Aktenzeichen: 3 Ss 526/03 OLG Hamm
Leitsatz: Der Grenzwert für die Geringwertigkeit einer Sache ist bei 50 EURO anzusetzen (Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 28.07.2003 - 2 Ss 427/03 -; OLG Zweibrücken, NStZ 2000, 536)
Senat: 3
Gegenstand: Revision
Stichworte: Diebstahl, geringwertige Sache; Grenzwert, Gewerbsmäßigkeit
Normen: StGB 243, StGB 248 a
Beschluss: Strafsache
gegen M.S.
wegen Diebstahls,
(hier: Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 06.06.2003).
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 06.06.2003 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 09. 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2, 4 StPO einstimmig beschlossen:
Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils wird dahin berichtigt, dass der Angeklagte des Diebstahls in fünf Fällen, des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls schuldig ist.
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, und zwar im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowie im Ausspruch hinsichtlich der Einzelfreiheitsstrafen für die Taten vom 08.10.2002, vom 24.11.2002 und 10.12.2002.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Schöffengericht - Minden zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als offensichtlich unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Minden hat den Angeklagten am 06.06.2003 wegen Diebstahls in zwei Fällen, Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und gewerbsmäßigen Diebstahls in vier Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Dabei hat es für die Tat vom 17.06.2002 eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, für die Tat vom 09.09.2002 eine Freiheitsstrafe von vier Monaten, für die Tat vom 10.09.2002 eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten, für die Taten vom 08.10., 24.11. und 10.12.2002 jeweils eine Freiheitsstrafe von vier Monaten und für die Tat vom 27.11.2002 eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten als Einzelstrafen verhängt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte (Sprung-)Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Die Revision wendet sich gegen die Annahme von Gewerbsmäßigkeit durch das Schöffengericht, da bei dem Angeklagten zu keinem Zeitpunkt ein umfassender Tatplan, gerichtet auf die Begehung weiterer Diebstähle zur Befriedigung eines intensiven Gewinnstrebens vorgelegen habe. Vielmehr habe der Angeklagte nur dann den Weg des Diebstahls gewählt, wenn er keine andere Möglichkeit mehr gesehen habe, sich die von ihm benötigten Drogen bzw. das dafür erforderliche Geld anderweitig zu besorgen.
II.
Die zulässige Revision hat teilweise einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
1. Allerdings konnte der Schuldspruch des angefochtenen Urteils dahingehend berichtigt werden, dass der Angeklagte des Diebstahls in fünf Fällen, des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls schuldig ist.
a) Hinsichtlich der Tat vom 27.11.2002 hat das Schöffengericht zu Recht Gewerbsmäßigkeit angenommen. Für die gewerbsmäßige Straftat ist kennzeichnend die Absicht des Täters, sich durch wiederholte Begehung von Straftaten eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, wobei es - entgegen der Ansicht der Revision - ausreicht, wenn die Vorstellung des Täters sich darauf bezieht, jeweils nur bei günstiger Gelegenheit wiederholt Straftaten der von ihm beabsichtigten Art zu begehen (Schönke/Schröder-Stree, StGB, 26. Aufl., vor § 52 Rdnr. 95 m.w.N.). Dies hat das Schöffengericht hier aber rechtsfehlerfrei festgestellt, indem es den Tagesbedarf des Angeklagten an Geld für zu erwerbendes Heroin und seine Motive für die einzelnen Diebstähle, nämlich die Finanzierung seines Drogenkonsums, darlegt. Ob der Angeklagte noch über weitere Einnahmequellen neben der wiederholten Begehung von Diebstahlstaten zur Finanzierung seiner Drogensucht verfügte, ist dabei ohne Bedeutung (ebda.).
b) Hinsichtlich der Diebstahlstaten vom 08.10.2002 (4 Flaschen Alkohol im Gesamtwert von 33,56 ), vom 24.11.2002 (2 Flaschen Alkohol im Gesamtwert von 31,00 ) und vom 10.12.2002 (Elektrogerät im Wert von 44,98 ) hat das Amtsgericht dagegen zu Unrecht einen gewerbsmäßigen Diebstahl i.S.d. § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB bejaht. Zwar lag auch hier das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit an sich vor, die Bestrafung aus dem Regelbeispiel schied aber gemäß § 243 Abs. 2 StGB deshalb aus, weil sich die vorgenannten Taten jeweils auf geringwertige Sachen bezogen. Die genannten Waren blieben in ihrem Wert nämlich allesamt unter einem Betrag von 50,00 , der nach der einhelligen Auffassung der Strafsenate des erkennenden Oberlandesgerichts nunmehr unter Berücksichtigung der Kosten- und Preissteigerung der letzten Jahre als angemesser Grenzwert für die Geringwertigkeit angesehen werden muss (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.07.2003 - 2 Ss 427/03 -; OLG Zweibrücken, NStZ 2000, 536). Zwar ist nach allgemeiner Meinung die Grenze der Geringwertigkeit in der Vergangenheit von den Gerichten in der Regel bei etwa 50,- DM bzw. nun 25,- angenommen worden (vgl. die Nachweise bei OLG Düsseldorf, NJW 1987, 1958 und bei Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 248 a Rdnr. 3). Die hier zitierte Rechtsprechung stammt aber teilweise noch aus den 80-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und ist unter Berücksichtigung der seitdem eingetretenen Kosten- und Preissteigerung als überholt anzusehen.
Dies führt hier zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Schöffengericht für die drei genannten Taten eine mildere Strafe als die jeweils verhängten vier Monate Einzelfreiheitsstrafe festgesetzt hätte, wenn es nicht den Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu 10 Jahren), sondern den Strafrahmen des einfachen Diebstahls gemäß § 242 StGB (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) zugrunde gelegt hätte. Das Jugendschöffengericht hatte nämlich im Rahmen der Strafzumessung für die Diebstahlstat vom 17.06.2002, für die es eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten gegen den Angeklagten verhängt hat, im besonderen Maße strafmildernd berücksichtigt, dass es sich um eine lediglich geringwertige Sache gehandelt hatte. Es spricht daher alles dafür, dass es diesen Umstand auch bei der Bemessung der drei vorgenannten Einzelfreiheitsstrafen strafmildernd berücksichtigt hätte und dann möglicherweise zur Verhängung einer milderen Einzelfreiheitsstrafe in den genannten drei Fällen gelangt wäre.
2. Die weitergehende Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat weder im Schuldspruch noch in der Rechtsfolgenentscheidung einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen lassen, § 349 Abs. 2 StPO.
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