Aktenzeichen: 1 Ss 432/03 OLG Hamm
Leitsatz: Den Urteilsgründen muss bei der Verhängung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe zu entnehmen sein, dass sich der Tatrichter der Vorschrift des § 47 StGB bewusst gewesen ist.
Senat: 1
Gegenstand: Revision
Stichworte: kurzfristige Freiheitsstrafe; Urteilsgründe; Anforderungen
Normen: StGB 47; StPO 267
Beschluss: Strafsache
gegen mit weiteren Nachweisen wegen Diebstahls u.a.
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 28. Februar 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07. 08. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, de Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Dortmund zurückverwiesen.
Gründe:
Der Angeklagte ist durch das angefochtene Urteil wegen Diebstahls in sieben Fällen, davon in vier Fällen in einem besonders schweren Fall, in einem Fall tateinheitlich mit unerlaubtem Betäubungsmittelerwerb und in drei Fällen geringwertiger Sachen, sowie wegen Freifahrterschleichung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.
Nach den durch die Tatrichterin getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte in vier Fällen Autoradios aus Kraftfahrzeugen entwendet und diese gegen Betäubungsmittel eingetauscht. Desweiteren hat er bei der Firma Lidl Zigarettenhülsen, bei der Firma Kaufhof einen Ring und bei der Firma Aldi zwei Tafeln Schokolade entwendet. In fünf Fällen hat er ein Verkehrsmittel benutzt, ohne im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein.
Zur Person des Angeklagten hat das Amtsgericht festgestellt, dass er Arbeitslosenhilfe in Höhe von 650,- monatlich bezieht. Der Bundeszentralregisterauszug vom 29. Januar 2003 enthalte 14 Eintragungen.
Zur Strafzumessung hat das Amtsgericht ausgeführt:
Bei der Strafzumessung sprach für ihn, dass er sich umfassend geständig und einsichtig gezeigt hat. Desweiteren war zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass er sich aufgrund langjährigen Drogenkonsums zu den Tatzeiten im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit nach § 21 StGB befand. Darüber hinaus hat der Angeklagte bei seiner polizeilichen Vernehmung Aufklärungshilfe geleistet. Gegen ihn sprachen seine erheblichen, auch einschlägigen, Vorbelastungen.
Nach Abwägung der Strafzumessungskriterien waren für die Freifahrterschleichungen Einsatzstrafen von jeweils von einem Monat, für die Diebstähle geringwertiger Sachen ebenfalls Einsatzstrafen von einem Monat, für die übrigen Diebstahlstaten Einsatzstrafen von jeweils drei Monaten schuldangemessen.
Nach erneuter Würdigung der Person des Angeklagten und der von ihm begangenen Taten war daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr als schuldangemessen zu bilden.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte (Sprung-)Revision eingelegt und diese, wie sich aus den Gründen des Rechtsmittels eindeutig ergibt, auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt. Die Beschränkung ist in zulässiger Weise erfolgt, da die Feststellungen den Schuldspruch tragen. Der Angeklagte rügt in Bezug auf den Rechtsfolgenausspruch mit näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen.
Das - eingeschränkte - Rechtsmittel hat zumindest vorläufigen Erfolg und führt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung an das Amtsgericht.
Der Rechtsfolgenausspruch hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, da sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, dass das Tatgericht sich der Vorschrift des § 47 StGB bewusst gewesen ist. Nach dieser Vorschrift verhängt das Gericht eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur, wenn es deren Verhängung aufgrund besonderer Umstände in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters für unerlässlich erachtet, wenn also unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention der Strafzweck zur Einwirkung auf den Täter durch eine Geldstrafe nicht oder kaum zu erreichen ist und aus diesem Grunde eine Freiheitsstrafe unverzichtbar erscheint, um den Täter dazu zu bringen, in Zukunft nicht mehr straffällig zu werden (vgl. BGHSt 24, 165).
Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten kann danach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (OLG Hamm, Beschluss vom 2. Juni 1999 - 2 Ss 566/99 -; OLG Hamm, Beschluss vom 28. Oktober 1998 - 2 Ss 1006/98 -; OLG Hamm, Beschluss vom 25. Juni 1996 - 2 Ss 171/96 -; Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1997 - 1 Ss 1425/97 -; BGHR, StGB, § 47 Abs. 1, Umstände 7; BGH StV 1994, 370). Auch wenn im Rahmen der Strafzumessung nicht sämtliche Gesichtspunkte, sondern nur die wesentlichen dargestellt werden müssen, um den in § 46 StGB insoweit festgelegten Anforderungen gerecht zu werden, und es auch nicht geboten ist, dass in den Urteilsgründen das Wort unerlässlich unbedingt genannt werden muss, wenn sich aus dem Zusammenhang der Strafzumessungserwägungen im Übrigen ergibt, dass sich das Tatgericht der engen Voraussetzungen des Gesetzesbegriffs der Sache nach bewusst war und diesen seiner Entscheidung richtig zugrunde gelegt hat, wird das angefochtene Urteil den genannten Voraussetzungen nicht gerecht.
Die Urteilsgründe lassen bereits nicht erkennen, dass sich das Amtsgericht der besonderen Voraussetzungen des § 47 StGB für die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe überhaupt bewusst gewesen ist. Es ist lediglich ausgeführt, dass die verhängten Freiheitsstrafen schuldangemessen sind. Dagegen ist nicht erkennbar, dass das Tatgericht die Vorschrift des § 47 StGB überhaupt in seine Erwägungen mit einbezogen hat. Dies lässt sich auch aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe nicht erkennen. Eine ganz andere Frage ist, welche Anforderungen an die Begründung einer unter sechs Monaten liegenden Freiheitsstrafe im vorliegenden Fall zu stellen sind. Darauf kommt es vorliegend aber nicht an. Denn zunächst ist Voraussetzung, wie bereits ausgeführt, dass sich das Tatgericht der besonderen Voraussetzungen des § 47 StGB bewusst gewesen ist. Dies ist jedoch den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen.
Darüber hinaus fehlen jegliche Ausführungen zur Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 StGB. Die Nichtgewährung der Strafaussetzung zur Bewährung muss aber jedenfalls, wenn - wie hier - ein dahingehend lautender Antrag in der Hauptverhandlung gestellt worden ist, begründet werden.
Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
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