson, ist eine nähere Eingrenzung praktisch kaum möglich. Während es für ein ruhiges gezähmtes Tier ausreichend sein kann, dass sich der Aufsichtspflichtige in Sicht- und Hörweite aufhält, weil das Tier auf Zuruf spontan gehorcht, kann es bei temperamentvollen wenig gehorsamen Tieren die Aufsichtspflicht gebieten, das Tier an einer Leine zu führen oder eventuell noch weitere sichernde Maßnahmen zu treffen. Jedenfalls hat der Tierhalter durch die jeweils geeignete Maßnahme bei der Aufsicht sicherzustellen, dass durch das Verhalten des Tieres weder Gefahren noch Schäden für andere ausgehen. Für den Bürger ist aufgrund der Regelung ohne weiteres erkennbar und vorhersehbar, dass er den Bußgeldtatbestand erfüllt und sich ordnungswidrig verhält, wenn er sein Tier ohne jegliche Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeit frei und sich selbst überlassen herumlaufen lässt. Dies gilt vorliegend auch für die Betroffene, die nach den getroffenen Feststellungen ihren Hund ohne jegliche Aufsicht im öffentlichen Bereich hat frei herumlaufen lassen und damit den Bußgeldtatbestand ausgefüllt hat.

Die genannte Vorschrift ist ferner geeignet und erforderlich, um dem gegebenen
Regelungszweck, nämlich den Schutz von Personen und anderer Tiere vor Schädigungen und Gefährdungen, zu gewährleisten. Sie verstößt auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, denn Art und Umfang der dem Tierhalter auferlegten Aufsichtspflicht stehen zu dem Zweck der Regelung, den Schutz von Personen und anderen Tieren zu bewirken, in einem angemessen Verhältnis. Aufgrund des hohen Wertes der zu schützenden Rechtsgüter und der verhältnismäßig geringfügigen Belastung des Tierhalters durch die Aufsichtspflicht fällt die zu treffende Abwägung eindeutig i. S. d. getroffenen Regelung des § 7 Abs. 3 der Verordnung aus.

Schließlich ist die angewendete Norm auch nicht entgegen § 28 Abs. 2 OBG NW in ihrer Anwendung durch die zur Tatzeit geltende Landeshundeverordnung Nordrhein-Westfalen (LHV NW) verdrängt; insoweit bestimmt § 11 LHV NW ausdrücklich, dass kommunale Rechtsvorschriften über das Halten von Hunden einschließlich von Anleingeboten unberührt bleiben, soweit diese Vorschriften nicht gefährliche Hunde i. S. d. Vorschrift besonders betreffen. § 7 Abs. 3 der Gemeindeverordnung regelt die Beaufsichtigung von Hunden (und anderen Tieren) und gehört damit zum Regelungsbereich des Haltens von Hunden. Dass sich die Beaufsichtigung als ein Fall des Haltens darstellt, folgt aus der Regelung des § 3 LHV NW, der die Voraussetzungen für das Halten bestimmter Hunde regelt und dabei in Absatz 4 die Anleinpflicht beim Führen von Hunden unter besonderen Voraussetzungen ausführt. Dadurch zeigt sich, dass die Aufsichtspflicht für Hunde innerhalb desselben Regelungsbereiches liegt, wie der gesondert ausgeführte Anleinzwang. Beide Regelungsgegenstände stellen sich als Unterfälle des Haltens dar, so dass § 7 Abs. 3 der Gemeindeverordnung durch die LHV NW nicht verdrängt ist.

Das seit dem 01.01.2003 geltende Landeshundegesetz Nordrhein-Westfalen (LHundG NRW), welches die LHV NW abgelöst hat, steht der Anwendung des § 7 Abs. 3 der Gemeindeverordnung ebenfalls nicht entgegen. Eine Rückwirkung könnte allenfalls insoweit in Betracht kommen, als das Landeshundegesetz als das mildere Gesetz i. S. v. § 4 Abs. 3 OWiG anzuwenden wäre. Davon kann indes nicht ausgegangen werden, denn in § 2 Abs. 1 LHundG NRW ist die allgemeine Beaufsichtigungspflicht für Hunde ebenfalls normiert und für Zuwiderhandlungen eine weitaus höhere Bußgeldandrohung in § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 LHundG NRW vorgesehen (Geldbuße bis 100.000,00 € im Vergleich zu 500,00 € nach der Gemeindeverordnung).

Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs auf die Sachrüge hin hat letztlich ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben.

Die Rechtsbeschwerde war mithin mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO
i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG zu verwerfen.

IV.
Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gem. § 80 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG durch den Einzelrichter, die Entscheidung über die zugelassene Rechtsbeschwerde durch drei Richter ergangen (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., Rdnr. 4 zu § 80 a).


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