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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 VAs 29/03 OLG Hamm

Leitsatz: Zur den Anforderungen für die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe im Ausland

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Strafvollstreckung; ausländischer Verurteilter; Strafvollstreckung im Ausland; Begründung der Entscheidung, Ermessen

Normen: EGGVG 23

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend den niederländischen Staatsangehörigen J.N.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, (hier: Ersuchen um Vollstreckung einer Freiheitsstrafe in den Niederlanden).

Auf den Antrag des Betroffenen vom 14. Mai 2003 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 26. März 2003 in der Form des Beschwerdebescheides des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 09. Mai 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 31. 07. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet kostenpflichtig verworfen.
Der Gegenstandswert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe:
Der inzwischen 45-jährige Betroffene wurde in Ghana geboren und siedelte 1990 in die Niederlande über. Seit 1998 besitzt er die niederländische Staatsangehörigkeit, verfügt dort jedoch auch nach seinem eigenen Vortrag über keine familiären oder sonstigen sozialen Bindungen.

Am 08. November 2002 wurde der Betroffene vom Landgericht Duisburg wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Diese Strafe verbüßt der Betroffene seit diesem Tag in der Justizvollzugsanstalt Geldern. Bereits mit Antrag vom 11. November 2002 hat der Betroffene beantragt, zur weiteren Strafvollstreckung in die Niederlande überstellt zu werden. Sein Begehren stützte er allein darauf, dass er als niederländischer Staatsangehöriger ein Recht auf eine solche Überstellung habe. Weitere Gründe hat der Betroffene nicht vorgetragen.

Mit Entschließung vom 26. März 2003 hat die Staatsanwaltschaft Duisburg den Antrag des Betroffenen zurückgewiesen und dazu ausgeführt, dass maßgeblich für die ablehnende Entscheidung sei, dass gegen den Betroffenen ein weiterer Haftbefehl erlassen und Überhaft notiert worden sei. Allein aus diesem Grunde könne dem Anliegen des Betroffenen nicht entsprochen werden, da die Gewährleistung der Strafverfolgung auch in dem weiteren Verfahren Vorrang vor etwaigen Interessen des Betroffenen habe.

Der Betroffene hat diese Entscheidung angefochten und dazu ausgeführt, „dass der Haftbefehl ausschließlich zu dem Zweck beantragt wurde, in sachwidriger Weise die Vollstreckung des Strafurteils für den niederländischen Staatsangehörigen in den Niederlanden zu verunmöglichen.“

Dies sei kein sachgerechtes Kriterium für die Beantragung und den Erlass eines Haftbefehls, so dass der „Überhaftbefehl“ in verfassungswidriger Weise direkt in die Rechte des Verurteilten eingreife.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Beschwerde des Betroffenen mit Entschließung vom 09. Mai 2003 zurückgewiesen und dazu ausgeführt, dass aus den von der Staatsanwaltschaft zutreffend mitgeteilten Gründen eine Überstellung zur Strafvollstreckung in den Niederlanden zur Zeit nicht in Betracht komme.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14. Mai 2003 hat der Betroffene nunmehr Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG gestellt.
Er ist der Auffassung, dass der Betroffene als Holländer „nach dem deutsch/holländischen Übereinkommen das Recht auf Überstellung in die Niederlande zur Strafvollstreckung“ habe. Der Haftbefehl des Amtsgerichts Oberhausen vom 29. November 2002, der von dem Betroffenen bislang erfolglos angefochten wurde, dürfe einer Überstellung nicht entgegenstehen.

Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Zulässigkeit des Antrages ergibt sich aus §§ 23 ff. EGGVG. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Juni 1997 (NJW 97, 3013) festgestellt, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, ein Ersuchen um Übernahme der weiteren Vollstreckung nicht anzuregen, sich als Rechtakt mit unmittelbarer Auswirkung für den Betroffenen darstellt und sich damit auf das grundrechtlich geschützte Resozialisierungsinteresse des Verurteilten auswirkt. Daraus folgt zugleich, dass ein gerichtlicher Rechtsschutz, zu überprüfen, ob die Vollstreckungsbehörde ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat, nicht verwehrt werden dürfe (Art. 19 Abs. 4 GG). Mangels anderweitiger Rechtsbehelfsmöglichkeiten ist hierfür der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet.

Entgegen der Auffassung des Betroffenen folgt daraus jedoch kein „Recht“ auf Überstellung zur Strafvollstreckung in die Niederlande. Die dazu getroffenen staatsanwaltschaftlichen Entschließungen müssen für den Betroffenen und das Gericht lediglich die Nachprüfung ermöglichen, ob die Staatsanwaltschaft dabei den ihr eingeräumten Ermessensspielraum eingehalten und ausgenutzt hat, dass sie dabei von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und dass sie alle zu berücksichtigenden Umstände gegeneinander abgewogen und in ihre Entscheidung einbezogen hat (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Juli 1998 1 VAs 23/98). Die Auffassung des Betroffenen, sein Antrag sei schon deshalb begründet, weil er niederländischer Staatsangehöriger sei, ohne dass der Vollstreckungsbehörde ein weiterer Ermessensspielraum zustehe, ist unzutreffend.

Den hier genannten Anforderungen werden die Entschließungen der Staatsanwaltschaft und die Beschwerdeentscheidung der Generalstaatsanwaltschaft gerecht.

Gegen den Betroffenen besteht der Haftbefehl des Amtsgerichts Oberhausen vom 29. November 2002 (27 Gs 1998/02). Darin wird ihm vorgeworfen, im Jahr 2001 gemeinschaftlich mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben. Im Einzelnen wird ihm zur Last gelegt, Ende des Jahres 2001 die anderweitig Verfolgten Y.P. und J.L. dafür angeworben zu haben, für ihn aus Panama am 08. Dezember 2001 insgesamt 4,7 kg Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 100 % in die Niederlande einzuschmuggeln. Die beiden Kuriere wurden von den dortigen Behörden kontrolliert und befinden sich seitdem in Panama in Untersuchungshaft. Der Abschluss der Ermittlungen gestaltet sich aufgrund der erforderlichen Rechtshilfeersuchen als langwierig. Die gegen diesen Haftbefehl gerichteten Rechtsmittel des Betroffenen blieben bisher erfolglos. Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat damit zu Recht darauf abgestellt, dass eine Überstellung zur Strafvollstreckung schon deshalb nicht in Betracht kommen kann, weil gegen ihn ein weiteres Strafverfahren wegen eines Verbrechenstatbestandes anhängig ist, indem gegen ihn ein Haftbefehl erlassen und Überhaft notiert worden ist. Die Gewährleistung der Strafverfolgung auch in dem weiteren Verfahren hat Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen zur Vollstreckung der bereits rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe in seinem Heimatland. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Vollstreckungsbehörde alle zu berücksichtigenden Umstände gegeneinander abgewogen und in ihre Entschließung einbezogen hat. Insbesondere hat der Betroffene nichts dazu vorgetragen, dass er, abgesehen von seiner niederländischen Staatsangehörigkeit in diesem Land über soziale Bindungen verfügt, die seiner Resozialisierung dienlich sein würden. Dem bisherigen Akteninhalt ist lediglich zu entnehmen, dass sich seine Familienangehörigen in Ghana aufhalten.

Da somit ein Ermessensfehlgebrauch nicht zu erkennen ist, war der Antrag des Betroffenen zu verwerfen.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 30 EGGVG, § 30, § 130 KostO.


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